Abteikirche Sankt Ottilien

Abteikirche Sankt Ottilien

Abteikirche Sankt Ottilien

Die Abteikirche mit ihrem mächtigen 75 m hohen Turm überragt und beherrscht das Klosterdorf. Die dreischiffige basilikale Anlage mit Querschiff und geradem Chorabschluß im herben einfachen Stil der Gotik benediktinisch-zisterziensischer Art wirkt wie ein Stück Mittelalter, obwohl diese Kirche nicht älter ist als das Kloster, dessen Herz und Mittelpunkt sie darstellt.

Baugeschichte

Bereits während der Anfangsjahre wagte sich die benediktinische Gemeinschaft trotz Armut und unermüdlichen Einsatzes in der Afrikamission an einen Kirchenneubau, um für ihre Gebetszeiten und die feierliche Liturgie einen würdigen Rahmen zu haben.

Der Plan wurde erstellt von dem Schüler und Mitarbeiter Georg von Hauberrissers, Architekt Hans Schurr aus München. Errichtet wurde der Bau selbst zwischen 1897 und 1899, während die feierliche Weihe am 29. Juni 1903 stattfand, nachdem das Kloster 1902 zur Abtei erhoben war. Die Innenausstattung zog sich über viele Jahre hinweg. Renovierungen wurden 1931, 1950 und 1966 durchgeführt.

1989 wurde schließlich Professor Franz Bernhard Weißhaar, München-Landsberg, mit der künstlerischen Leitung einer gründlichen Neugestaltung und Dipl.-Ing. Architekt Erwin Frey mit der Planung von Erweiterungsbau und Außenanlagen beauftragt. Die Arbeiten begannen 1992 und fanden ihren Abschluß mit der Weihe des neuen Altars durch Bischof Dr.Viktor Josef Dammertz von Augsburg am 10. Juni 1994.

Der dreischiffige Kirchenraum ist von Kreuzrippengewölben überspannt und reichlich mit figürlicher und ornamentarer Bauplastik aus Muschelkalk und Kunststein ausgestattet. Die verputzten Wände sind durchgehend hell gehalten, Pfeiler und Bögen gequadert. Ausreichend Licht fließt durch die breiten Obergadenfenster ins Langhaus, in die Seitenschiffe durch die Lanzettfenster der Kapellen und ins Querhaus durch die mächtigen Fensterrosetten.

Das Kirchenschiff enthält im Mittelgang den Weg der Sibyllen und Propheten (Bodenplatten in Messing und Muschelkalk), der von F.B. Weißhaar geplant und 1993 ausgeführt wurde. Die alttestamentlichen und spätantiken Sehergestalten zeugen von der Sehnsucht aller Menschen nach dem Kommen des Erlösers und dem Heil Gottes. Dabei kommt auch der besondere missionarische Auftrag der Ottilianer Benediktiner etwas zum Ausdruck.

In den Nischen der Eckpfeiler stehen Bronzefiguren: der hl. Bonifatius, Apostel Deutschlands, die hl. Ottilia, Patronin des Ortes, der hl. Andreas Kim, erster Priester Koreas, und Carl Lwanga, einer der Uganda-Martyrer. Diese beiden Heiligen erinnern an die Missionstätigkeit der Benediktiner von St. Ottilien in Afrika und Korea. Im Bodenbelag der Altarzone finden sich Inschriftenplatten, die auf die Vierungspfeiler mit den Reliefs der Evangelisten ausgerichtet sind. Jeweils ein Satz, der der Mönchsgemeinde bei der Feier der Eucharistie besonders wichtig ist, findet sich in Deutsch, Latein, Griechisch und Hebräisch aus dem entsprechenden Evangelium in die Bodenplatten gemeißelt:
am Lukaspfeiler: »Essen und Trinken sollt ihr an meinem Tisch in meinem Königreich« (Luk 22,30a); am Markuspfeiler: »Wer unter euch der Größte sein will, soll euer Diener sein« (Mk 10,43); am Matthäuspfeiler: »Liebe will ich, nicht Opfer, Erkenntnis Gottes mehr als Brandopfer« (Mt 9,13 und 12,7; Hos 6,6);
am Johannespfeiler: »Euch habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles kund getan habe, was ich von meinem Vater gehört habe« (Joh 15,15).
Die Planung der Altarzone oblag F.B. Weißhaar; Altar, Ambo und Ostersäule in Muschelkalk und Bronze von Bildhauer Max Walter.

Die dritte, wiederum um mehrere Stufen erhöhte Ebene der Apsis trägt das Ziborium nach altchristlichem Vorbild, das als Sakramentshaus dient (Werk des Münchner Bildhauers Alois Miller und seiner Mitarbeiter, 1905). Auf vier kostbaren Marmorsäulen erhebt sich der Baldachin, überzogen mit Metallarbeiten; die Giebel enden in mächtigen Kreuzblumen, auf den Eckbalustern geflügelter Hirsch, Taube mit dem Ölzweig, Einhorn und Adler. Die vier Giebelfelder zeigen Darstellungen des segnenden Gottvaters, des guten Hirten, des Keltertretes und des opfernden Melchisedeks.

Im Bogenfeld steht die Figurengruppe des Herzens Jesu, dem die Kirche geweiht ist. Jesu Erhöhung am Kreuz ist nach dem Johannesevangelium zugleich seine Erhöhung in die Herrlichkeit Gottes, wie es Wolke, Mandorla und Engel andeuten. Jesus steht vor dem Kreuz und breitet die Arme aus, um alle einzuladen: »Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen« (Mt 11,28).

Wo unser Weg ans Ziel kommt, tritt dem Beter in dieser Kirche nicht die Majestät des Königs gegenüber, vor dessen Richterspruch der Mensch Angst hat, sondern der Heiland mit dem liebenden Herzen, der in Erbarmen alles an sich ziehen will. Zugegen ist ER hier auch im eucharistischen Brot, das in der Tabernakelstele unter dem Baldachin aufbewahrt wird und zur Anbetung einlädt.

Die Joche der Seitenschiffe öffnen sich nach außen zu Kapellen; dadurch entsteht fast der Eindruck vom Formenreichtum einer fünfschiffigen Anlage. Verschiedene Künstler gestalteten im Laufe der Jahre diese Kapellen, deren Glasfenster in den Jahren vor 1914 von Augsburger Priestern anläßlich ihrer Weihejubiläen gestiftet wurden.

Der Sakramentsaltar mit Christus am Abendmahlstisch, Himmelsleiter, Engel und Propheten bildet den Abschluß des rechten Seitenschiffs (Malerei von Jos. Guntermann, 1902).
Gegenüber schließt der Marienaltar das linke Seitenschiff ab: die Muttergottes mit Kind (1450/80), umgeben von Wandmalerei: Paradies und Lebensbaummotive, Sara und Hagar, Lea und Rachel, Mirjam, Ruth, Esther und Judith. Die lateinischen Titel weisen auf deren und Marias Bedeutung in der Heilsgeschichte hin (Planung und Malerei F.B. Weißhaar unter Mitarbeit von S. Oehl, 1994).
Die große Zuneigung der Mönche zu Maria zeigt sich auch in der »erhöhten Frau der Apokalypse« (Offb 12,1), einer Madonnenfigur im Strahlenkranz (Schwaben, 1520) gegenüber der Chororgel im südlichen Querhaus: Maria weist uns den Weg zu unserer letzten Bestimmung.

Südliche (rechte) Seitenkapellen

Die Kapelle des hl. Benedikts, des Ordensvaters, zeigt in einem nach spätgotischer Tradition gestalteten Schreinaltar Bilder aus dem Leben des Heiligen, dabei auch Darstellungen der monastischen Gelübde und des Ottilianer Klosterlebens (Gestaltung: G. Kölnsperger nach Ideen von Erzabt Norbert Weber, 1915). Ähnliches ist im Fenster zu sehen (G. Kölnsperger, 1909).

In der Ottilienkapelle wird die Patronin des Klosters zusammen mit den Diözesanpatronen Ulrich und Afra verehrt (Gestaltung: Hans Miller, 1910). Die Fenster (G. Kölnsperger, 1909) zeigen Szenen aus dem Leben der Heiligen.

Die Pauluskapelle ist gerade in einem Missionskloster ständiger Ansporn, ihm nachzueifern. Das Altarbild zeigt die Predigt des Apostels auf dem Aeropag in Athen, die Fenster den kreuztragenden Christus, den Paulus und auch die Missionare von St. Ottilien verkünden (Malerei und Fenster: G. Kölnsperger; Bildhauerarbeit: Alois Sigg, 1917).

Am Treppenaufgang zur Orgelempore ist ein Fenster dem Gedächtnis des Apostels Deutschlands, Bonifatius, geweiht mit Szenen aus dem Leben des Heiligen: Abschied, Sendung, Bischofsweihe, Predigt, Fällen der Donareiche, Ermordung (G. Kölnsperger, 1920).

Nördliche (linke) Seitenkapellen

In der Josephskapelle ist der Heilige mit dem Jesusknaben zu sehen, begleitet von der hl. Theresia von Avila und dem hl. Johannes von Matha (Gestaltung: Hans Miller). Auch das Fenster zeigt Josefsszenen, nämlich die Vermählung mit Maria und die Flucht nach Ägypten (Franz X. Zettler, 1910).

Die Scholastikakapelle (G. Kölnsperger, 1917), die der Schwester des hl. Benedikts geweiht ist, will den weiblichen Zweig der Benediktinerinnen ehren. Das Altarbild selbst schildert die Begegnung der Geschwister, in der die Liebe der Frau über die Regeltreue des Mannes siegte. In den Altarflügeln und Fenstern (G.Kölnsperger, 1910) sind heilige Ordensfrauen abgebildet.

In der Michaelskapelle stellt der Altar in schweren barockisierenden Formen den Kampf des Erzengels gegen das Böse dar. Der Engelsfürst unterstützt dabei auch einen Benediktiner, dem sich Gläubige zuwenden (Engelfenster: G. Kölnsperger, 1919; Altar und Beichtstuhl: Hans Miller; Bild: P. Bonaventura Miller, 1920).

Zwei weitere Kapellen befinden sich im Querschiff unter den Emporen: Es sind stille Orte, die an Leid und Tod, an Vergänglichkeit und Hinfälligkeit des Lebens mahnen.

Votivkerzen und Kreuzweg in der Mater-Dolorosa-Kapelle(Foto Muy)
Um die Dolorosakapelle (rechtes Querhaus) zieht sich die Wandmalerei des Kreuzwegs, beginnend rechts vom Votivkerzenkamin mit Symboldarstellungen und einzelnen Szenen des Weges nach Golgotha bis zur 13. Station: auf einem Marmorpfeiler das spätgotische Bildwerk der Schmerzensmutter mit dem Leichnam ihres Sohnes (1520). Hier zeigt die Malerei in den Trümmern des Tempels das Ende der alten Gesetzesreligion. Unter den Fenstern das Bild des Grabes und schließlich der Engel des Ostermorgens (Wandmalerei: Silvia Nagacevschi, 1994)

Kreuzkapelle (Foto Muy)In der Kreuzkapelle (linkes Querhaus) befinden sich unter einem eindrucksvollen Crucifixus (um 1550) und unter der Figur des Erzmartyrers Stephanus (um 1520) vier Grabmäler, die von der Ballustrade einer Confessio umzogen werden: hier ruhen Abtbischof Theodor Breher von Yenki (Mandschurei), der 1950 nach seiner Heimkehr aus kommunistischer Gefangenschaft verstarb; daneben Erzabt Chrysostomus Schmid (2. Erzabt, von den Nazis bei der Klosteraufhebung aus St. Ottilien vertrieben, † 1962), Suso Brechter (3. Erzabt, † 1975) und Abtbischof Viktor Hälg von Ndanda († 1975).

Weitere Gedenktafeln erinnern an den in Afrika verstorbenen ersten Erzabt von St. Ottilien Norbert Weber († 1957) und an Klosterangehörige, die im Dienste der Glaubensverkündigung ermordet wurden oder in Gefängnissen starben. Auch die beiden Weltkriege haben der Ottilianer Gemeinschaft viele Mitbrüder entrissen: 31 waren es 1914/18 und 51 im Krieg 1939/45.

Orgeln

In der klösterlichen Musikpflege spielte die Orgel schon seit ihrer Einführung eine wesentliche Rolle, um dem Gesang Sicherheit und der Liturgie Festlichkeit zu geben. In St. Ottilien sind die verschiedenen liturgischen Aufgaben auf zwei Instrumente verteilt.
Musikallegorie auf dem Chororgelprospekt (FotoJanikowski)
Auf der hinteren Empore befindet sich die Hauptorgel mit 48 Registern, mechanischer Spiel- und Registertraktur, Schleifladen; im nördlichen Querschiff ist die Chororgel mit 17 Registern aufgestellt (Prospektentwurf von F.B. Weißhaar ; Orgeln von Fa. Hubert Sandtner, Dillingen).
Beide Instrumente zusammen beinhalten 4.134 Pfeifen, davon 358 aus Holz und 3776 aus Zinn-Blei-Legierung. Die größte Pfeife mißt ca. 5 m, die kleinste 7 mm. Die Bekrönungsfiguren der Hauptorgel stellen biblische Heilige dar, die uns den Lobpreis Gottes gelehrt haben, die der Chororgel Heilige aus der Kirchengeschichte (Figuren: Franz Hämmerle).

Turm und Geläut

Die Kirche wird vom weithin sichtbaren Vierungsturm (75 m) überragt, der den Glockenstuhl beherbergt. Das Geläute mit 7 Bronzeglocken und der mächtigen Hosannaglocke aus Euphon zählt zu den größten in Süddeutschland. Es entstand in den Jahren 1949/50 in der Erdinger Glockengießerei Czudnochowsky.

Die Glocken der Abteikirche von St. Ottilien:
Hosanna fis° 5250 kg
Gloriosa a° 3600 kg
Assumpta h° 2250 kg
Annuntiata cis¹ 1750 kg
Ottilia e¹ 1050 kg
Apostel fis¹ 650 kg
Ulrich gis¹ 450 kg
Benediktus h¹ 350 kg

Erweiterungsbauten

Da der Zugang durch das Hauptportal der Kirche manche Probleme mit sich brachte, wurde 1993/94 ein neuer stufenloser Zugang mit weiteren Räumen geschaffen.
Im Atrium mit offenem Dachstuhl steht die dreiteilige Weihbrunnenanlage mit sprudelndem Wasser, die den Eintretenden an den Zugang zu Gott nach der Reinigung durch Taufe und Buße erinnert (Bildhauerarbeit: Markus Stangl, München, 1994).

Bürgerreporter:in:

Wunibald Wörle aus Eresing

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