Wasser privatisieren? So nicht! - Das Wasser in Kreiensen – eine Dokumentation

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der „Wasserver- und Entsorgungsgesellschaft Kreiensen mbH“ (WVEK). Die das Wasser betreffenden Satzungen der Gemeinde Kreiensen werden hier nicht behandelt. Die Gemeinde Kreiensen ist seit der Fusion am 1. Januar 2013 ein Teil der Stadt Einbeck, Einbeck ist damit Rechtsnachfolger der nun nicht mehr existierenden Gemeinde Kreiensen. Die WVEK ist eine GmbH, also gilt für sie auch das „Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (GmbHG).

Das Recht einer GmbH

Eine GmbH muss ein Stammkapital von mindestens 25.000 Euro haben (Paragraph 5, Absatz 1 GmbHG). - Die WVEK hat ein Stammkapital in Höhe von 50.000 Euro.
Eine GmbH hat „Gesellschafter“. Die WVEK hat zwei Gesellschafter: die Gemeinde Kreiensen (jetzt als Fusionsfolge die Stadt Einbeck) hält 51 Prozent des Stammkapitals; und die „Eurawasser Betriebsführungsgesellschaft mbH“ 49 Prozent. Das Unternehmen Eurawasser selbst ist Tochter der Sues-Kanalgesellschaft, und besteht aus rund zwanzig einzelnen Firmen, meist in der Rechtsform der GmbH, eine davon ist diese Betriebsführungsgesellschaft.
Eine GmbH „muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben“ (Paragraph 6 GmbHG). Die WVEK hat zwei Geschäftsführer, je einen von jedem Gesellschafter.
Eine GmbH muss einen Aufsichtsrat haben (Paragraph 52 GmbHG). Die mögliche Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder bestimmt sich nach Paragraph 95 Aktiengesetz (AktG). Die Zahl der Aufsichtsratmitglieder muss durch 3 teilbar sein. Sie ist mindestens 3. Ihre maximale Anzahl bestimmt sich nach der Höhe des Stammkapitals. Bis zu einem Stammkapital von 1.500.000 Euro ist die maximale Anzahl 9. Die WVEK hat 9 Aufsichtsratsmitglieder; 5 kommen von der Gemeinde und 4 von Eurawasser.
Gesellschafterversammlung. „Beschlüsse der Gesellschaft werden in Versammlungen gefasst“ (Paragraph 48 GmbHG).

Die Personen

In der Gesellschafterversammlung wird die Gemeinde Kreiensen durch ihren Bürgermeister Ronny Rode vertreten. Herr Rode ging im Frühjahr 2012 in den Ruhestand, wer ihn danach in dieser Funktion vertreten hat, ist hier nicht bekannt. Wer nach der Fusion am 1. Januar 2013 in der Stadt Einbeck diese Funktion übernimmt, ist hier nicht bekannt.
Als Geschäftsführer wurde die Gemeinde Kreiensen durch Herrn Otfried Wecke vertreten; Herr Wecke war in der Gemeindeverwaltung für den Haushalt zuständig, er ist seit dem 1. Januar 2013 im Ruhestand.
Die der Gemeinde Kreiensen zustehenden Sitze im Aufsichtsrat wurden von Mitgliedern des Gemeinderates besetzt. Aus den öffentlich zugänglichen Haushaltsdruckstücken der Gemeinde Kreiensen sind folgende Namen bekannt:
Haushaltsdruckstück 2002: Als Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung wird Paragraph 109, Absatz 3 der NGO (Niedersächsische Gemeindeordnung) angegeben. Aufsichtsrat: Manfred Friedrich; Bernd Huwald; Horst de Klein; Ronny Rode; Gerhard Sue. In der Gesellschafterversammlung vertritt Ronny Rode die Gemeinde. Geschäftsführer: Eicke Lüking (Eurawasser) und Otfried Wecke (Gemeinde). Anmerkung: Ronny Rode ist zu diesem Zeitpunkt noch Gemeindedirektor; Otfried Wecke ist als Beamter in der Gemeindeverwaltung Kreiensen tätig.
Haushaltsdruckstück 2003: Im Aufsichtsrat ersetzt Georg Gehrig das bisherige Mitglied Gerhard Sue. Keine weiteren Änderungen in Aufsichtsrat und Geschäftsführung.
Haushaltsdruckstück 2004: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2003.
Haushaltsdruckstück 2005: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2004.
Haushaltsdruckstück 2006: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2005.
Haushaltsdruckstück 2007: Im Aufsichtsrat ersetzt Hans-Hennig Eggert das bisherige Mitglied Horst de Klein. Als Geschäftsführer ersetzt Axel Krause den bisherigen Eicke Lüking.
Haushaltsdruckstück 2008: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2007.
Haushaltsdruckstück 2009: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2008.
Haushaltsdruckstück 2010: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2009.
Haushaltsdruckstück 2011: keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2010. Es wird erstmals bestätigt, dass der Vertrag mit der WVEK über 25 Jahre läuft, also bis zum 31. Januar 2025.
Haushaltsdruckstück 2012: Bericht nach Paragraph 151 NkomVG. Im Aufsichtsrat keine Veränderung gegenüber dem Jahr 2011. Als Geschäftsführer ersetzt Holger Fricke den bisherigen Axel Krause.
Die „Eule“ meldete am 24.03.2013: Aufsichtsräte sind: Für die Stadt Einbeck: Hans-Henning Eggert, Georg Gehrig, Bernd Huwald, Ulrich Minkner, Wolfgang Warnecke; für Eurawasser: Julia Behrendt, Dr. Gunar Gutzeit, Dieter Helkenberg, Dr. Martin Lebek. Aufsichtsratvorsitzender: Bernd Huwald. Geschäftsführer: für die Stadt Einbeck: Horst Diercks; für Eurawasser: Holger Fricke.

Die Zahlen

Die Haushaltsdruckstücke von 2001 sowie den Vorjahren liegen mir nicht vor. Die Eröffnungsbilanz der WVEK vom 1. Februar 2000 liegt mir nicht vor.
Haushaltsdruckstück 2002: Die WVEK wurde zum 1. Februar gegründet. Das Geschäftsjahr läuft jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Die Aufteilung des Stammkapitals wird mit 51 Prozent (Gemeinde) und 49 Prozent (Eurawasser) angegeben.
Haushaltsdruckstück 2002: Bilanzstichtag: 30. September 2000: Eigenkapital: 50.000 Euro Stammkapital plus 1.759,97 Euro Gewinn; Bilanzsumme: 19.772.609,75 Euro. Das Zahlenwerk bezieht sich auf das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Februar 2000 bis zum 30. September 2000.
Haushaltsdruckstück 2003: Bilanzstichtag: 30. September 2001; Eigenkapital: 52.253,53 Euro; Bilanzsumme: 19.681.135,54 Euro. Ab jetzt volles Geschäftsjahr jeweils vom 1. Oktober bis 30. September des Folgejahres.
Haushaltsdruckstück 2004: Bilanzstichtag: 30. September 2002; Eigenkapital: 55.213,72 Euro; Bilanzsumme: 20.282.869,03 Euro.
Haushaltsdruckstück 2005: Bilanzstichtag: 30. September 2003; Eigenkapital: 58.138,82 Euro; Bilanzsumme: 20.226.7127,29 Euro.
Haushaltsdruckstück 2006: Bilanzstichtag: 30. September 2004; Eigenkapital: 61.020,41 Euro; Bilanzsumme: 19.776.472,07 Euro.
Haushaltsdruckstück 2007: Bilanzstichtag: 30. September 2005; Eigenkapital: 63.901,81 Euro; Bilanzsumme: 19.800.386,39 Euro.
Haushaltsdruckstück 2008: Bilanzstichtag: 30. September 2006; Eigenkapital: 66.974,17 Euro; Bilanzsumme: 19.204.279,17 Euro.
Haushaltsdruckstück 2009: Bilanzstichtag: 30. September 2007; Eigenkapital: 69.903,17 Euro; Bilanzsumme: 19.109.816,37 Euro.
Haushaltsdruckstück 2010: Bilanzstichtag: 30. September 2008; Eigenkapital: 73.182,17 Euro; Bilanzsumme: 18.249.091,30 Euro.
Haushaltsdruckstück 2011: Bilanzstichtag: 30. September 2009; Eigenkapital: 76.845,29 Euro; Bilanzsumme: 17.681.569,26 Euro.
Haushaltsdruckstück 2012: Bilanzstichtag: 30. September 2010; Eigenkapital: 180.096,27 Euro; Bilanzsumme: 17.140.612,93 Euro. Beim Eigenkapital wurde eine Einlage in Höhe von 100.000 Euro ausgewiesen. Diese Einlage wurde allein von der Gemeinde Kreiensen geleistet. Der Gemeindehaushalt deutet die Aufstockung dieser Einlage auf insgesamt eine Million an.

Zahlen, Besonderheiten.

In den Bilanzen steht auf der Passivseite stets der Posten „Rechnungsabgrenzungen“, dies ist normal, aber die Höhe – um rund deutlich über die Hälfte der Bilanzsumme - ist mehr als ungewöhnlich.
In der GuV (Gewinn- und Verlustrechnung) fällt auf, dass trotz der praktisch vollständigen Finanzierung über Fremdkapital (Schulden) nur verschwindend wenig Schuldzinsen ausgewiesen werden. Außerdem fällt auf, dass keine Personalkosten ausgewiesen werden. Der Aufwand für den Wirtschaftsprüfer in Höhe von nur wenigen tausend Euro ist ungewöhnlich gering.
Aus einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Göttingen gegen die Gemeinde Kreiensen ist bekannt: Die WVEK hat kein eigenes Personal, daher auch keine Personalkosten in der GuV. Die Finanzierung der WVEK sei über „Forfaitierung“ geschehen. (Gablers Wirtschaftslexikon, 12. Auflage: „Forfaitierung: Form der Außenhandelsfinanzierung, indem Wechsel oder Forderungen bei Vorliegen guter Sicherheiten ohne Rückgriff auf den Exporteur aufgekauft werden. Der Verkäufer befreit sich von jedem Risiko und haftet lediglich für den rechtlichen Bestand der Forderung. Vorteile für den Exporteur: a) Verbesserung der Liquidität durch Umwandlung der Forderung in bares Geld, b) Befreiung vom Kreditrisiko, c) Entlastung seiner Bilanz von langfristigen Forderungen.“). Ferner ist zugegeben worden, dass bei der Gründung der WVEK kein Geld geflossen ist. Es wurde aber das gesamte Sachvermögen der Wasserver- und -entsorgung von der Gemeinde Kreiensen auf die WVEK übertragen einschließlich der diese Anlagen belastenden Schulden.
Aus einem eingesehenen Prüfungsbericht ist bekannt, dass zu den zwei Geschäftsführern eine Prokuristin bestellt worden ist, die jedenfalls nicht in der Gemeinde beschäftigt ist.

Bewertungen

Formal hat die Gemeinde Kreiensen in der WVEK das Sagen, denn sie hält 51 Prozent des Stammkapitals und hat damit die Mehrheit der Stimmen. Sie hat die Mehrheit der Aufsichtsratssitze. Sie hat einen (gleichberechtigten?) Geschäftsführer. Die Frage ist aber, ob die jeweiligen Vertreter der Gemeinde Kreiensens stets fachlich in der Lage waren, die ihnen jeweils übertragenen Aufgaben ausüben zu können. Wer von ihnen kennt sich im Recht der GmbH aus? Oder im Bilanzrecht? Oder im Steuerrecht? Oder in der Technik der Wasserversorgung? Oder der Abwasserentsorgung? Alles Wissen liegt allein beim Partner Eurawasser!
Wie kann eine GmbH praktisch ohne Eigenkapital existieren? Der Eigenkapitalanteil lässt sich in Prozent ja kaum noch ausdrücken. Wieso geben Banken einer solchen GmbH Kredit? Eigentlich ist ein solches Unternehmen vom ersten Tag an konkursreif.
Die eigenartige Finanzierung der WVEK fällt auf. Da wird das Finanzierungsinstrument „Forfaitierung“ eingesetzt, es stammt aus dem Außenhandel, schützt dort auch vor Wechselkursverlusten. Was hat dieses Instrument in der Finanzierung eines Gemeindeunternehmens zu suchen? Bei den verkauften Forderungen handelt es sich um die zwangsweise von der Gemeinde einzutreibenden Wassergebühren.
Wie kann es sein, dass das Vermögen der WVEK exakt gleich ihren Schulden ist? Die Gemeinde Kreiensen hatte das Sachvermögen und die darauf liegenden Schulden an die WVEK übertragen – und diese beiden Werte sollen bis auf den Cent genau gleich hoch gewesen sein?
Warum wurde Eurawasser, ohne das von dort auch nur ein Cent geflossen ist, 49 Prozent des Eigentums an der WVEK übertragen? Das Vermögen der WVEK betrug am Anfang knapp zwanzig Millionen Euro, wurden hier von der Gemeinde Kreiensen auf dem Umweg über die WVEK an Eurawasser rund zehn Millionen Euro verschenkt?
Die Gemeinde Kreiensen gab in den Bilanzjahren 2010 und 2011 eine Million Euro als Einlage in die WVEK; praktisch ein teilweiser Rückkauf von nicht weiter definierten Vermögensteilen der WVEK. Im Zuge der Fusionsverhandlungen mit Einbeck sollten weitere zwölf Millionen Euro, wohl auch als Einlage der Gemeinde, gezahlt werden; hier ging es um den Rückkauf der auf die Entwässerung entfallenden Vermögensteile der WVEK.
Mir wurde von der Gemeinde Kreiensen öfter versichert, dass alles geprüft worden und damit in Ordnung sei. Aber wer hat was geprüft? Da gibt es die Wirtschaftsprüfer, die die WVEK nach dem Recht der GmbH prüfen – und zugegeben, da wird kaum etwas zu finden sein. Und da gibt es die Prüfer des Landkreises, die die Haushalte der Gemeinde prüfen. Dort fand man nichts, weil alle Zahlungen im Gemeindehaushalt, wie immer wieder betont wurde, den Haushalt nicht belasten, denn sie waren nur durchlaufende Posten – zahlen musste nämlich der Bürger als Wassergebührenschuldner. Hier prüfen zwei verschiedene Prüfer jeweils nur bis zur Grenze ihrer Zuständigkeit. Die Vermögensverschiebungen treten aber genau beim Überschreiten der Grenzlinie auf – ist das wirklich keinem Prüfer und keinem der Akteure aufgefallen?
Eurawasser verdiente und verdient an der WVEK doppelt. Einmal bekommt Eurawasser durch die Vermögensübertragungen rund zehn Millionen geschenkt. Zum anderen bestimmt Eurawasser über seine Verwaltungs-GmbH, was in jedem Jahr laufend zu zahlen ist, auf deren Kalkulation hat die Gemeinde Kreiensen jedoch keinen Zugriff und keinen Einfluss.
Eurawasser berichtete stolz, dass die noch von der Gemeinde Kreiensen gebaute Kläranlage von Kreiensen für 10.500 Einwohner ausgelegt sei – nur Kreiensen hatte selbst in seiner nur wenige Jahre dauernden besten Zeit nie mehr als etwas über 8.000 Einwohner. Die Anlage war und ist zu groß, sie wird daher ständig unwirtschaftlich und darum überteuert gefahren – zulasten der Bürger.
Die Bürger von Kreiensen bezahlen ihre Wasseranlagen gleich dreifach: Beim Bau zahlten sie zum ersten Mal, weil ein Teil der Kosten aus Eigenmitteln der Gemeinde gezahlt wurde. Bei der Übertragung des Vermögens auf die WVEK zahlten die Bürger zum zweiten Mal, weil jetzt durch die eigenwillige Finanzierung der „Forfaitierung“ das Eigenkapital aus der Bilanz verschwand und durch Fremdmittel ersetzt wurde; diese Fremdmittel muss der Bürger jetzt tilgen, Gewinner ist hier die Bank; ein Bilanzposten „Rechnungsabgrenzung“, der mehr als die Hälfte der Bilanzsumme ausmacht, sollte auch dem Dümmsten auffallen. Bei der Abwicklung und Auflösung der WVEK nach GmbH-Recht, zahlt der Bürger zum dritten Mal, weil jetzt das versteckte Eigenkapital wieder auftaucht, und entsprechend der GmbH-Anteile auf die Anteilseigner verteilt wird; Eurawasser wird da rund fünf bis zehn Millionen für nichts einstreichen.
Wer will, mag über die rechtliche Bewertung all dieser Merkwürdigkeiten nachdenken. Und wem hier das Wort „Veruntreuung“ einfällt, könnte er gar nicht so falsch liegen. Stadt Einbeck, du hast viel zu tun!

11.04.2013
Hermann Müller
Bentierode
Bentieröder Bruch 8
D-37574 Einbeck

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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