Stadt Hindenburg - Ausstellung in Essen

Hindenburg liegt in Oberschlesien. Nur zur Orientierung: Heute liegt Hindenburg in der Gegend von Kattowitz. Die Ortschaft, die sich bis 1915 Zabrze nannte, entstand aus dem Zusammenschluß von Dörfern wie Biskupitz, Dorotheendorf, Mathesdorf und Klein-Zabrze. Laut einer Urkunde aus dem Jahre 1260 gilt Biskupitz zwar als die älteste Siedlung im heutigen Stadtgebiet; Zabrze oder Cunzendorf (so nach dem Lokator benannt) wird im Gründungsbuch des Bistums Breslau 1305 erstmals urkundlich erwähnt. Über lange Zeit war die Gegend agrarisch strukturiert.

Die Eroberung Schlesiens durch den preußischen König Friedrich II brachte einen entscheidenen Wandel. Im Zuge der sogenannten Populationspolitik wurden Kolonien und Siedlungen geschaffen, die den Wohlstand des Landes einleiten sollten. Friedrich der Große legte dabei Wert auf "deutsche und arbeitsame Leute". Die Gründung von Kolonien im Hindenburger Raum durch den Guts- und Grundherren Mathias Freiherr von Wilczek geht auf die "Königliche Allerhöchste Deklaration" vom 28.8.1773
zurück.

Die Industrialisierung im größeren Stil setzte erst mit der Tätigkeit des 1777 ernannten ersten preußischen Bergbauministers Freiherr von Heinitz und seines Neffen, dem Berghauptmann Friedrich Wilhelm Graf von Reden ein. Es ging in Schlesien zunächst um die Erzerzeugung - Roheisen, Blei und Silber -, für dessen Gewinnung sich bald die Vorräter an erstklassiger, weil schwefelarmer Steinkohle als nützlich erwiesen.

In der Nähe der Industrieanlagen befinden sich meistens sogenannte Kolonien oder SIedlungen, die im Schatten der Gruben und Hütten entstanden und bis in das Zentrum der späteren Stadt hineinreichen. Die Redenhütte beispielsweise liegt ganz in der Nähe des Hauptbahnhofes.

Das älteste große Steinkohlenbergwek wurde in Zaborze im Jahre 1790 / 1791 gegründet. 1811 erhielt es den Namen Königin-Luise-Grube. Es entwickelte sich bei einer Ausdehnung von 44 Quadratkilometern zu einem der größten Bergwerke Europas im 19. Jahrhundert. Die Felder der Königin-Luise-Grube reichten im Süden bis nach Kunzendorf (Delbrückschächte), Paulsdorf und Bielschowitz. Ein Teil dieser Felder ging nach der Abstimmung von 1921 dem Deutschen Reich verloren. 1892 arbeiteten in der Grube 9.200 Bergleute. 1898 betrug die Fördermenge 3.334 Mio. Tonnen. Auf dem Geländer der Königin-Luise-Grube entstanden an den Schächten "Poremba" und "Skalley" die ersten modernen Kokereien, die neben Koks auch Ammoniak und Benzol herstellten. Ihr Gründer war Fritz von Friedländer-Fuld.

Der Konzern Donnersmarck verdankt seine Entstehung dem Sohn von Carl Lazarus Henckel von Donnersmarck aus der Tarnowitz-Neudecker Linie, die 1826 der Herrschaft Zabrze erwarb. Der berühmte Sohn Guido, der 1901 zum Fürsten erhoben wurde, übernahm 1848 im Alter von 18 Jahren das Familienerbe. Mit viel Fleiß und dank günstiger Zeitumstände baute er es zu einem weltweiten Unternehmen aus. Unter seiner Leitung entstand ein Bergbau- und Hüttenkonzern, der neben Kohlengruben ein Eisenhüttenwerk mit 2 Hochöfen, einer Kokerei, einer Eisen- und Rohrgießerei, einer Maschinenbaufabrik und Konstruktionswerkstätten besaß. Hervorzuheben sind die zahlreichen sozialen Einrichtungen wie die Berufsschulen, die Fortbildungsschulen, die Kleinkinderschulen, Beamten-, Steiger- und Arbeiterhäuser sowie ein Altenheim.

Der Konzern Borsigwerk, der in Biskupitz beheimatet war, wurde von August Borsig, einem gebürtigen Breslauer und Lokomotivbauer, in Berlin-Tegel im Jahre 1854 gegründet. Er pachtete zunächst die Abbaufelder vom Grafen Ballestrem und baute dort die Grube "Hedwigwunsch". Sein Sohn Altern gründete eine Eisenhütte mit 2 Hochöfen, einem Walzwerk, einer Schmiede, einer Schweißerei und mechanischen Werkstätten. Das war im Jahre 1865. Zwei Jahre später kam die Grube Ludwigsglück und 1876 die Grube Borsig hinzu.

Nach und nach wurden Zweigbahnen angelegt, so daß Hütten und Gruben Gleisanschlüsse bekamen. Es entstanden die Bahnhöfe Borsigwerk, Ludwigsglück, Makoschau, Süd und Ost.

Wenn man die Bedeutung Hindenburgs Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als Standort der Groß- und Schwerindustrie berücksichtigt, wundert es, daß die Gemeinde Zabrze noch immer den Status eines Dorfes hatte, wenn auch vielleicht des größten in Europas. Dabei erlangte Hindenburg schon 1873 den Status einer Kreishauptstadt durch die Bildung des Landkreises Zabrze, der vom Landkreis Beuten abgetrennt wurde. Erster Landrat wird der Regierungsassessor von Holwede, der sich jahrelang vergeblich bemüht, die Stadtrechte für Hindenburg zu bekommen.

Im Jahre 1915 beschloß die Gemeinde Zabrze nach dem Sieg des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg, sich nach Rücksprache mit Hindenburg, sich den Namen des Generalfeldmarschalls zu geben.

Im Zuge der verwaltungs- und gebietsmäßigen Neuordnung Oberschlesiens nach der 1922 festgesetzten und erfolgten Abtrennung Ostoberschlesiens vom Deutschen Reich erhielt die Landgemeinde Hindenburg durch Verfügung des Preußischen Staatsministeriums vom 15.10.1922 das Stadtrecht. 1927 wurde Hindenburg mit 127.307 Einwohnern Großstadt.

Die Stadt blieb im Zweiten Weltkrieg von Fliegerangriffen weitgehend verschont. Auch nach der Besetzung Ende Januar 1945 durch die sowjetische Armee wurde wenig zerstört. Die polnische Verwaltung, die am 19.5.1945 die sowjetische Militäradministration ablöste, übernahm intakte Industrieanlagen, die mit Hilfe zwangsverpflichteten deutschen Personals bald wieder in Betrieb gesetzt werden konnten.

Die westdeutsche Stadt Essen übernahm 1953 eine Patenschaft für Hindenburg. Die "Hindenburger Heimatsammlung" hat sein Zuhause in der innerstädtisch gelegenen Luisenschule gefunden. Zusammen mit dem Stadtarchiv und Teilen der Stadtbibliothek bildet es das "Haus der Essener Geschichte".

"In zwei sehr großen Räumen hat der Besucher Gelegenheit, sich anhand von vielen persönlichen Erinnerungsstücken, Dokumenten, Fotos, Landkarten, Stadtplänen, Auszeichnungen, Zeitungen, Büchern und Postkarten ein Bild von Hindenburg zu machen. Besonders anschaulich sind die Stücke zum Bereich Bergbau (Gerät, Werkzeug, Kleidung) sowie zu religiösen Themen. Die Ausstellungsfläche wird auch dazu genutzt, der jetzt polnischen Stadt Hindenburg die Möglichkeit zu geben, das heutige Stadtbild in einer Dauerausstellung zu präsentieren

Das moderne Ausstellungskonzept spricht mehrere Zielgruppen an. Die Ausstellung ist für Vertriebene als Ort der Erinnerung gedacht, für deren Nachkommen als ein Ort, an dem sie etwas über die Heimat ihrer Eltern erfahren können. Die in Essen und im Ruhrgebiet wohnenden Aussiedler und die Bewohner des Ruhrgebiets werden in der Heimatsammlung über die schwierige Geschichte Oberschlesiens als Teil der deutschen Geschichte und über die komplizierten deutsch-polnischen Beziehungen informiert.

Einen wesentlichen Teil der Ausstellung nimmt die Geschichte Hindenburgs ein. Interessant sind beispielsweise Zeitdokumente der polnischen Wahlpropagande in deutscher Sprache wie auch die Sammlung von Sportauszeichnungen und Diplomen. Die umfangreiche Fotosammlung wurde thematisch geordnet (Schule, Industrie, Sport, Kirche, Stadtansichten vor und nach 1945)," berichtet Helga Zöllig, die die Ausstellung betreut.

"Ich selbst stamme aus Hindenburg und kenne es noch aus meiner Kindheit," berichtet Zöllig. Als ihre Mutter 1945 in die damalige Ostzone ging, blieb die Tochter erst einmal bei dem Großvater zurück. "In der Schule habe ich Polnisch und Russisch gelernt und Deutsch verlernt," erinnert sich Zöllig. 1949 kehrte der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Endgültig vereint wurde die Familie 1953, als Großvater und Enkelkind in die DDR gingen. Die Familie siedelte 1957 nach Westdeutschland über und wurde erst einmal berufs- und ausbildungsbedingt über das ganze Bundesgebiet verstreut. Seit 1958 lebt Zöllig nun schon - zusammen mit ihrem Ehemann - in Essen. "Ich fühle mich wie im Ausland. Ich lebe im falschen Teil Deutschlands. Hindenburg ist immer deutsch gewesen. Durch die Zerrissenheit der Familie fehlen mir auch viele Jahre."

1985 war Zöllig erstmals wieder in der alten, "richtigen" Heimat. Und hat nach eigenen Angaben einen Schrecken darüber bekommen, wie heruntergekommen alles war. "Das Elternhaus gibt es nicht mehr."

Und warum engagiert sie sich in der Heimatsammlung? "Die Kinder erfahren ja in der Schule leider nichts über die Vertreibung. Wir wollen die Erinnerung daran wach halten."

Bürgerreporter:in:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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