Spurensuche mit Raymund Hinkel: Die verrückte Brücke

Hauruck, Hauruck, noch ein Stück...
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Die Oberkasseler Brücke sticht durch den allein stehenden Stahlpylon hervor. Man sieht es dieser Brücke nicht an, aber sie hat schon einen weiten Weg zurückgelegt. Man schrieb den 7. und 8. April 1976: An diesen beiden Tagen hielten wir Düsseldorfer den Atem an. Rund 40.000 Menschen kamen an den Rhein, um die Verschiebung einer Brücke zu erleben. Neben vielen Einheimischen und Schaulustigen lockte diese technische Sensation viele Politiker, Techniker und Journalisten nach Düsseldorf.

Die große Schiebung

Was war so besonders? Die heutige neue Oberkasseler Brücke wurde neben der alten, 1948 errichteten Behelfsbrücke (die alte Bogenbrücke von 1898 war in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht gesprengt worden) gebaut, um den Verkehr weiter aufrecht erhalten zu können. Nachdem die alte Brücke abgerissen war, kam es zur großen Schiebung. Dabei handelte es sich eigentlich um eine „Ziehung“, wie die Rheinische Post berichtete: vier hydraulische Pressen, jeweils paarweise auf dem Strompfeiler und dem rechtsrheinischen Uferpfeiler angeordnet, zogen abwechselnd, vom Computer gesteuert, die Brücke an 20 Zentimeter starken Stahlstangen über die Verschubbahnen. Diese Verschubbahnen waren mit Teflon belegt, damit die 12.500 Tonnen schwere Brücke, 35 Meter breit und 590 Meter lang, insgesamt 47,50 Meter rheinabwärts gleiten konnte. Pro Sekunde bewegte sie sich einen Millimeter. Ich stand am 8. April selbst unter der Brücke und konnte beobachten, wie die Brücke im Schneckentempo zu ihrem neuen Platz kroch. Spektakulär war das für mich nicht, eher langweilig, so dass ich zu meiner Mutter sagte: „Lass uns ein Eis essen gehen, mir schlafen schon die Füße ein.“ Die große Schiebung klappte perfekt, auf dem letzten Meter musste nur noch ein überstehendes Rohrstück abgeschnitten werden.

Die erste Staßenbrücke in Düsseldorf

Die erste Oberkasseler Rheinbrücke von 1898 war von der Rheinbahn gebaut worden. Die Gründung der Rheinbahn hängt eng mit dem Brückenschlag zusammen. Es ging um den Bau einer Straßenbahnlinie von Düsseldorf nach Krefeld, wofür eine feste Rheinquerung nötig war. Kommerzienrat Heinrich Lueg hatte die geniale Idee, das Kapital für die Bahn und den Brückenbau mit einer Hypothek auf die zu erwartende Wertsteigerung der Grundstücke längs der Bahntrasse in Oberkassel zu finanzieren. Lueg brachte gemeinsam mit den Kommerzienräten Franz Haniel und August Bagel sowie dem Geheimrat Friedrich Vohwinkel ein Startkapital von sechs Millionen Mark auf und erwarb von der Bürgermeisterei Heerdt 1.300 Morgen Land. Das genügte der Landesbank, ein Darlehen über weitere sechs Millionen Mark zu bewilligen. Am 25. März 1896 wurde dann die Rheinische Bahngesellschaft AG gegründet, später kurz Rheinbahn genannt. Nach der Firmengründung erwarb man Grund für den Bau der Brücke und der Bahn. Die Rheinbahn kaufte von den Gemeinden Obercassel, Niedercassel (damals noch mit „c“ geschrieben) und Heerdt 1.388 Morgen Land, weitere 243 Morgen wurden enteignet. Die Rheinbahn ließ für das linksrheinische Gebiet einen Bebauungsplan entwerfen, die Ringstraßen und Plätze sind heute noch für Oberkassel charakteristisch. Die Rheinbahn betrieb Ziegeleien, ließ das Baugelände entwässern und legte ein Straßennetz mit Wasser- und Gasleitungen an. 1899 waren schon 100 Baustellen vergeben und 44 neue großstädtische Wohnhäuser in Oberkassel neu gebaut. Die 35 Meter breite Allee vom Belsenplatz zur Brücke trägt heute noch den Namen eines der Firmengründer, nämlich „Luegallee“. Am Wilhelm-Marx-Haus steht eine Gedenktafel für diese erste feste Straßenverbindung und Straßenbahnlinie nach Westen.

Mehr Geschichten mit Raymund Hinkel gibt es in dem gerade erschienenen Buch "Düsseldorf kreuz und quer mit Raymund Hinkel" (auch als ebook). Das Taschenbuch ist nur über Amazon zu bestellen.

Hauruck, Hauruck, noch ein Stück...
Die Aufnahme des Buchcovers entstand vor Schloss Benrath.
Bürgerreporter:in:

Norbert Opfermann aus Düsseldorf

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