Conny "meets" Wölli

Foto: Stephan Raithel Fotografie
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Hallo ihr Lieben!

Heute habe ich mal wieder ein ganz besonderes Interview für euch. Ich hatte letzte Woche das große Vergnügen, mich mit Wölli, dem ehemaligen Schlagzeuger der "Toten Hosen" unterhalten zu dürfen.

In diesem Zusammenhang ein kleiner "Programmhinweis"!
Wölli und die Band des Jahres treten am 31. Mai (ist ein Freitag) im "Pitcher" in Düsseldorf auf.
Dann schwingt mal alle eure Poppos dahin und genießt feinste Musik!
Wir werden über dieses Event berichten und für euch live dabei sein!

Liebst,
Conny

Conny: "Du musstest bei den Toten Hosen als Schlagzeuger aufhören. Kannst du heute wieder spielen?"
Wölli: "Heute spiele ich Schlagzeug nurnoch zum Spaß. Richtig aufgehört habe ich erst im Mai 2000. Da hatte ich einen schweren Verkehrsunfall, bei dem ich frontal mit einem anderen Fahrer zusammengecrasht bin. Die Knochen der rechten Körperhälfte waren alle dahin, die Kniescheibe war zertrümmert, Oberschenkelhalsbrüche, ... . Ich habe heute noch einen 40cm Nagel im Oberschenkel. Es war einfach nicht mehr möglich, richtig professionell weiter Schlagzeug zu spielen."

Conny: "Wie hat sich das angefühlt, im einen Moment in der Öffentlichkeit zu stehen und im anderen... nicht mehr?"
Wölli: "Damit hatte ich kein Problem. Ich war damals 50 Jahre alt und habe mir eh gedacht, dass die Haltbarkeitsgrenze erreicht ist. Wir wollten eine Abschiedstour machen. Campi sagte, ich könne weiterhin soviel spielen, wie ich will. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich die Zugaben spiele. Dann gab es eine kurze Tourpause und dann ist mein Unfall passiert. Heute denke ich aber garnicht so schlecht darüber. Klar, der Unfall hätte nicht unbedingt passieren müssen. Ich lag zwei Tage im Koma und bin dem Tod gerade nocheinmal von der Schippe gesprungen, aber irgendwie hat es mir auch geholfen, loslassen zu können. Ich habe mein Schicksal angenommen und das war sicher gut für mich."

Conny: "Bekommt man durch so einen Unfall eine andere Einstellung zum Leben?"
Wölli: "Das denke ich schon. Wenn man mal so kurz davor war, den Löffel abzugeben... . Man ist sich darüber bewusst, dass es hätte vorbei sein können und ist dankbar über jeden Tag, den man hier auf der Erde verbringen kann."

Conny: "Du sprachst von einer Überschreitung der Haltbarkeit... kann ein Musiker überhaupt in Rente gehen?"
Wölli: "Eigentlich nicht. Deswegen bin ich ja auch wieder mit der "Band des Jahres" angetreten. Dieses Projekt musste einfach kommen. Nach dem Unfall bin ich ca. zwei Jahre auf Krücken rumgelaufen. Ich habe mir überlegt, dass ich ein bißchen was von dem Glück, das mir dir Musik gegeben hat, zurück geben wollte. Ich habe daraufhin den "Trallala Musikverlag" und "Goldene Zeiten Records" gegründet und ein Newcomer-Festival in Meerbusch ("Rock am Turm") aufgezogen. Dort haben jedes Mal fünf unbekannte Bands aus der Region gespielt. Es gab auch jedes Mal einen "Special Guest". Teilweise hatte ich bis zu 13 Bands unter Vertrag und habe rund 20 Platten veröffentlicht. Ok, das hat mich sozusagen meine Rente gekostet (lacht), aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Es war einfach eine coole Sache. Ich glaube, die Bands, mit denen ich gearbeitet habe, waren alle froh und glücklich mit mir zusammen zu arbeiten."

Conny: ""Rock am Turm" wurde eingestellt. Warum?"
Wölli: "Ja, wir haben das Ganze vor ca. anderthalb Jahren eingestellt. Einfach deswegen, weil ich mit den anderen Machern nicht mehr ganz so konform gelaufen bin. Insgesamt waren wir zu dritt. Irgendwann haben wir uns eben in die Wolle gekriegt. Außerdem war ich da schon dabei, "Wölli und die Band des Jahres" zu planen. Die ersten Songs waren schon im Kasten. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig. Ich habe auch mein Label erstmal auf Eis gelegt. Entweder klemme ich mich richtig hinter etwas, oder ich lasse es gleich sein. Da ich angefangen habe, die "Band des Jahres" zu machen, war für mich klar, dass "Rock am Turm" erstmal auf Eis liegen bleibt. Jetzt mache ich erstmal meine Geschichte. Wir sind jetzt seit zwei Jahren dabei. Ich versuche mich als Sänger... ich nenne es eigentlich eher "Vortragenden". Ich bin keiner von den jungen Wilden. ... (lacht) Wild vielleicht noch ein bißchen, aber nicht mehr jung. Vor dem ersten Auftritt mit der Band des Jahres habe ich mir fast in die Hosen gemacht."

Conny: "Wirklich?"
Wölli: "Ja, natürlich! Ich habe lange Schlagzeug gespielt, davon 15 Jahre mit einer Nummer Eins-Band, aber es ist etwas anderes, am Schlagzeug zu sitzen und auf Felle zu hauen. Hinter den Becken und Trommeln kann man sich super verstecken (lacht). Am Bühnenrand ist aber nicht mehr viel mit Verstecken. Ich bin auch nicht der Typ, der einfach seine Musik vorträgt und ein Programm abarbeitet. Ich muss auch meinen Spaß haben. Ich quatsche viel mit den Leuten. Entertainment gehört für mich auf jeden Fall dazu. Ich will die Leute unterhalten. Wer nur Musik hören will, der soll sich die CD kaufen! Ich bin mit totaler Freude und Begeisterung bei der Sache. Das erste Album ist auch schon ganz gut gelaufen. Die nächsten 14 Tage werden wir intensiv arbeiten. Wir sind dabei, ein neues Album aufzunehmen. Nur zu organisieren, Bands zu verwalten und den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen ist nicht mein Ding. Irgendwann hat es mich gejuckt. Ich habe irgendwann spaßhalber einen Song gemacht, den ich ein paar Menschen vorgespielt habe. Die Leute waren begeistert. Dann habe ich noch zwei, drei Songs mehr geschrieben."

Conny: "Du spielst mit der "Band des Jahres" auch drei Konzerte mit den "alten Kollegen".

Wölli: "Wir hatten schon im letzten Jahr einmal das Vergnügen. Das war in Innsbruck und in Frankfurt/ Oder. Das hat supergeil funktioniert und die Leute waren total begeistert. Sie haben gesehen, dass die Hosen ihren alten Kollegen nicht vergessen und ihn unterstützen. Das war eine tolle Sache."

Conny: "Ist das für euch vom Gefühl her etwas anderes, wenn ihr wisst, dass Campino und Co. dabei sind?"
Wölli: "(lacht) Auf jeden Fall kommen ein paar mehr Leute. Zu unseren Konzerten kommen im Schnitt ca. 300. Bei den Festivals, bei denen wir mit den Hosen auftreten, sind ca. 20.000 bis 30.000 Menschen. Es ist einfach eine tolle Sache, vor so vielen Leuten zu spielen. Das macht Spaß. "Alles nochmal von vorn" ist zum Beispiel ein Duett, was ich zusammen mit Campino gemacht habe. Das war von vornherein keine Frage. Er hat mir auch beim ersten Album sehr geholfen. Wir sind gemeinsam nochmal alle Texte durchgegangen. Der Mann macht das seit 30 Jahren. Warum sollte ich diese Hilfe nicht annehmen? Er kann eben bestimmte Sachen einfach besser. Ich denke, dass ist eine schöne Zusammenarbeit, bei der alle Spaß haben."

Conny: "Nimmt man sich denn als "alter Hase" Kritik noch zu Herzen?"
Wölli: "Naja. Wenn mich jemand aus der Band oder meinem Freundeskreis kritisiert, dann kann ich damit gut umgehen. Kommt die Kritik von außen, und ich sehe, dass er oder sie sich überhaupt nicht mit meinen Songs beschäftigt hat, interessiert sie mich nicht weiter. Das geht mir dann, ehrlich gesagt, am Arsch vorbei. Wenn aber positive Resonanz kommt oder Vorschläge, nach dem Motto "Warum machst du das denn nicht so und so?"... das nehme ich schon ernst. Dass ich mir aber alles zu Herzen nehme, kann ich aber auch nicht sagen. Kritik ist in gewisser Weise auch eine Herausforderung, der man sich stellen muss, um sich zu verbessern oder zu verändern. Gefühlsmäßig trifft es mich weniger, außer eben, wenn es wirklich ungerechtfertigte Scheiße ist."

Conny: "Du hast zwei Kinder."
Wölli: "Ja, ich habe zwei Söhne."

Conny: "Wie alt sind die beiden denn?"

Wölli: "23 und 15."

Conny: "Mal angenommen, der 15jähige kommt heute zu dir und sagt: "Papa, ich will Musiker werden!". Wie würdest du denn reagieren?"
Wölli: "Das ist zu spät. Das kann ich nicht mehr ändern. Der Kleine hat mit sechs Jahren an der Grundschule Blockflöte gespielt und ist schnell umgestiegen auf Schlagzeug und Gitarre. Auch auf dem Gymnasium tritt er mit zusammengestellten Schulbands auf. Er ist mit Feuereifer dabei."

Conny: "Du sagst aber nicht zu ihm, er soll etwas "Seriöses" machen?"
Wölli: "Nein, nein. Ich bin nunmal in der glücklichen Lage, dass ich das, was meine Kinder machen wollen, unterstütze und meine Erfahrung mitgebe. Man hat viele gute Ratschläge, die die Kinder aber eben meistens nicht hören wollen. Letzten Endes profitieren sie aber doch davon, weil "der Alte" ja doch schon eine Menge erlebt hat."

Conny: "Gibt es neben den Auftritten mit der "Band des Jahres" noch andere Pläne für 2013?"
Wölli: "Wir werden jetzt zunächst verschärft das neue Album machen. Ich muss all denen Recht geben, die sagen, dass das zweite Album immer das schwerste ist. Ich denke, dass das fast allen Bands so geht. Wenn man das erste Mal eine Platte macht, hat man mit den Liedern wahrscheinlich schon über ein oder zwei Jahre die Leute live beglückt. Die Songs sind gefestigt und rund und man bringt sie aufs Album. Beim zweiten Album fängt man bei null an. Man hat irgendwie garnichts. Manchmal küsst einen die Muse und es geht ratz-fatz. Da schreibt man einen Text innerhalb von zwei Stunden. Manchmal hänge ich aber auch zwei Wochen oder Monate daran, weil es mir immernoch nicht wirklich gefällt. Zum Texten brauche ich auch die Musik. Ich bin nicht der Typ, der sich einfach hinsetzt und seine Gedanken nieder schreibt. Das neue Album ist fast zur Hälfte im Kasten. Ich habe gerade eine gute Phase (lacht)."

Conny: "Kann man denn schon ungefähr sagen, wann das Album kommt?"
Wölli: "Ich hoffe, dass wir Ende September/ Anfang Oktober fertig sind. Bisher bin ich recht angetan von dem Zuspruch, den wir erhalten haben. Natürlich hatten wir einige Live-Konzerte wie zum Beispiel in Dresden. Da haben wir in einer Halle für 600- 700 Leute gespielt, es waren aber nur 130 da. Ich habe mir auch nicht vorgestellt, dass mir die Leute die Tür einrennen. Ich habe hier eine Anfängerband, obwohl wir oder ich schon viel gemacht haben. Trotzdem starten wir genauso durch wie jede andere neue Band. Man bekommt weder etwas geschenkt, noch Vorschusslorbeeren. Heute ist man sehr von den Medien abhängig, die allerdings in der Hand der Plattenfirmen sind. Es gab Radiosender, die uns teilweise sechs bis sieben Mal am Tag gespielt haben. Und dann gibt es die großen Sender, wie 1live, die mich nicht ein einziges Mal gespielt haben. Sie meinten, wir wären für die Hörerschaft "zu alt". Aber dass Udo Lindenberg oder Grönemeyer noch ein paar Jahre älter ist, ist egal. Das grenzt ja schon an Zensur. Da bin ich persönlich beleidigt. Und die großen Sender sind eben heute wichtig, um bekannt zu werden. Letzten Endes ist mir das aber egal. Ich möchte mich nicht mit denen anlegen, denn das habe ich nicht nötig. Ich ziehe mein Ding durch und wir werden sehen, was kommt."

Conny: "Und wir unterstützen das, indem wir das imBlog veröffentlichen!"
Wölli: "Ich habe alles, was man als Musiker erreichen kann, mit den Hosen erreicht. Weiter hoch geht nicht. Ich bin wirklich saustolz darauf und glücklich. Ich würde nicht eine Minute von diesen 15 Jahren zurückdrehen wollen. Ich finde, wir haben alles richtig gemacht. Ich bin stolz darauf... und jetzt mache ich eben etwas anderes."

Conny: "Allein, sagen zu können, dass man nichts rückgängig machen möchte, ist doch schon geil!"
Wölli: "Schau mal, ich war 60 als ich angefangen habe, etwas Neues zu machen. Zeig mir mal einen 60jährigen, der komplett neue Sachen anfängt. Klar, Musik ist jetzt für mich nicht neu, aber das Texte schreiben schon. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht einen einzigen Text vorher geschrieben. Ich habe es immer wieder versucht, da kamen aber nur geistige Ergüsse raus, bei denen ich mich am nächsten Morgen gefragt habe, was ich für eine Scheiße geschrieben habe. Das war erschreckend. Die Resonanz, die ich bisher erhalten habe, macht mir aber auch Mut. Es macht mir zwar Spaß, aber dass ich das alles "nur aus Spaß" machen könnte, war ich zu lange in den TOP10. Jeder Musiker möchte einen Anspruch halten. Möglichst viele Leute sollen meine Musik hören. Chartpositionen, goldene Schallplatten usw. ... ganz ehrlich? Sind mir scheißegal! Ich mache das, weil ich es machen muss. Ich spüre das in mir. Ich muss das einfach machen!"

Conny: "Das nimmt man dir auch ab."
Wölli: "Warum soll ich dir denn was anderes erzählen? Ich sage einfach die Wahrheit. Ob das allen gefällt, ist mir dann auch egal. Ich fände es traurig, wenn du nach dem Gespräch sagen würdest: "Naja, der alte Sack, was will der denn?"... Aber es würde mich auch nicht weiter jucken."

Conny: "Ne, ich habe da wirklich viel Respekt vor, wenn jemand nocheinmal durchstartet."
Wölli: "Ich habe mein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Ich bin 1950 geboren, habe 18 Jahre bei meinen Eltern in Kiel zugebracht. Wegen der Bundeswehr bin ich nach Berlin abgehauen. Damals ging das noch. Ich wollte mir nicht beibringen lassen, wie man sich erniedrigt oder ein Gewehr in die Hand nimmt, um andere Leute zu erschießen. Das war nicht mein Ding. Ich bin mit einer Tasche in der Hand nach Berlin gefahren. Da habe ich erst angefangen, meine Persönlichkeit zu finden und auszubilden. Mit 18 habe ich nur das nachgeplappert, was mir Schule, Lehrer und Eltern beigebracht haben. Eigene Gedanken hatte ich eigentlich nicht. Das hat erst in Berlin angefangen. 1986 kam der Ruf der Hosen. Campino kannte ich schon lange. Damals war ich mit seiner Schwester für sechs oder sieben Jahre zusammen. Ich war quasi schon in die Familie eingeführt. Die Hosen waren damals auf der Suche nach einem Drummer und Campi rief mich an und bat mich, vorbei zu kommen. Man darf nicht vergessen: Die Jungs waren damals 20. Als ich eingestiegen bin, war ich schon 36. Wir mussten natürlich erstmal schauen, ob die Chemie stimmt. Es hat aber super funktioniert. Und wie gesagt: Ich möchte nicht einen der Tage, die ich mit den Hosen verbracht habe, missen. Das Alles hat mich sehr geprägt. Ich habe die ganze Welt gesehen. Wir waren in Japan, in Neuseeland, Australien, Hawaii, Südamerika, Europa... . Ich blicke gerne auf diese Zeit zurück. Nicht mit Wehmut! Klar, habe ich mir überlegt, wie es ist, wenn da ein neuer Schlagzeuger ist. Auf dem Weg zum Konzert, dachte ich mir noch, dass das bestimmt komisch wird, wenn da "ein anderer" auf meinem Platz sitzt. Ich muss aber sagen, dass ich mich eigentlich nur gefreut habe. Ich liebe diese Band. Früher habe ich die alle ja nur immer von hinten gesehen, weil ICH der Schlagzeuger war. Da siehst du ja nur die Rücken und die Ärsche! (lacht) Dann habe ich das Ganze von vorne gesehen und habe gemerkt, mit welcher Leidenschaft alle dabei waren. Ganz ehrlich? Am Ende des Konzerts habe ich mir gedacht, dass ich froh bin, im Publikum zu sein! Das ist Schwerstarbeit! Gerade was der Drummer über 2,5 Stunden leisten muss."

Conny: "Ja, ich glaube, als Konzertbesucher unterschätzt man das leicht..."
Wölli: "Ja! Und ich möchte noch eins an junge Musiker weiter geben: Nur mit den neuesten Geräten und der besten Technik kommt man nicht weiter! Das Wichtigste ist die Leidenschaft! Man muss das Ganze mit ganzem Herzen machen und sich völlig hingeben. Dann ist das Ergebnis auch gut!"

Bürgerreporter:in:

Cornelia Wilhelm aus Düsseldorf

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