Schock!

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Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,
ich kann keine richtigen Worte finden, denn ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Unsere Betty ist tot! Nachdem sie von ihrem letzten Ausflug nicht zurückgekommen ist, haben unsere Menschen gestern erfahren, daß Betty sich leider mit einem fahrenden Auto angelegt hat und nicht als Siegerin aus diesem Duell hervorgegangen ist. Ich kann mir das gar nicht vorstellen und irgendwie weigert sich mein Gehirn dies zu akzeptieren. Ich erwarte einfach, daß Betty wieder ums Eck kommt und mir erklärt, wie das Leben so richtig funktioniert. Ich kenne das Tierheim nur mit Betty, ich weiß gar nicht, wie ich das ohne sie machen soll. Du dumme Katze! Wieso läuft man, wenn man auf der einen Seite Feld und Wiese und die schöne Donau hat lieber in Richtung Strasse spazieren? Wieso muß es ausgerechnet dann auch noch die andere Strassenseite sein? Wieso hast Du nicht einfach nur weiter Dein Tierheim bewacht? Ich, mir fällt nichts ein, wie ich mich trösten kann. Es reicht mir auch nicht, daß ich doch ein paar Monate in den unendlich großen Genuß Deiner Weisheiten kommen durfte, Dir beim Schnarchen zusehen konnte und wußte, daß Du einfach da bist, wenn ich Dich brauche. Nein, ich will meine Betty zurück. Betty unverwüstlich, unzerstörbar und nicht zu ersetzen. Komm zurück!
Ich weiß, daß das nicht geht. Ich weiß, daß sie weg ist und nicht wieder kommt, aber mein Kopf sträubt sich mit aller Kraft dagegen, es auch wirklich zu akzeptieren. Es wird eine ganze Zeit brauchen, ehe ich diesen Verlust ... gibt es ein Wort dafür, was man mit Verlust machen kann. Ich sehe Betty noch auf den Dächern der geparkten Autos sitzen oder schlafen, immer wissend was um sie herum passiert. Miss Allwissend und alles sehend, selbst im vermeintlichen Tiefschlaf. Ich habe nur einmal erlebt, daß sie die Kontrolle verloren hat und das war, als sie auf einem Baum saß und nicht wußte, wie sie den Weg nach unten finden soll. Am Ende war es ein mutiger Sprung und das Versprechen an sich selbst, nie wieder vor einem Hund auf einen Baum zu fliehen. Ja, Betty war lang bei uns im Tierheim, aber es war definitiv nicht lang genug. Leb wohl geliebter Dickschädel!
Betty hatte sich vor kurzem auch als Geschichtenerzählerin neben dem Tagebuch versucht. Sie war sich nicht sicher, ob sie diese kurze Erzählung jemals ins Tagebuch einstellen würde - nun, ich bin mir sicher, daß ich das tun will und seien Sie mir nicht böse liebe Leserinnen und Leser, wenn ich einfach ansonsten heute nicht weiß, was ich sagen soll.
Hier kommt Bettys letzter Eintrag ins Tagebuch:

"Karlotta - oder warum suchst Du mich nicht?
Ich möchte Ihnen meine kurze Geschichte erzählen. Sie ist in der Tat recht kurz, denn ich kann mich nicht mehr an sehr viel erinnern. Das mag auch gut sein, denn wer will schon immer wieder den gleichen körperlichen Schmerz nachempfinden müssen, auch wenn die Wunden verheilt sind. Die Bilder, die ich im Kopf habe, werde ich nie vergessen können. Vielleicht wird es irgendwann einmal leichter werden und vielleicht verblassen sie auch nach und nach, wenn ich dann endlich ein gutes Leben beginnen kann.
Mein Name ist Karlotta. Das ist ein schöner Name und ich bin sehr froh, daß ich nicht Tigerle oder Mausi heiße wie so viele meiner Artgenossen. Ich weiß, ich sehe aus wie unendlich viele andere Katzen, aber ich glaube, ich bin doch ein wenig anders.
Ich kam auf einem Bauernhof auf die Welt, ich habe nie darüber nachgedacht, wie es am Anfang war. Das Leben war einfach so wie es war. Meine Katzenmama war da und hat uns gut versorgt, wir hatten eine große Scheune nur für uns und ich konnte mit meinen Geschwistern toben und hüpfen wie es uns gefallen hat. Irgendwann wurde mir klar, daß es auch so Geschöpfe gibt, die Menschen genannt werden. Die waren zwar auch in unserem Zuhause, aber viel hatte ich nicht mit denen zu tun. Hin und wieder wurden wir geknuddelt und je älter wir wurden, um so deutlicher wurde es, daß diese Menschen sich schon um uns kümmern würden. Es gab eine klare Aufgabenverteilung: ich jage Mäuse und Du gibst mir Futter und Wasser und streichelst mich ab und dann.
Ein gutes Leben.
Dann kam der Tag, an dem ich alleine Spazieren gehen wollte, um einfach mal die Pfoten auf unbekanntes Terrain zu setzen. Hätte ich wohl besser nicht gemacht. Neugier ist einfach nicht immer gut für uns Katzen.
Bis zu diesem schicksalhaften Moment kannte ich Traktoren und Autos, die standen oder langsam fuhren. Nun ja, wie soll ich es schön formulieren...schmerzhaft wurde mir bewußt, daß Autos schnell fahren können und die Menschen, die darin sitzen nicht immer einen Blick für eine spielende Katze haben. Der Schmetterling war so schön und ich hörte dieses immer lauter werdende Geräusch, aber ich nahm es nicht als Gefahr wahr.....dann lag ich neben der Straße, der Schmetterling kreiste immer noch über mir und vielleicht fragte er sich, warum ich nicht weiter mit ihm spielte. Doch ich hatte nur noch Schmerzen, ich konnte nicht schreien, ich wußte, daß wenn ich mich bewegen würde, es nur noch schlimmer werden würde. Also blieb ich liegen, konzentrierte mich aufs Atmen und hoffte, daß gleich ein paar Menschenhände kommen würden, um mir zu helfen. Doch da war nur der kleine hübsche Schmetterling. Das konnte doch nicht sein. Ich lag doch direkt an der Straße. Ich hörte diese Autos und ich sah sogar Menschen langsam an mit vorbeifahren und laufen. Das konnte doch nicht sein. Hallo, ich lebe noch...aber der Gedanke verursachte schon Schmerzen, wie sollte ich mich bewegen. Mein Freund der Schmetterling flog weg. Das Atmen wurde schwer. Ich war noch so jung, so dumm, aber ich wollte doch noch so viel entdecken. Wo war er hin der Schmetterling, warum war es so leise um mich herum und wann war das Licht weggegangen? Ich wurde müde, ich wollte nur noch schlafen. Doch dann ganz plötzlich kamen Sie doch die Menschenhände. Ich weiß nur noch, daß ich eingewickelt wurde und, daß ich sanft gestreichelt wurde, dann dürfen Sie mich nichts mehr fragen. Ich bin sehr viele Stunden später aufgewacht, hatte Verbände um mich und fühlte mich zum Bäume ausreißen gut. Sehr schnell wurde mir klar, daß dies vielleicht an dem komischen Beutel und dessen Inhalt lag und ich lieber doch noch ein wenig ruhig liegen bleiben sollte.
Das ist jetzt eine ganze Zeitlang her und ich bin wieder kerngesund und topfit. Nichts ist von meinem Unfall zurückgeblieben, das Fell sitzt so wie es sein soll, ich hatte einfach großes Glück.
Und natürlich war ich auch sicher, daß meine Menschen, die sich ja doch um mich gekümmert haben, mich auch suchen würden und wieder mit nach Hause nehmen würden - zu meiner Familie.
Nun ja, eine weitere Erfahrung, die ich machen mußte.
Keiner kam, keiner suchte mich, keiner interessierte sich für mich, ich war eine der vielen Millionen Hauskatzen, die im Tierheim saß und leider nichts besonderes an sich hat. Aber warum suchten mich meine Menschen nicht? Vermissten Sie mich nicht? War ich ihnen so egal, waren all die lieben Worte und Streicheleinheiten nicht echt gewesen?
Dieser Schmerz sitzt sehr tief. Vergessen zu sein, nichts zu bedeuten, das ist keine schöne Erfahrung.
Hier im Tierheim habe ich den Namen Karlotta erhalten und nachdem ich richtig gesund war, lernte ich hier Menschen kennen, die sich so viel Zeit wie möglich für mich genommen haben, die sich immer bemüht haben, mich aufzumuntern, wenn wieder jemand anderes aus dem Katzenhaus ausgezogen ist. Ich wußte immer, daß irgendwann der Tag kommen würde, an dem auch ich in eine Kiste klettern dürfte, um in einem Auto in mein neues Leben zu starten. Bis dahin bin ich mittlerweile eine glückliche Katze.

Mein Name ist Karlotta und diese Geschichte ist erfunden - oder auch nicht.
Erzählt von Betty"

Ihr
Wolfi

http://www.tierheim-hoechstaedt.de

Bürgerreporter:in:

Sabine Pollok aus Dillingen

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