Ordensmann und Webdesigner

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kaufbeurer: Seit wann leben Sie in Leinau? Sind Sie im Allgäu geboren oder ein Wahl-Allgäuer?
Br. Johannes: Ich lebe seit Mai 2002 in Leinau, denn da sind wir von Kaufbeuren-Neugablonz mit dem Kloster und der Kunstschule umgezogen.
Geboren bin ich in Gräfelfing bei München, aufgewachsen in Geltendorf.

kaufbeurer: Erzählen Sie uns doch ein bisschen von sich und Ihrem Werdegang. Wer ist Bruder Johannes Sebastian Estner?
Br. Johannes: Ich bin in die Klosterschule St. Ottilien gegangen. Meine Lieblingsfächer waren Kunst und Musik, später auch Physik. Dort habe ich auch mein Abitur gemacht. Nach der Bundeswehr studierte ich in München Elektrotechnik. Beinahe wäre ich schon auf Theologie umgestiegen, da mein Studium an der Technischen Universität mir zu trocken, zu theoretisch war. Ich belegte dann auch Fächer, die mit Musik oder Kunst zu tun hatten, wie Technische Akustik und Industrial Design, und machte auch einen Kurs an der Hochschule der Bildenden Künste in München mit.
Während des Studiums machte ich in Geltendorf die kirchliche Jugendarbeit. Ich leitete einen Bibelkreis, der dann zum Jugendchor wurde. Wir gestalteten die vierteljährlichen Jugendgottesdienste und unternahmen auch in unserer Freizeit Gemeinsames.
Nach Abschluss des Studiums studierte ich noch 2 Semester Erwachsenenbildung an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Jesuiten in München und machte dann – um das Kreative und das Technische zu verbinden – eine einjährige Weiterbildung zum Multimediadesigner. Für zwei Jahre arbeitete ich in Ettringen als Webdesigner, bevor ich dann mit meinen Mitbrüdern 1999 gebeten wurde, die Nachfolge für Herrn und Frau Birnmeyer in der „Kunstschule im Atelier“ in Kaufbeuren-Neugablonz anzutreten.
1998 war ich dem Orden von Port-Royal beigetreten, den es seit ca. 1940 in Deutschland gibt. Wir hatten in Buchloe das Priorat St. Severin, allerdings waren wir damals auf mehrere Häuser verstreut, und suchten nach einem geeigneten Gebäude für unser Kloster. Mit der Kunstschule wurde uns dann die richtige Gelegenheit für das Kloster St. Severin gegeben.
Neben der Arbeit als Kunstschulleiter (jetzt „Kunstschule Allgäu“ in Leinau) organisiere ich noch die Ausstellungen für unsere „Klostergalerie Leinau“, arbeite als Chorleiter im Gesangverein Sudetenland und im Liederkreis Westendorf, mache die Verwaltung und die Finanzen der ganzen Projekte der Abtei St. Severin.
Eine Leidenschaft von mir ist alles, was mit Fliegen zu tun hat, und so bekam ich zu meinem 40. Geburtstag von meinen beiden Chören einen Tandemfallschirmsprung geschenkt, den ich vor kurzem mit großer Begeisterung einlöste.

kaufbeurer: Stammen Sie aus einem religiös geprägten Elternhaus?
Br. Johannes: Ja, ich wurde streng römisch-katholisch erzogen. Mein Vater ging schon auf das Gymnasium in St. Ottilien, war dann kurz dort im Kloster und wurde später wieder als Musiklehrer dorthin gebeten. So hatte ich schon früh mit Patres und Brüdern Kontakt, hatte aber in meiner Kindheit und Jugendzeit eine völlig falsche Vorstellung von den Mönchen: Ich meinte, das sind alles Heilige. Der Unterschied ist: Im Kloster ist man auf dem Weg der Heiligung, das Kloster ist eine Welt im Kleinen. Man muss ja auch genauso Geld verdienen, seine 8-14 Stunden pro Tag arbeiten.

kaufbeurer: Wollten Sie bereits immer in einen Orden eintreten oder gab es in Ihrem Leben eine besondere Wendung, die für diese Entscheidung ausschlaggebend war?
Br. Johannes: Ich selbst wollte eigentlich nie in ein Kloster eintreten. Ich wurde auf Gründung einer Familie hin erzogen. Als kleiner Junge sagte mir jemand, dass ich mal Kardinal werden würde. Irgendwie hat mir das schon immer wieder zu denken gegeben, aber ich habe das zu ignorieren versucht.
Da ich im Gymnasium in einigen Fächern nicht besonders gut war, suchte ich Zuflucht bei Gott, und mein Glaube hat mich durch diese Zeit getragen.
Es waren aber immer wieder kleine Nebenbemerkungen, die andere scheinbar zufällig machten, in denen ich aber die Führung, die Berufung Gottes bemerkte, und die sich wie ein roter Faden durch mein Leben zogen, und immer wieder auf einen geistlichen Beruf wiesen. In mir wollen halt vier Bereiche zum Zug kommen, das ist das Religiöse, das Künstlerische, das Musikalische und das Technische.
Durch einen Besuch in Taizé, der ökumenischen Gemeinschaft in Südfrankreich, habe ich mich für die Ökumene entschieden. Über ein Taizé-Gebet in München bin ich dann im ökumenischen Orden von Port Royal gelandet, der in Deutschland der alt-katholischen Kirche angehört, und in England, USA und Afrika der anglikanischen Kirche.

kaufbeurer: Wie verbinden Sie für sich die Person des weltlichen Diplom-Ingenieurs mit der des geistlichen Ordensmannes?
Br. Johannes: Ich habe im Studium gelernt mit Computern und mit Mathematik umzugehen, Organisation und Koordination. Im Kloster bin ich für die Verwaltung, Organisation und die Finanzen des Klosters, der Klosterwirtschaftsbetriebe (mit Seifenmanufaktur, Holzwerkstatt, Klosterladen, etc.) und der Kunstschule, und für Computerprobleme zuständig. Da ich auch unsere Internetseiten gestalte/ betreue und Zeichen-/ Malkurse gebe, konnte ich auch gut die Weiterbildung zum Multimediadesigner nutzen. Auch die Ausbildung in Erwachsenenbildung kann ich als Kunstschulleiter, Kursleiter und Chorleiter gut verwenden. Ich kann also meine Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Kloster einsetzen und damit zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen.

kaufbeurer: Wie haben Sie den Besuch des Papstes in Bayern erlebt?
Br. Johannes: Ich bin froh, dass aus dem distanzierten Leiter der Glaubenskongregation Kardinal Ratzinger ein Papst zum „Anfassen“ wurde. Er hat viele gute Dinge gesagt und die Menschen ermutigt, zu ihrem christlichen Glauben, zu Gott zu stehen.
Für die Ökumene erhoffe und erwarte ich noch neue Schritte.

kaufbeurer: Gibt es aktuell ein besonderes Projekt, das Sie betreuen oder planen?
Br. Johannes: Bei einem unserer Hilfsprojekte, dem Peru-Projekt, liegt mir sehr am Herzen, Pateneltern für die zwölfjährige Sandra in Santa Rosa zu finden, die recht gut in der Schule ist, wenn aber das Schulgeld nicht gezahlt werden kann, landet sie auf der Straße und damit zwangsläufig in der Armut.
Hier in Leinau planen wir den Hauskauf, da die Miete für uns eine große Belastung ist. Da sind wir noch auf der Suche nach Sponsoren und Unterstützern.

kaufbeurer: Haben Sie ein Lebensmotto?
Br. Johannes: „Der Mensch denkt und Gott lenkt, der Mensch dachte und Gott lachte.“ Und „Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun?“ (Jesus Sirach).

kaufbeurer: Was ist Ihnen in Ihrem Leben am Wichtigsten?
Br. Johannes: „Liebe Gott von ganzem Herzen und Deinen Nächsten genauso wie Dich selbst.“ Ich möchte hier das „genauso“ besonders betonen, da ich mich selbst schon in religiösem und sozialem Aktivismus verrannte und mich selbst dabei fast kaputtmachte, also für den Nächsten alles machte um wahrscheinlich Anerkennung zu bekommen und mich selbst hasste.

kaufbeurer: Gibt es etwas, das Sie in Kaufbeuren bzw. Leinau gerne verändern würden?
Br. Johannes: Auch hier erhoffe und erwarte ich mir mehr in der Ökumene, wir werden da leider nicht genügend mit einbezogen.

Interview: Anita Weber; Bilder: Br. Johannes Sebastian Estner

Bürgerreporter:in:

Anita Weber aus Friedberg

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