Masken: Mund-Nasenschutz, heute, früher, überhaupt. 

Ein Pestarzt mit einer Schutzmaske, in die ein parfümiertes Tüchlein gegen den Gestank der Pest gesteckt werden konnte (Foto: Wikicommons)
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  • Ein Pestarzt mit einer Schutzmaske, in die ein parfümiertes Tüchlein gegen den Gestank der Pest gesteckt werden konnte (Foto: Wikicommons)
  • hochgeladen von Maskenmuseum Michael Stöhr

Wiederwillig streifen wir uns gerade dieses Ding über, ohne weitere Gedanken aber den Zweck akzeptierend, Schutz für Andere und im gemeinsamen Tun vielleicht dann auch für uns Selbst.
Der Blick in den Spiegel, weniger ein: „Sitzt die Maske richtig?“, sondern ein : „Schau ich wieder blöd aus!“, vielleicht noch ein: „Passt dieses Stoffmuster der neu genähten Maske zur Bluse, zum Rock, zu mir?“ Kein langes Verweilen vor dem Spiegelbild mehr wie früher, kein Zupfen an den Wimpern, kein Korrigieren der Lippenfarbe: „Sieht eh keiner!!“
Früher haben wir so viele Masken getragen, waren Schauspieler in so vielen Rollen :
_Die freundliche, aber distanzierte Maske im Büro
_die herzlich liebevolle Maske zu unseren Kindern, Eltern und Lebenspartnern
_die gehetzt abweisende Maske beim Einkauf
_usw.
… und vielleicht in der Faschingszeit eine wirkliche Maskierung, die uns in eine ganz andere uns selbst völlig fremde Rolle hat schlüpfen lassen, mit der dann alles erlaubt war, was wir uns sonst nie getraut hätten: „Einmal im Jahr aus der Rolle fallen und jemand ganz anderes sein, fern der Erwartungen all der Anderen.( https://www.planet-wissen.de/video-maskerade-sehns...)
Masken, die wir gerade alle immer wieder tragen müssen, sind natürlich als Schutzmasken etwas ganz anderes als die Masken, die uns helfen, in eine andere Rolle zu schlüpfen, zu jemandem ganz anderem zu werden.
Wenn ein Schauspieler in eine Maskierung schlüpft, will er über sich selbst hinauswirken und eine ganz bestimmte Person, ein Tier, einen Dämon, Gott oä. so zeigen, dass damit etwas erzählt wird, etwas durch die Geschichte und die Maske fast greifbar wird . Die Römer haben diese Form und Funktion der Maske „Persona“ genannt.
Hinter einer Schutzmaske will man sich natürlich schützen, vor etwas verstecken, sich vor seiner Umwelt und den Einflüssen zurückziehen. Weil hier die Maske etwas ist, das die Möglichkeit der Kommunikation mit anderen stark einschränkt, weil etwas unsere eigene Wahrnehmung unserer Umgebung behindert, aber auch uns selbst in den Augen Anderer verhüllt, haben die alten Griechen (z.B. auch der alte Platon)zu solcher Form und Funktion der Maske ganz verächtlich „Prosopon“ gesagt. Das ist übersetzt also etwas, was vor unsere Augen, unsere Wahrnehmung tritt und das richtige Bild verschleiert, das wir voneinander haben. Maskierung als Lug und Trug. 
Da half es nun gar nicht, dass sich die Pest-ärzte mit Schutzmasken mit langem Schnabel gegen diese Pandemie früherer Zeiten schützen wollten, indem sie in den langen Schnabel parfümierte Tüchlein steckten. Man meinte nämlich damals, dass der stinkende Geruch der Kanäle in Venedig Auslöser für die Pest sei und nicht, wie wir wissen, die Flöhe, die von den Ratten übertragen wurden.Selbst bis ins 19. Jhdt, als die große Cholera-epidemie über Wien hereinbrach, versuchte man sich mit allerlei abstrusen Mittelchen, aber auch einer der Pestzeit und dem Theater der Comedia dell arte entlehnten Maske zu schützen. Der Karikaturist Moritz Saphir hat mit übertreibender Zeichenfeder den ängstlichen Hypochonder mit all seinen Schutzmittelchen auf mit gezogenem Karren verewigt. Bei der großen Pandemie der spanischen Grippe in Amerika und Europa war man trotz vieler Toter weniger ängstlich.
Seit der Barockzeit und in den abendländischen Religionen ist Maske damit auch ein Symbol für die Nichtigkeit und Verlogenheit des diesseitigen Lebens. "Jemandem die Maske herunter reißen"(eine Redewendung), wie das als Zielsetzung damals gefordert wurde, sollte man jetzt natürlich auf keinen Fall: Wir haben schließlich ja nur dieses eine Leben sicher.
Und da sind wir schon in der abgehobenen Philosophie und haben nebenbei viel gelernt.
Hoffentlich werdet Ihr dieses unangenehme Teil jetzt aber nicht noch viel widerwilliger übers Gesicht streifen, sondern eher froh darüber sein, dass wir im Gegensatz zu den Pestärzten vergangener Tage ja heute zumindest genau wissen,wie wir die weitere Ausbreitung unserer Pandemie deutlich einschränken können:
Maske, Handhygiene und Abstand halten, auch wenn man viel lieber der so selten gesehenen Freundin, dem Freund um den Hals fallen und sie knuddeln möchte.

Nun kann ich Euch aber in nächster Zeit Corona bedingt gar nicht ins Maskenmuseum in Diedorf einladen, um Euch vielleicht noch ein paar Geschichten rund um die Maske zu erzählen. Wir sind ja nun auch ein ganz besonderes Museum, wo man erst mal alles ausprobieren, aufsetzen, Selfies in anderer Maske schießen kann und nur bei Interesse Geschichten auf seine Fragen zu hören bekommt. Aber momentan macht das Masken ausprobieren ja vielleicht auch gar keinen Spaß, weil man ja Masken sowieso tragen muss. Vielleicht habt Ihr aber im nächsten Jahr dazu mal wieder Lust. Vielleicht wollt Ihr aber, wenn Ihr noch ein wenig jünger seid, mit mir zusammen oder unseren StudentInnen von der Uni Augsburg selber dann mal in den Ferien Masken in einem Workshop in unserer alten Dorfschmiede basteln, den Frau Ulrich von der Jugendbetreuung Diedorf dann wieder vermitteln wird. Unseren Erwachsenen und älteren Jugendlichen bieten wir auch Schnitzkurse für Masken an. Wenn man will, kann man damit dann sogar bei unserem Wintergeisterspektakel in Diedorf gleich nach Silvester mit machen und den Winter austreiben helfen oder einfach mit einer außergewöhnlichen Maske auf den Faschingsumzug gehen.
Vielleicht hilft das böse Geister austreiben ja auch bei Corona (?). Fellkostüme und lärmende Glocken kriegt man von unserem Museum kostenlos ausgeliehen.
Bis bald also trotzdem!
Michael vom Maskenmuseum

Bürgerreporter:in:

Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf

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