Iran - das gemobbte Land

In Persepolis kommen Gesandte ferner Völker in Anerkennung der politischen Verdienste des Landes zum König. Relief entlang der Palasttreppe
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Hassan unser Reisebegleiter im Iran atmet schwer und pfeifend. Hassan war im Krieg gegen Saddam Hussein und die Wirtschaftsinteressen der westlichen Welt gewesen, die den damals wegen seiner Öl-und Gasförderung und politischen Einflussnahme in Nahost noch beliebten Diktator lange Zeit mit Waffen, Knowhow und wirtschaftlicher Unterstützung gefördert hatte. Damit hat der Irak dann seine Nachbarländer angegriffen.

Hassan hat eine gehörige Menge Senfgas eingeatmet, das von deutscher Waffenlobby mit Genehmigung der Bundesrepublik zur Aufbesserung wirtschaftlichen Verständnisses an den Irak geliefert worden war. Mehr als die Hälfte seiner Lunge hat Hasan dabei verloren und konnte seither seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben. Er hat Deutsch gelernt und ist Reiseführer geworden. Infolge seiner Fähigkeiten unterrichtet er an der Uni persische Studenten in Tourismusmanagement.
Hassan hat sich wieder hochgekämpft.
Schwer geht der Atem. Trotzdem fängt er nach dem anstrengenden Anstieg quer durch die Ruinen von Persepolis hoch zu den in den Fels geschnittenen Grabmälern fast unverzüglich mit seiner Erklärung an. Ein kurzer Moment noch Verschnaufpause während er mit dem ausgestreckten Arm wortlos, weitausholend und fast zärtlich über all jene Relikte des Palastes gleitet, ein kurzer Moment bleibt, um sich nach dem Rest der Gruppe um zu sehen, der gerade schnaubend über die letzte Geländestufe herauf gekommen ist.
Hassan erzählt Geschichte: Von den Königen Kyros und Darius, die über ein weit über die Grenzen des heutigen Iran ihr Reich auf gebaut hatten. Denen, wie auf den Reliefs der Königstreppe zu sehen, alle Völker der nahen und ferneren Umgebung mit unterschiedlichsten Geschenken Ehre und Tribut pflichteten.
Hassan ist stolz auf sein Land : Alle Völker gaben freiwillig und in Anerkennung von Schutz- und Hilfeleistung unter der Regierung des Perserkönigs . Es gab in der Geschichte des Iran keinen Krieg gegen andere Völker, sagt Hassan. Ein Runzeln auf unserer Stirn und gegenseitig verstohlene Blicke deutet er richtig und hackt gleich nach, um Zweifeln zu begegnen.
Hatten wir nicht in unseren Geschichtsstunden mit Rückhalt auf altgriechische Autoren gelernt, die Perser hätten Griechenland, Träger hochgeistiger Kultur und friedlich demokratischer Gesinnung, angegriffen, unterdrückt und somit seien die Eroberungszüge Alexanders, des Retters der abendländischen Welt letztlich ein Befreiungsfeldzug gewesen? Hassan sieht das aus seiner Sicht heraus anders und kann das hier in Persepolis unter Beweis stellen. Niedergebrannt wurde der Palast, geplündert und die Mauern geschliffen. Eine Kultur, die viele andere Volksgemeinschaften unter Ihrem Schutzmantel vereinigte, wurde von einer nach Besitz und Macht strebenden Eroberungswelle hingestreckt. Das klingt auch plausibel, aber natürlich eine Frage der Sichtweise, der Perspektive von unterschiedlicher Seite.
Hassan kann effektiv bildhafte Beweise vorweisen: Nirgends sind im Palast irgendwelche Kampfesszenen dargestellt, jedes der Völker zeigt sich im eigenständigen Habitus, jeder mit seiner landestypischen Tracht. Hat der König denn wirklich allen ihre Autonomie gelassen?
Doch überraschend, vergleicht man mit all den unzähligen Kampfesszenen auf Tempelfriesen und Steinreliefen griechischer Künstler und römisch- byzantinischer Adepten.
Hassan liebt sein Land, aber er schimpft nicht auf die grimmigen Nachbarn. Er ist das Vorbild eines touristischen Führers, er gibt Informationen, regt zum Weiterdenken an, aber lässt auch andere Meinungen zu.
Wie verträgt sich das mit der „Macht“ und dem „Dogma“ der Ajatollahs., der über viele Jahre Islamkunde studierenden Gelehrten? Da ist in der westlichen Presse von Unterdrückung die Rede von Pressezensur, Strafprozessen ohne Verteidigung, Auspeitschung und Folter. Für uns nichts dergleichen zu sehen. (
Ja auch die europäischen Frauen sollten ein Kopftuch tragen- verrutscht es einmal oder wird es vergessen, kommen hilfreiche und umsichtige Einheimische und rücken es der „Entblößten“ freundlich wieder zurecht. Wir treffen den Großajatollah in Shiraz bei einem Besuch in der Moschee: Er geht auf meine verschleierte Frau zu und unterhält sich freundlich auf Englisch, wie es uns denn so im Iran gefällt. Publikumswirksam und tourismusfördernd ist das ja schon, denn eine Menge knipsender und filmender Presseleute folgt im wie eine Bienentraube. Damit unehrlich?
Hassan liebt sein Land. Sein Land liebt aber auch die Märtyrer, die im Irak-Irankrieg gefallen sind. Überall hängen in dieser bilderverachtenden Kultur die riesigen Erinnerungsfotos der im Krieg Getöteten. Man muss sein Land wohl schon ganz gehörig lieben und darauf stolz sein, wenn man in den Krieg zieht und befürchten muss, dabei verwundet zu werden oder gar um zu kommen. Ein bisschen Ehre und Anreiz muss wohl schon sein, wenn nicht wie bei den sunnitischen Nachbarn das Werbeversprechen von 50 unbescholtenen Jungfrauen im versprochenen Paradies wartet.
„Warum schwelt denn da so eine Missgunst, vielleicht sogar Hass zwischen diesen beiden unterschiedlichen Brüdern im islamischen Glauben. Sunniten und Schiiten glauben an denselben Gott. Aber ebenso, wie bei uns im geistig hinausgezögerten Mittelalter Katholiken wie Protestanten scheinbar um die gerechte Glaubensauslegung rangen und über dreißig Jahre sich gegenseitig niedermetzelten, ist auch hier der kleine Unterschied der Glaubensauffassung nicht der wirkliche Kampfesgrund.
Ali, der Schwiegersohn Mohameds, des Propheten, war relativ unerfahren und in der Auslegung mohamedanischer Glaubensätze nicht ganz so dogmatisch , wurde trotzdem nach Auslegung der iranischen Schiiten als Nachfolger vom Propheten bestimmt (so die Auslegung der Schiiten). Die größere Menge der Anhänger(heute Sunniten) wollte aber einen streng regelnden Führer und enger gesetztes Dogma. Ein „Gegenpapst“ wurde gewählt. Als dieser starb, bekam endlich Ali das Sagen, wurde nach kurzer Zeit gemeuchelt und das “Schisma“, die Trennung und der tiefe Hass auf einander war da. Sunniten (Dogmatiker) und Schiiten standen sich seither unversöhnlich gegenüber.
Hassan sagt, die Sunniten hätten im Iran immer gleichwertige Glaubensfreiheit genossen. Das muss man ihm glauben, denn seit dem 10. Jhdt. war der Iran und seine blühenden Städte Zentren des verständnisvollen Miteinanders der Religionen. Juden, Schiiten, Sunniten, armenische Christen und auch andere Religionen wurden im brüderlichen Miteinander regiert und förderten sich gegenseitig zu einer Blüte von Kultur und Wissenschaft. Dazu muss man jetzt nicht unbedingt den Medicus gelesen haben, um zu wissen, dass demgegenüber in Europa durch das Dogma unserer Kirche jede Form von wissenschaftlicher Erkenntnis entgegen des kirchlichen Diktats verboten war und mit Inquisition verfolgt wurde.
Über viele Jahrhunderte prägte im nahen Osten weniger die gegeneinander differenzierende Glaubensmeinung , als vielmehr die von den osmanischen Sultanen in der Türkei aus wirtschaftlichen Interessen und eher auf friedvolles Miteinander der Religionen ausgerichtete Politik das Zusammenleben der Menschen.
Friedvoll, nun ja bis sich dann im 18. Und 19. Jhdt die großen Kolonialmächte entschieden den Nutzen der Welt in Sektoren unter sich auf zu teilen und da litt die Religionsfreiheit und der Nationalstolz vor Allem der Völker in Ost,- und Nordafrika und im Nahen Orient. Religiöse und politisch orientierte Freiheitskämpfer befreiten als selbstvergessene Mahabiten (Mahdi) im Sudan und bestialisch mordende Wahabiten in Saudiarabien das Land von der Kolonialherrschaft, indem die sunnitische Religion half die unterschiedlichen Volksgruppen zu vereinigen. Diese Befreiung von den Kolonialmächten verhalf aber durch die Unterstützung der angeheuerten Freischärlern aus Wahabiten, dem saudischen Königshaus zur Macht und zur Institution ihrer seither ununterbrochenen Herrschaft, der engstirnig-islamischen Rechtsprechung (Scharia) unter sunnitischem Dogma.
Hasan sagt: Ja wir haben auch noch die Todesstrafe: Für kaltblütigen Mord, wenn der Täter nicht reuig ist, bei Drogendelikten mit großen Mengen an harten Stoffen, wenn geplant war, diese an andere im großen Stil weiter zu verkaufen und damit andere in die Abhängigkeit gebracht würden. Hassan meint, das sei gerechtfertigt, wenn die Täter nicht sozialisierbar erschienen. In den letzten Jahren wurde die Todesstrafe aber ausgesetzt und nicht vollzogen.
Ausnahme waren die Attentäter aus sunnitischen Reihen, die Dutzende Menschen, vor Allem der schiitischen Glaubensrichtung, gezielt in den Tod gerissen haben. Schiitische Attentätern gibt es nicht, weil der Koran sagt, wenn Du einen Menschen tötest, dann ist das, als wenn Du die ganze Menschheit aus radierst und Du wirst keine Gnade vor Allah finden, meint Hassan und fügt schmunzelnd hinzu: „Das mit den 50 Jungfrauen glauben wir erst recht nicht.“
Unter der Scharia des sunnitischen Rechts werden Menschen, die sich für die Gleichberechtigung der Frauen, für die Menschenrechte oder gegen das saudische Königshaus stellen „entsorgt“ oder durch sadistische Strafen niedergehalten, sagt Hassan.
Mir scheint , Hassan hat recht.
Warum aber unterstützen die USA weiterhin das Königshaus in Saudi-Arabien, warum all die Sunniten in Fernost? Auch darauf hat Hassan natürlich eine Antwort: Mekka und Medina liegen auf der arabischen Halbinsel. Alle sunnitischen Mohamedaner sollen zwingend nach Mekka pilgern. Damit laufen aus religionspolitischer Sicht auch alle Fäden bei den Saudis zusammen.
Natürlich spielt aber primär das Diktat des unermesslichen Reichtums aus dem geförderten Erdöl die Hauptrolle für die westliche Welt. Iran ist der kleinere Produzent zweier gegeneinander konkurrierenden Staaten. Den kann man durch Sanktionen in die Knie zwingen und vielleicht sogar durch eine gesteuerte Revolution damit ganz in die Hände des Westens geben.
Wir fragen Hassan nach den Anlagen zur Anreicherung von spaltbaren Stoffen: Die sind zur friedlichen Nutzung bestimmt, breit über das Land verteilt und jedermann bekannt: In Yadz und seinem Umland wurde Uran durch vulkanische Umwälzungen aus der Tiefe hervorgehoben. Ebenso wie Kupfer und Blei. Immer wieder fahren wir an Höhenzügen in diesem wüsten kargen Gebiet vorbei , deren Gesteinsstrukturen grünlich schimmern. Ein Brocken in der Hand fühlt sich beim Aussteigen aufgehoben seltsam schwer an: eindeutig Kupfer/Bleikonglomerat!
Bei Kashan liegen uranverarbeitende Industrien am Wegesrand, einiges vielleicht auch unterirdisch, will uns scheinen. Alles kein Geheimnis und kein Grund zur Panik.
„Aber wie ist das dann mit der offenen Bedrohung Israels bei der Rede des vorherigen Präsidenten vor der UNO-vollversammlung“. Er war ein Bauer, bevor er Präsident wurde, er wollte sein Land verbal verteidigen aber das war unüberlegt, sagt Hassan.“ Da klingt doch ein unendlicher Hass an zwischen Israel und dem Iran, das sprüht voll von Säbelrasseln und gegenseitigen Bedrohungen?“ wollen wir wissen.
Das ist kein Hass auf der Seite des Iran, nur Enttäuschung, erklärt uns Hassan, grenzenlose Enttäusch. Wir haben den Anhängern jüdischen Glaubens, seit ihrer Vertreibung aus Palästina vor 2000 Jahren eine Neue Heimat geboten und sie mit all ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten voll in unsere Kultur integriert(Medicus), wir haben in den 50-ger Jahren den Neuen Staat Israel auf fremdem Boden in Palästina politisch unterstützt und gefördert.
Jetzt aber wollen sie unseren islamischen Glaubensbrüdern keinen ebenbürtigen eigenen Staat gönnen, sie attackieren alle Ihre Nachbarn mit Worten und offenem Krieg und finden noch Unterstützung vom großen amerikanischen Freund, der sich seinen saudischen und israelischen Geldgebern seit vielen Jahren wirtschaftlich eisern fest gebunden fühlt.
Was ist das jetzt für ein schrecklich ungerechtes Mobbing für einen wirtschaftlich und touristisch modern ausgerichteten Staat mit seinen auch dem Westen gegenüber offenen gastfreundlichen Menschen und seiner schon seit der Antike wichtigen Kultur gegenseitigen Verständnisses.
Was ist das gerade für eine dumme Angstmacherei ganz im Sinne des kleinkindlichen Donald und seiner bildungslosen Wähler!
Ich gebe zu, unsere Reise in diese herrliche Kultur war eingeleitet von den etwas sorgenvollen Mienen unserer Freunde und ist nun in Begeisterung zu Ende gegangen. Es gibt kaum ein Land, wo man sich so wenig Sorge machen muss um Kriminalität , das solch blitzblanke saubere Unterkünfte anbietet, dessen Essen so gut und für westliche Mägen so verträglich, bei dem Ehrlichkeit und Sauberkeit so groß geschrieben werden, dessen Menschen einen … trotz des westlichen Affronts…mit so viel ehrlicher Freude und Begeisterung willkommen heißen, wie im Iran.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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