Denn das Kunstwerk ist die Heimat des Künstlers auf Reisen.

beim "Samurai" wie auch den anderen "Transformationsfiguren aus dem Koffer", verschränken sich Formen aus der Fläche durch Steckverbindungen in den Raum hinein zu starken  standhaften Körpern. Foto Andreas Heise
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  • beim "Samurai" wie auch den anderen "Transformationsfiguren aus dem Koffer", verschränken sich Formen aus der Fläche durch Steckverbindungen in den Raum hinein zu starken standhaften Körpern. Foto Andreas Heise
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Andreas Heises Steckfiguren im Haus der Kulturen Diedorf

Nach langer Corona-zwangspause ist der aktive Kulturbetrieb auch im Haus der Kulturen Diedorf wieder zurück. Schon mit dem 1. Mai 2022, dem jährlichen Künstlerfest in der Lindenstrasse 1 bietet das Ehepaar Stöhr mit einer Vernissage zweier neuer Ausstellungen um 11.Uhr nicht nur Gelegenheit für einen kunstgekrönten Maiausflug sondern auch ein Highlight für das ganze kommende Jahr: “ „Theaterpuppen fremder Kulturen“ und „Recyclingspielzeug aus Afrika“.
Ein weitere überregional interessante Ausstellung: „Andreas Heise: Steckfiguren“ findet Ihre Eröffnung am 15. Mai um 11.00 Uhr im neu eröffneten Ausstellungsraum im Erdgeschoss des Maskenmuseums in der Lindenstrasse 1, zu der wir alle wieder herzlich einladen.
Gezeigt werden Figuren von klein bis lebensgroß, deren ganz besonderer Reiz darin besteht, das Reich der gemalten Bildfläche in den dreidimensionalen Raum hinein zu verschränken. Die Fläche transformiert hierbei vollständig zu einer körperlich ganz erfahrbaren abstrakt erlebten Standfigur. Durch das von Andreas Heise entwickelte Stecksystem kehren die dreidimensionalen Einzelelemente nach der Aufstellung wieder zusammengelegt in Ihre zweidimensionale Aufbewahrung zurück: ein Kunstwerk auf Reisen.
Müsste man Andreas Heise in die Begriffswelt der vielen … Ismen in der Kunst einordnen, so fände sich meiner Meinung nach sicher eine gewisse Nähe zu den Arbeiten der italienischen Futuristen um Boccioni und russischen Avantgarde-pionieren wie Wladimir Tatlin. Lassen Sie mich aber eine andere Beziehung episodenhaft aufrollen:
Marcel Duchamp, ein unruhig getriebener, künstlerisch unzufriedener Geist des Dadaismus, immer mit dem künstlerisch Erreichten und damit vielleicht auch sich selbst unzufrieden, erklärte das Aus für die Kunst in den frühen Jahren des 20. Jhdt…. und ging auf Reisen. Rastlos in den einsamen Hotelzimmern ohne die Arbeitsmöglichkeiten im luxuriösen Atelier hatte ihn aber längst dieses uns allen bekannte „Machenwollen“, eben jener immer aktive Auslöser von Kunst längst noch nicht verlassen. Duchamp schuf seine Ausstellung aus dem Koffer, die er an quer durch das Hotelzimmer gespannten Schnüren bei Bedarf „entschachteln“ konnte.
Und so erschien am 20. Februar 2022 am Bahnhof Diedorf auch Andreas Heise mit einem riesigen Koffer und einem sperrig bepackten Rollwägelchen, um nach längeren vorhergegangenen Gesprächen am Telefon für unsere Ausstellung seine großartigen und in Ihrer Art einmaligen Figuren aus den flachen DinA4-Sichthüllen des Koffers zu drei-dimensionalem Kunstleben/Kunsterleben auferstehen zu lassen.

Wer ist denn dieser Heise, Vater der tiny houses?https://www.sueddeutsche.de/kultur/wohnkultur-klei...

Andreas Heise wurde 1950 als Sohn des Professors Wilhelm Heise (Naturzeichnen) an der Akademie München geboren und machte mit mir zusammen am Humanistischen Gymnasium zu St. Anna sein Abitur. Nach einer Schreinerlehre, einem Studium bei den Professoren Baschang, Ladner und Frühtrunk in München, Arbeiten als Schreiner, Innenarchitekt und Designer in Europa, war er neben vielen kürzeren Reisen in den letzten Jahren jeweils längere Zeit in Neuseeland, Dänemark und Schweden tätig. Hier in der Fremde und doch ein wenig sesshaft entstanden seine 3-dimensionalen Steckfiguren aus Hartfaserplatten und leichteren Wabenplatten, Malerei und Zeichnungen. Andreas Heise betreibt eine Atelierwerkstatt jetzt auch in München.
Mit Ihren Titeln projizieren die Figuren antike Mythologien und archetypische Gedankenblöcke, mit denen Andreas Heise schon sehr früh auch am Gymnasium St. Anna in Berührung kam:
Da verfrachtet „Charon“ , der Fährmann, die körperlose Seelen über den Styx, den Fluss des Vergessens, in ein Nebel verhangenes Land ohne Wiederkehr. Die „apokalyptischen Reiter“ brausen daher mit all den brutalen Ängsten, denen der mittelalterliche Mensch nichts entgegen zu setzen hatte, außer einer unverstandenen kirchlichen Doktrin. Der „Samurai“ kämpft verbissen gegen die von allen Seiten heran drängenden formlosen Unwesen.
Während viele mental schwächer konstituierte Menschen früherer Zeiten diesem Andrang der aus dem „Schlaf der Vernunft erweckten Ungeheuer“ nicht gewachsen erschienen, stehen die der labilen Fläche erweckten Figuren von Andreas Heise kerzengerade und standfest, reagieren mit den in den Raum geklappten dornenspitzen „Gliedmaßen“ gelassen stehend gegen alle von Außen unsichtbar so empfundenen Gefahren. Starke wehrhafte Figuren in denen sich der empfindsame und sonst eher menschlich behutsame Künstler ein Gegenüber schafft.
Auf Wunsch von Andreas Heise und im Sinne unseres Zieles im Haus der Kulturen Diedorf, stellen wir im Dialog dieser Ausstellung den auf Ihre Weise einerseits schon starken Figuren unserer europäischen Philosophie, Skulpturen aus dem afrikanischen Mythenbereich und Kulturzusammenhang gegenüber. Gegenseitig sollen sich beide im Kontrast beleben und die dahinter verborgenen Geschichten lebendig werden lassen.
Während uns die apokalyptischen Reiter von den Ängsten eines Christenmenschen vor der unabwendbaren himmlischen Bestrafung künden, weiß der Künstler der Ethnie der Dogon, dass man die Taten der Götter durchaus mit kleinen Bestechungsgaben und etwas größerer Ehrfurcht beeinflussen kann.
Der in der Ausstellung gezeigte Reiter hat beide Arme vom Zügel gelöst und in der Anbetung der Ahnen hoch in den Himmel gereckt. Dort irgendwo in der Gegend des Sternbildes Hund sollen die Vorfahren der Dogon ihre Himmelsschiffe bestiegen und auf die Erde gekommen sein. Nur ein kurzer Moment , ein kurzes aktives Leben im Hier und jetzt, ist auch ihren Nachfahren gegönnt auf Ihrer langen Reise durch die Ewigkeit des Alls. Nur grob mit dem Querbeil aus einer Astgabel gehackt, halbfertiges Produkt eines kurzen Aufenthaltes, ist auch diese Plastik nicht minder ausdrucksstark wie die vielleicht eleganteren, leichteren Figuren von Andreas Heise.
Wir dürfen Sie ganz herzlich zu der sicher sehr spannenden und einmaligen Ausstellung solcher unterschiedlicher, vielleicht aber in Manchem dann doch wieder wesensverwandter Kunststandpunkte einladen. Die Ausstellung läuft bis August 2022, die Vernissage findet statt am internationalen Museumstag, am 15. Mai 2022 um 11.00 Uhr. Ebenso wie am 22. Mai , dem Tag der offenen Ateliers in Diedorf, ist der Eintritt von 11.00 bis 12.30 und von 14.30 bis 16.00 Uhr frei. Andere Termine nur mit tel. Voranmeldung: 08238/60245.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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