Eldorado und das Gold der Sonnenscheibe

Der Vergoldete in der Sonnenscheibe
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1. Kühl schreckte das Wasser die nackten Füße des Kaziken, als dieser von seinen drei Begleitern an den beiden ausgestreckten Armen gehalten vom Rand des Balsafloßes ins Wasser hinuntergelassen wurde. Einem der vier Kaziken fiel in diesem Viererbund quasi die Rolle des Staatsführers im Reich der Muisca im vorkolumbianischen Kolumbien zu – ähnlich wie bei den Inka in Peru – und zur Weihe eben dieses Herrschers waren die vier zusammengekommen.
Gierig und gleichwohl liebevoll leckten die leichten Wellen an den goldglänzenden Waden des Badenden und lösten den dort und am gesamten Körper auf Lamafett und rotem Eisenschlamm fein verteilten klebrigen Goldstaub langsam ab. Während der Körper des Kaziken langsam abtauchte rieselten Unmengen feinsten Goldstaubes wie leuchtende Nebel in die dunklen Wasser des Sees.
Als auch das letzte Körnchen des wertvollen Metalles sich vom Körper des künftigen Herrschers gelöst hatte , und dieser nunmehr rot in der Farbe des fettigen eisenhaltigen Schlammes aus dem Wasser heraus leuchtete, zogen ihn starke Arme wieder auf das hölzerne Floß hinauf. Aller Goldschmuck, mit dem der Herrscher behängt war, wurde gelöst und ins Wasser versenkt, ebenso wie allerlei goldene Schalen und andere Opfergaben, die man auf dem Floß mitgebracht hatte. Eine goldene runde Scheibe, Abbild der Sonne, wurde dem Kaziken als nunmehr einziges Schmuckstück auf die Brust gehängt.
Umfangreich waren die Vorbereitungen gewesen: Über Wochen hatten die vier Kaziken gefastet und sich auch in vielerlei anderer Hinsicht enthaltsam gezeigt. Am Morgen der Weihezeremonie hatte man den Himmel nach Botschaften abgesucht und die Windrichtung mehrfach überprüft. Alle vier Kaziken waren nämlich einer dieser vier Richtungen und damit auch den vier Landschaften des Muiscareiches zugeordnet: Würden es die Winde sein , die aus der Wüste Tatacoa im Osten feinen roten Sand herbei wehten? War es heute der Wind, der aus den Andentälern im Süden mit grimmiger Kälte und weißem Schnee in der Höhe heranziehen würde, der die Entscheidung brächte? Gelbe Wolken kämen vom Pazifik, beladen mit dem gelben Löspulver der westlichen immer trockenen Andenflanke. Schwarz und regenreich dagegen waren immer die warmen Sturmwinde aus dem Norden, dort wo sie die Karibik mit Feuchtigkeit voll gepumpt hatte.
Jeder der Kaziken hatte seinen Körper mit einer dieser Farben bemalt. Jeder hatte der Patcha Mama, der großen Mutter Erde, vom eigenen Blut geopfert, das er mit einem spitzen Obsidiansplitzer geritzt aus der empfindlichen Zunge gepresst hatte. Wer würde jetzt aber der künftige Herrscher sein?
Würde der himmlische Sonnengott den neuen Kazikenchef als seinen Sohn und Vertreter auf Erden annehmen? Würde die Sonne Ihren täglichen und jährlichen Rhythmus auch weiterhin zum Wohle der Menschheit weitertreiben?

2. Heiss war es heute gewesen. Die weissglühende Sonne hatte sich in diesen Tagen spät im Juli mit Temperaturen von weit über 30 Grad in Felder, Menschen und Tiere hinein gebrannt. Jetzt stand sie gelb im Westen des Schmuttertales, sank immer tiefer und verglühte schließlich in dunklem Rot. Sie würde die Länder des fernen Amerikas im Westen streifen und dann im Schwarz des Himmels versinken. Morgen wird unser Flug nach Kolumbien starten ins gelobte Land Eldorado, dem Land des vergoldeten Herrschers (El Dorato = der Vergoldete) der Kulturen vor Kolumbus.

3.Der Mythos Gold lockte im 15. Jhdt. schon die Spanier, die viele der alten Kulturen aus Besitzgier und Missionswahn einfach auslöschten und ihre goldenen Kunstschätze ein schmolzen. Einiges wurde gerettet oder erst in neueren Tagen aus gegraben und ist in Bogota und einigen anderen Städten des südamerikanischen Landes in den Goldmuseen zu bewundern.
Gegenstände, die weit über den heutigen Goldwert hinaus, Geschichte lebendig werden lassen, Geschichten erzählen. Gold, welcher Blutzoll hängt daran, welche Mühen wurden aufgewandt, um in seinen Besitz zu gelangen!

4. Der See des Goldrituals der Muisca ist schon seit dem 19. Jhdt. nur wenige Kilometer nördlich von Bogota gefunden. Massen an Goldgräbern versuchten die geopferten und versenkten Goldschätze in der Tiefe des schlammigen Wassers wieder zu entdecken. Allein der See ist als ehemaliger Meteoritenkrater sehr tief und die Funde wurden gründlich mit den durch Bäche zugeführten Lehmmassen überlagert. So halten sich auch die ausgestellten Stücke im Muse dell Oro in Bogota begrenzt.
Spannend erzählt wird in einem Fernsehbeitrag von „Terra X“ von den aussergewöhnlichen Versuchen, diesen Goldschatz ganz zu heben. Einer davon war, die Zuflüsse während der Trockenzeit zu schliessen und in einer gewaltigen Grube im Schlamm des Sees in die Tiefe zu graben. Zufliesendes Grundwasser wurde heraus geschöpft. Bedauerlicherweise war der lehmige weiche Boden nur schwer und zeitraubend ab zutragen , so dass die schon bald einsetzende Regenzeit vor Beendigung der Ausgrabung schon wieder alles überschwemmte und die Fortschritte wieder völlig zunichte machte. Nachdem andere Schatzsucher eher auf das Arbeiten im Wasser des Sees mit Tieftauchern arbeiteten, kam einer sogar auf die Idee, den Rand des Kraters zu durchbrechen und für einen dauerhaften niedrigen Ablauf zu sorgen. Nach mühevollen Erd- und Sprengarbeiten schien der Erfolg nahe, bis der höher liegende Berghang nach rutschte und die Schneiße in der Kraterwand wieder schloss.

5. Die meisten der herrlichen Goldscheiben im Museum Bogota entstanden aus kalt zusammengeschmiedetem Goldstaub oder flach ausgetriebenen Goldnuggets. Hier fällt einem natürlich als erstes naheliegend der Vergleich mit der Sonnenscheibe auf. Beidseitige Einkerbungen scheinen sich ursprünglich aus ausgerissenen Löchern zum Befestigen der Scheibe auf Stirn oder Brust entwickelt zu haben . Mehrere gleichseitige Einkerbungen erinnern schon an eine vereinfachte menschliche Figur mit angezogenen und abgewinkelten Beinen. Kann man hier den Vergoldeten, den Sohn der Sonne, erkennen, der ins Wasser abgelassen wird? Aus weiteren Ausfeilungen entsteht die Figur des stehenden Inka.

6.Im Haus der Kulturen in Diedorf sind in der Schmuckausstellung vergoldete Replikate aus dem Goldmuseum Bogota zu bewundern. Geöffnet ist das Museum n. n. Vereinbarung abends ab 17. 00 Uhr unter 08238/60245 oder über die Gemeinde Diedorf : Herr May: 08238/300426. Kinderführungen auch durch die Kunstschule Diedorf KKE

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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