Abstrakte Ruhe zwischen Angst und Sterben: Schilde aus Papua Neuguinea

Asmat Irianjaya
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Das muß ich jetzt erst mal loswerden:
Ich hasse Waffen - ich bin Kriegsdienstverweigerer !
Die Anerkennung als Friedensdienstler in den späten 60ger Jahren( Damals hiess es ja noch abwertend: Ersatzdienst) war vor einem Zivilgericht noch sehr schwierig. Ich habe meinen "Ersatzdienst " mit Überzeugung und Einsatz in einem Unfallkrankenhaus gemacht und dafür 6 Monate länger als die Soldaten gedient.
Ich habe in Papua Neuguinea richtigen Krieg zwischen Menschen in Körpernähe mit erbärmlichen Waffen gesehen, die stark blutende und schmerzende und tödliche Verletzungen beim Menschen gegenüber erzeugten. Es war kein Krieg mit automatischen Waffen auf große Entfernung. Ich möchte Ihnen gerne darüber berichten .
Aber mal was anderes: Was meinen Sie? Sind diese Tafeln in Erdtönen nicht richtig interessant und strahlen durch das abstrakte Muster auch Ruhe aus? Ruhe zwischen dem Sturm der Waffen? Es sind große oder kleinere Schilde, um den eigenen Körper vor Steinen, Speeren, Pfeilen, Keulenschlägen und auch Messerangriffen mit Dolchen aus spitzen Kasuarknochen zu schützen. Man muß sich sehr nahe kommen, um sich mit diesen Waffen todbringend Wunden Mensch gegen Mensch zuzufügen. Man sieht dem anderen, der zugeschlagen hat, in die Augen, wenn man getroffen ist. Man hat Angst, die Augen sind ganz rot umrandet und weit aufgerissen, wenn man mit dem Speer oder Messer zusticht. Das geht nicht so leicht, man muß sich gewaltig überwinden. Es ist, als wenn man sich selber verletzen müßte. Zwischen verletzt werden und verletzen ist kein großer Unterschied , aber ein ganzes Leben.

Als wir uns vor 25 Jahren beim auswärtigen Amt und erfahrenen Weltenbummlern über die Sicherheit in Papua Neuguinea erkundigten, wird uns gesagt: Das sind alles zunächst unheimlich freundliche, naiv glückliche Menschen. Es gibt 300 völlig verschiedene untereinander fast absolut unverständliche Sprachen. Wenn die Leute Krieg machen oder Betelnüsse kauen oder Alkohol ausgeschenkt bekommen (meistens machen sie mindestens zwei Dinge davon zusammen) rasten sie aus. Dann ist Vorsicht geboten. Sie wissen zwar in den Dörfern: Die Weissen sind abgezählt (d.h. Sie müssen Sich bei den nächsten Polizeistationen an- und abmelden, wenn es in den Dschungel ins Hochland geht). Mit Betelnuss oder Alkohol im Blut wissen sie es nicht mehr. Vor Allem aber gleich an der Küste in den größeren Städten, wo die Menschen herausgelöst aus Ihrem Dorfzusammenhalt leben müssen, wo Ihnen keiner der Alten mehr sagt, was man tun und was man nicht tun darf, wo die vielen neuen Missionsschulen gegeneinander konkurieren und sich auf der Jagd nach Seelen und somit Missionszuschüssen gegenseitig schlecht machen und ausboten wollen, wo die Menschen allen Halt verloren haben, sollen wir aufpassen : Nicht mehr ab 18.00 Uhr, wenn es dunkel wird, auf die Strasse. Nur in Hotels mit Stacheldraht auf der Hofmauer, Gittern vor den Fenstern und Bewaffneten vor der Tür schlafen.

Als wir nach mehreren Flügen genau auf der anderen Seite der Welt in Port Moresby ankamen, waren wir müde, die Hotels hatten alle vorgeschriebenen Sicherungsvorkehrungen und die Menschen waren tagsüber besonders lieb, freundlich und naiv. Alles war in Ordnung. Der nächste Flug in einer 2einhalb sitzigen Propellermaschine ins Hochland war einerseits der Flug in die Steinzeit, andererseits schon bald der Blick auf die vielleicht weltweit größten Goldabbauanlagen . Ein Schulkamerad vom Gymnasium lies dort von seiner einheimischen Crew, fast eine Stadt für sich, und kaum vorstellbarer gigantomanischer Technologie für Degussa Berg um Berg zerschreddern und mit haushohen Lastern, die von kaum der Steinzeit entwachsenen Einheimischen gefahren wurden, in die Schmelzanlagen fahren. Schmale Strassen waren für die Laster in den undurchdringlichen Dschungel geschlagen.
Mit einem kleinen VW-bus folgten wir von dort diesen Straßen zu verschieden Dörfern und Stämmen. Mehrmals konnten wir gerade noch vor den Lastern in das Halbdunkel des Dschungelrandes ausweichen. Beim Rückweg von einer dieser Exkursionen wurden wir gewarnt: Im Nachbardorf hat ein Laster zwei Leute auf der Strasse überfahren. Die Dörfer sind beim Aushandeln der Reparationszahlungen.
Natürlich sind Reparationszahlungen zur Vermeidung von ganzen Dorfkriegen etwas Vernünftiges. Besonders in einer Gesellschaftsform, wo auch beim Bau eines Männerhauses noch frisch abgeschnittene Köpfe aus dem Nachbardorf benötigt werden, um die beiden großen Stützstelen des Männerhauses in der Ahnenwelt unter dem Boden sicher zu verankern. Dazu ziehen die Männer in der Nacht los und schleichen sich auf extra dazu angelegten vor fremden Blicken verborgenen Gräben bis zum Nachbardorf. Gefahr geht von den Männern des anderen Dorfes aus, die gemeinsam und sich gegenseitig schützend im Männerhaus schlafen. Frauen und Kinder und das Vieh schläft in kleineren Hütten und bleibt ungeschützt. Wenn die Frauen und Kinder schreien, ist es meist schon zu spät. Bis die Männer im Männerhaus wach sind, sind die Eindringlinge meist schon wieder verschwunden. Mit Glück lässt sich feststellen, wohin die Gruppe verschwunden ist oder wo ein Männerhaus im Umkreis gebaut wird. Offiziell ist in Papua Neuguinea die Kopfjagd natürlich verboten. Bis die Polizei oder Armee ins Hochland einmarschiert ist, hat man sich untereinander geeinigt, sind die Reparationsverhandlungen schon wieder abgeschlossen. Üblicher Reparationspreis : bei Frauen und Kindern 1 zu 1 (oder bei Kindern auch weniger). Für jeden Getöteten wird ein extra zu diesem Zweck gezüchtetes männliches Schwein als Abgleich an das betroffene Dorf ausgegeben. Wertbestimmung des Schweins ist die Länge der Hauer und die Größe.

Trotz Warnung fuhren wir im sicheren Glauben, die Verhandlungen liefen noch, zurück, mußten wir doch am Abend wieder im Camp sein. Von weitem hörten wir an der beschriebenen Stelle unruhig an- und abschwellendes Geschrei. Mit Speeren, Speerschleudern und Knochenmessern, mit Pfeil, Bogen und Wurfsteinen bewaffnete und bemalte Männer rennen von beiden Seiten der Böschung immer wieder einzeln auf die erhöhte Strassenfläche hinauf, versuchen unsicher und verängstigt den gegnerischen Geschossen auszuweichen und beim Zielen dort oben hin und her springend einen Vorteil zu sehen und schleudern ihre Speere oder Steine in das Dunkel der Bäume. Einige versuchten sich mit großen Holzschilden zu schützen, wobei sich diese meist wegen der Steigung der Strassenböschung eher hinderlich erwiesen und deshalb auch oft unten an der Böschung liegengelassen wurden, Manche wurden dabei auch in Schenkel oder auch in den Bauch von Pfeilen getroffen, die aus dem Dunkel heraufgeflogen kamen. Manchmal stürmten mehrere gegnerische Männer dann auf den Verletzten zu, um auf ihn gemeinsam einzustechen und ihn niederzuschlagen. Die Verletzungen erhöhten die Angst und Nervosität der so bedroht Kämpfenden.

Unser Fahrer versuchte plötzlich in einer ruhigeren Phase, als ein stark Verletzter von seinen Stammesangehörigen von der Strasse heruntergezerrt wurde, zügig und schnell über die gefährliche Stelle hinwegzusteuern. Unbemerkt von uns hatte sich aber mittlerweile eine ganze Gruppe von der anderen Seite der Strasse genähert, die jetzt versuchte, unseren Bus mit ausgestreckten Armen aufzuhalten und mit Steinen und anderen Waffen auf den Bus einschlug. Der Bus war umringt, wir konnten einprägsam lange in wutverzerrte und doch gleichzeitig hochverängstigte Gesichter mit rotumrandeten Augen sehen, bis sich unser Bus durch die Menge geschoben hatte.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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