Mit Gisela nach Thüringen: Heute schauen wir bei unserer Reise Weimar an.

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Man nennt die Stadt den Hort der Dichter, Denker, Demokraten, die Hauptstadt der deutschen Klassik, die deutsche Kulturhauptstadt schlechthin.

Nach Weimar kommt man vor allem wegen Goethe und Schiller. Tatsächlich erinnert auch alles an sie. Die Stätten an denen sie wirkten und wohnten sind gut erhalten und für den Besucher vorbildlich erschlossen schon durch die DDR-Regierung. Was jedoch nicht zum klassischen Erbe gehörte, war in der gleichen traurigen Verfassung wie in allen alten Städten der ehemaligen DDR. Die Abgase der Braunkohlenfeuerung hatten die Fassaden zerstört. Die Stadt bedurfte einer umfassenden Sanierung.

Ich war zum ersten Mal 1990 in Weimar und hatte meine beeindruckensten Erlebnisse zu jener Zeit. Es war immer spannend, ob die Reise auch klappte. Eines Tages kam ich mit einem Bus voller Fahrgäste an und was nicht da war, war die Stadtführerin. Für mich war es die erste Tour nach Weimar, ich kannte die Stadt nicht und konnte deshalb auch keine Führung machen. Telefonieren, wie wir das im Westen gewohnt waren, ging auch nicht. Zum Glück hatte ich immer bei meinen Touren in die ehemalige DDR meine Gäste schon mit allen Eventualitäten vertraut gemacht, was alles passieren, vielmehr nicht klappen kann. Also, alle waren gespannt und keiner sauer. Im Hotel Russischer Hof (damals gab es nur fünf Hotels in Weimar) war der Treffpunkt mit der Stadtführerin. Allerdings stand ich nicht alleine an der Rezeption und wartete. Es stand noch ein Herr da, ziemlich sauer, der auf eine, wie er sich ausdrückte, blöde Tussi vom Fernsehen wartete. Wir beide haben uns dann zusammengetan und dieser Herr, der ein Schauspieler war, hat meine Gruppe durch die Stadt geführt. Als Goethe, wohlgemerkt als Goethe. Meine Leute waren so begeistert von dieser Führung, das ich sie nach vier! Stunden gewaltsam beenden musste. Wir wollten, vielmehr mussten, ja noch zu Schloss Kochberg. Solche Erlebnisse hat man natürlich heutzutage nicht mehr.

Aber wir kehren jetzt wieder in die Gegenwart zurück und begeben uns zum Theaterplatz. Dort beginnt die Geschichte der deutschen Klassik in Weimar im Wittumspalais, einem zweistöckigen Barockbau, der weniger nach Palais, eher wie ein Bürgerhaus aussieht. Eben dieser bürgerliche Stil entsprach der Lebenshaltung Herzogin Anna Amalias, die 1758 die Regierungsgeschäfte des Herzogtums Sachsen-Weimar übernommen hatte. In diesem Haus wohnte sie, hier traf sich jeden Freitag ihre berühmte Tafelrunde, zu der sie sich kluge, geistreiche Leute einlud. 1772 holte sie Christoph Martin Wieland zur Erziehung der Prinzen an den Hof. Wieland war Herausgeber des „Deutschen Merkur“, der angesehensten Literaturzeitschrift des 18. Jahrhunderts.

1775 wurde der sechsundzwanzigjährige Jurist Johann Wolfgang Goethe nach Weimar eingeladen. Anna-Amalias Sohn Carl-August, achtzehn Jahre alt, und gerade Regierungschef geworden, freundete sich mit Goethe an und machte ihn zum leitenden Minister.

1776 wurde Gottfried Herder, Theologe, Schriftsteller und Wortführer der deutschen Aufklärung nach Weimar gerufen, zwei Jahre später folgte ihm Friedrich Schiller.

Die Herderkirche steht inmitten der Altstadt, eine dreischiffige spätgotische Hallenkirche. Wirkungsstätte des Hofpredigers Herder, einer der großen Vier, die Anna-Amalia nach Weimar holte. Hier liegt er auch begraben. Er starb 1903. Die Ausstattung der Kirche zeigt, dass Weimar schon im 16. Jahrhundert eine große Zeit hatte. Luther predigte hier. Der große Flügelaltar stammt von den beiden Cranachs. Von 1708 bis 1712 war Johann Sebastian Bach Hoforganist an dieser Kirche.

Das Goethehaus am Frauenplan wirkt trotz seiner beachtlichen Größe schlicht und wohnlich. Goethe wohnte hier fünfzig Jahre lang, von 1782 bis zu seinem Tode. Sein Herzog schenkte es ihm. Goethe ließ es im Inneren modernisieren und Mode war damals Klassizismus. Repräsentative Gesellschafts- und Wohnräume mit Beständen der Goetheschen Kunstsammlung sind zu sehen, seine Mineralsammlung, die Handbibliothek von 5400 Bänden, die Kutschen mit denen er ausfuhr. Die ganze Hinterlassenschaft ist da. Nichts wurde verhökert. Besonders interessant, weil ganz schmucklos und funktional ausgestattet, ist sein Arbeitszimmer im Souterrain. Hier schrieb er seine Werke, hier diktierte er dem „braven Eckermann“ seine Gedanken. Gleich daneben: Goethes Sterbezimmer. Das Bett wirkt nicht sehr bequem. Er starb in dem danebenstehenden Sessel, das Kissen darauf ist noch das von damals.

Im Garten hinter dem Haus findet alljährlich zu Goethes Geburtstag am 28. August, eine intime Feier statt, mit der Aufführung eines kleinen, oft wenig bekannten Stückes, mit Buffet im Freien, Windlichter, Kammermusik, die aus den Fenstern des hellerleuchteten Wohnhauses klingt. Ein einzigartiges Erlebnis, nur geladenen Gästen vergönnt, wie zu Lebzeiten Goethes.

Dem Wohnhaus angeschlossen ist das Goethemuseum, das eine hervorragende Übersicht über Leben und Werk des genialen Dichters gibt.

Neben dem Goethe-Ensemble: das Gasthaus „Zum weißen Schwan“, wieder neu eröffnet nach dem es gründlich restauriert wurde. Es ist eines der ältesten Gasthäuser Europas. 1530 zum ersten Mal erwähnt. Goethe logierte seine Gäste hier ein.

Das Denkmal vor dem Nationaltheater ist wohl das meistfotografierteste Paar: Goethe und Schiller, eine Freundschaft von historischer Tragweite. Goethe, der auch sechsundzwanzig Jahre lang Direktor des Theaters war, brachte hier Schillers Stücke so heraus, dass ganz Deutschland darüber sprach. Hier fanden die Uraufführungen von Wallenstein, Maria Stuart, Wilhelm Tell statt.

Das Theater war auch später noch Schauplatz wichtiger kultureller und politischer Ereignisse. Franz Liszt führte hier die Opern seines Freundes und Schwiegersohnes Richard Wagner auf. 1919 tagte die Nationalversammlung; die erste Republik der Deutschen trug den Namen Weimars. In dem Theater, ursprünglich ein Barockbau, 1907 abgerissen und in der heutigen Form neu aufgebaut, dirigierten Richard Strauß und Hermann Abendroth.

Das ehemalige Kulissenhaus ist jetzt eine Kunsthalle.

Das Schillerhaus liegt ganz in der Nähe. 1802 kaufte Schiller, der bis dahin mit seiner Familie in der Windischen Straße gewohnt hatte, das 1777 erbaute Haus an der Esplanade für 4.200 Taler. Bei einem Jahresgehalt von 400 Talern stürzte ihn dieser Kauf in hohe Schulden. Im Mansardengeschoss ist sein Arbeitszimmer mit dem Schreibtisch, an dem seine letzten Werke entstanden: Die Braut von Messina, das Demetrius-Fragment. Alles steht am alten Platz. Man hat das Gefühl, der Dichter könnte jeden Augenblick ins Zimmer treten. Neben dem Wohnhaus das 1988 erbaute Schillermuseum. Auf anschauliche Weise wird das Leben und Werk des Dichters dokumentiert.

Über den Markt mit dem Lucas-Cranach-Haus, einem sehr schönen Renaissancebau, in dem Cranach der Ältere sein letztes Lebensjahr verbrachte, führt der Weg zum Schloss.

Eigentlich sind es vier Schlösser im Karree gebaut: das Stadtschloss, das grüne, gelbe und rote Schloss. Hier haben die nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur ihren Sitz. Die Staatliche Kunstsammlung besitzt einen reichen Fundus von Meistern der italienischen Malerei des frühen 20. Jahrhunderts. Im grünen Schloss: die einstige Weimarer Hofbibliothek, heute Herzogin Anna Amalia Bibliothek, eine der wertvollsten Büchersammlungen Europas. Am Abend des 02.September 2004 brach ein Brand im Dachstuhl des Hauptgebäudes aus, der im zweiten Stock des Rokoko-Saales von der Feuerwehr gestoppt werden konnte. Die Bibliothek hatte vor dem Brand einen Bestand von ca. einer Million Bänden darunter die größte Faustsammlung der Welt mit 13.000 Bänden, sowie eine Shakespeare-Sammlung von ca. 10.000 Bänden. Während des Brandes konnten ca. 50.000 Bücher gerettet werden, darunter eine Lutherbibel von 1534. Die gleiche Menge an Bänden ist total verloren, ebenso die Musiksammlung der Herzogin Anna Amalia aus dem 18. Jahrhundert. Ca. 62.000 Bände wurden durch Löschwasser und Brand so stark beschädigt, dass sie, um sie zu retten tiefgefroren wurden. Sie sollen wieder restauriert werden. Die Wiederherstellung der Bibliothek wurde 2007 abgeschlossen und hat rund 12,8 Millionen Euro für das Gebäude gekostet. 36.000 Bücher mit Wasserschäden wurden für zehn Millionen Euro gerettet.

Nicht weniger berühmt ist das Goethe-Schiller-Archiv, Zentrum der deutschen Literaturforschung. Hier wird die Hinterlassenschaft Goethes und Schillers aufbewahrt, dazu sechzig geschlossene Dichternachlässe u.a. von Wieland, Herder, Hebbel und über 600.000 Handschriften aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

In der Jakobskirche, nördlich des Stadtzentrums, wurde Goethe 1806 mit Christiane Vulpius getraut, nachdem sie achtzehn Jahre lang zusammengelebt hatten. Die Trauung fand fünf Tage nach der Schlacht von Jena statt. Die Kirche war voller Verwundeter und die Trauung musste in der Sakristei stattfinden. Vor der Kirche befindet sich das Grab Christianes auf dem heute nicht mehr benutzten Jakobsfriedhof. Weit entfernt von der Gruft ihres berühmten Mannes, der auch nicht an ihrer Beisetzung teilnahm.

Auf dem Friedhof vor dem Frauenplan steht die Goethe-Schiller-Gruft. Eine Allee mit schönen alten Bäumen führt zu der kuppelgekrönten Kapelle im klassizistischen Stil. Im Gruftgewölbe stehen die Sarkophage von Goethe, Schiller und Großherzog Karl August. Auf dem Friedhof wurden Goethes Angehörige begraben, auch Eckermann und Charlotte von Stein.

Der Park an der Ilm, ein herrlicher Landschaftsgarten, schuf Goethe gemeinsam mit Gärtner. Hier steht auch sein Gartenhaus – ein schlichtes Landhaus aus dem 17. Jahrhundert, das ihm der Herzog schenkte und in dem er seine glücklichste Zeit mit Christiane verbrachte. Hier schrieb er seine schönsten Liebes- und Naturgedichte. Im benachbarten Borkenhäuschen quartierte sich der Herzog ein. Für ihn entwarf Goethe das Römische Haus, das auf der Höhe des Westufers der Ilm steht.

In einem kleinen Haus an der Belvedere Allee wohnte von 1869 bis 1886 Friedrich Liszt. Eine Ausstellung erinnert an sein Wirken in Weimar. Wiederum ein kultureller Höhepunkt in der reichen Geschichte dieser Stadt.

Es ist der Gipfel des Zynismus, ausgerechnet in der Nähe von Weimar, dieser Stätte des Humanismus, eines der größten Konzentrationslager zu errichten, mit dem poetischen Namen „Buchenwald“. Es entstand 1937 auf dem Ettersberg. Unter den Lagerinsassen befanden sich Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid, Widerstandskämpfer aus allen Konfessionen und politischen Richtungen. Über 56.000 Menschen aus vielen Ländern fanden hier den Tod. Auf dem Gelände der Massengräber wurde eine Mahn- und Gedenkstätte errichtet. Im ehemaligen Lagergelände: ein Museum der Widerstandsgruppe, die sich am 11. April 1945 selbst befreite.

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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