Gute und Böse

Rainer Stankiewitz, Autor, Buchdrucker und Verleger ist wie viele in der heutigen Zeit im Taumel der Geschichte und versucht es schon lange mit der Wochenschrift Seelenstorm auf den Punkt zu bringen.

Hier die Ausgage Nr..90

Merkwürdige Stimmungsbilder neuerdings montags in Schwerin zwischen
Altem Garten und Siegessäule: Zwei Menschenhaufen, in finstere winterharte
Atemschwaden gehüllt, stehen sich anscheinend unversöhnlich gegenüber.
Noch ist nicht die finale Konsequenz wie in der Ostukraine eingetreten, doch
manchmal entwickeln sich die Dinge so rasant, dass einem der Atem stockt –
und schon wird geschossen. Warum will eine Gruppe Hüh und die andere Hott? Man muss wohl ein wenig ausholen. – Nach dem Ende des vielleicht doch gar zu leichtfertig aufgegebenen Versuchs, eine anständige Gesellschaft auf der Erde zu errichten, hat der alte Kapitalismus zähnefletschend mit seinen globalisierten Krakenarmen sichnun die Menschheit ganz gegriffen und
unter seine Knute gezwungen. Seine Schlachtrufe triefen nach wie vor
„Freiheit und Demokratie“. Diese Begriffe stecken in jeder Patrone, die den
Völkern des Globus in die Stirn geschossen wird. Sehen wir uns ruhig
die Wunden an, von den Werten der sogenannten freien Welt gerissen, allen
voran die USA: Eine völlig verarmte Weltbevölkerung barmt und hungert,
während ganz wenige Welt beherrscher auf einem Goldberg sitzen, dreimal
höher als die Zugspitze. Diese gierigen Raffer haben längst selbst
keinen Gott mehr – verhöhnen aber in erniedrigender Weise die Heiligen der
von ihnen Gedemütigten. Na, wenn das ein Vorbild ist! Wer will denn diese
Werte? Man fürchtet sich vor dem Abendland – ja, und man wappnet sich.
Mit Waffen aus dem Westen. Der verkauft den Tod egal an wen, Hauptsache
es klöttert in der Profit-Kasse. Und wir in Schwerin sind mittendrin, werden genötigt, jene zweifelhaften Werte edel zu finden. Vielleicht gelänge es sogar, wenn nicht diese Schneise der Verarmung durch unser Land geschlagen würde! Die Straße zum Schweriner Schloss mag sie versinnbildlichen: rechts die nichts mehr zu verlieren haben, links die alles gut finden wie es ist. Jedenfalls meint es so ein Bekannter ausgemacht zu haben, den ich an der Siegessäule treffe. „Da drüben“, sagt er und weist zum Alten Garten hin, „tummeln sich all die Gewinner, die kleineren und die größeren, all jene, die auf irgendeine Art profitieren vom System der Spaltung zwischen Arm und Reich. Es gibt hunderte Verbände und Institutionen rund um Regierung und Landtag, die sich – einschließlich letzterer mit nichts anderem beschäftigen als Leute wie mich zu verwalten. Die Arbeitslosen- und Hartz-4-Industrie wird immer fetter und wohlständiger.
All diese Leute sind deswegen heute hergekommen, damit es so bleibt.“ Mein
Bekannter begrüßt ein paar Hinzugekommene. Ich kenne die meisten von
Veranstaltungen gegen die Verarmungsstrategie, auf denen auch ich mich herumtreibe. Da fährt mein Bekannter fort:„Die Brettschneider kriegt 10 Tausend Euro pro Monat. Solange wie die schon Landtagspräsidentin ist, werden da sicher eineinhalb Millionen zusammen gekommen sein. Von ihr muss ich mir sagen lassen, ich sei ein Rechter. Höre doch, gerade spricht Herr Fröde vom DGB. Auch er verdient sein Geld durch meine Armut. Und was labern alle? Der Islam gehöre
zu Deutschland. Kann er ja – doch solange Achmed vier Ehefrauen nach Deutschland einschleppt und alle haben ein verbrieftes Recht auf
Krankenkasse, während meiner eigenen Frau das Leben zur Hölle gemacht wird, weil sie für den Kapitalismus unbrauchbar ist – solange gehört der Islam für mich nicht zu DeutschlandUnd nun weißt du, weshalb ich hier stehe und nicht dort, wo sich die Regierung sonnt.“ Ich verabschiede mich und schlendere
zum Alten Garten hinüber. Irgendwie fühle ich mich da wohler. Ich treffe
Heiko Lietz, auch die Bürgermeisterin sehe ich und rote Fahnen der Linken.
Immerzu denke ich an die Worte meines Bekannten. O je, da braut sich etwas zu -
sammen, mein lieber Scholli! Es werden ja immer mehr an der Siegessäule, auch
wenn die meisten nicht leiblich präsent sind, sondern sich vorerst nur durch
Wahlenthaltung bemerkbar machen. Was, wenn sich alle rühren, wenn sie ein
deutscher Alexis Tsipras ruft? Auf das Flüstern von Holter und Co., besonders
wenn sie sich umgehend für ein kritisches Wort entschuldigen, hört keiner
mehr, denn man spürt, es ist nicht ernst und schon gar nicht revolutionär
gemeint. Solange man unter sich bleiben und sich gehaltvoll nähren kann, mag es
gehen. – Wie kurzsichtig aber die „Eliten“ sind! Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis dem Volk der Kaffee zum Hals steht. Millionen erleben es schmerzhaft persönlich, wie der Sozialstaat mehr und mehr den Profitlaunen der Reichen geopfert wird. Erinnern wir uns nur an die Rangeleien nach dem Beitritt der DDR zur BRD, als behende und bar jeder Skrupel versucht wurde, in den Schoß der zwar unproduktiven, aber hochbezahlten Amtsund Regierungsburgen zu kriechen. Die es nicht schafften, stehen heute an der Siegessäule, auch weil sie ein Schicksal eint: Ihr Wunsch nach Arbeit ist obsolet. Sie mit der Nazikeule zu bekämpfen wird zunehmend fadenscheiniger und geht ganz be stimmt schief.
Wer hätte noch vor einem Jahr sich vorstellen können, dass Ukrainer so hasserfüllt aufeinander losgehen würden? Wer hätte gedacht, dass die globalisierten europäischen Polit- und Finanzgangster ein Volk wie das griechische so schnell so radikal der Verelendung preisgeben könnten? Und doch ist es geschehen. Was soll ich diesem Europa abgewinnen,das seine wehrlosen, vom System ausgespieenen Menschen schindet und schleift? Außer Verachtung und Zorn bleibt da nicht viel.Und wir Schweriner Deutschen mittendrin.
Gerade ist Deutschland dabei, seinen südeuropäischen Nachbarn den
Garaus zu machen. Denn wenn jene weder selbst noch etwas herstellen, noch
etwas kaufen können, wenn ihnen der Magen knurrt und die Wohnung zwangsversteigert ist und sie endlich beginnen, sich zu wehren, dann stehen die gauckschen Truppen bereit, Verantwortung zu übernehmen. Und wenn Griechenland und Spanien befriedet und in Schwerin die Siegessäule gesäubert ist, werden sie eben weitermarschieren. Ja, solange, bis für die einen wieder einmal alles in Scherben fällt – für die anderen ist dann der Goldberg siebenmal so hoch gewachsen wie die Zugspitze. Nein, so ein Europa will ich nicht und so
ein Deutschland auch nicht. Meinem Bekannten empfehle ich das Buch „Radek“ von Stefan Heym. Er soll lesen, wie mühsam Klassenkampf ist.

Bürgerreporter:in:

Norbert Höfs aus Schwerin (MV)

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