Das Königsschießen in Burgdorf aus der Sicht eines Betroffenen

So sehen Könige aus! Gero Mahnke und Thomas Becker, Burgdorfer Schützenkönige des Jahres 2004...
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  • hochgeladen von Matthias Mollenhauer

Burgdorf, Schützenfest-Freitag, 12 Uhr! Die noch amtierenden Schützenkönige des Vorjahres sind direkt vom Königsessen aus dem Festzelt in das nahe gelegene Schützenheim geeilt, um traditionell den Wettbewerb um das Königsschießen zu eröffnen. Noch ist alles ruhig im Schützenheim. Man könnte sagen: Die Ruhe vor dem Sturm! Nach und nach trudeln die ersten "Germanen" und "Spielmöpse" ein, die ebenfalls am Schießen teilnehmen möchten. Wegen des Kinderumzuges um 14.30 Uhr, an dem die Mitglieder dieser Korporationen aktiv beteiligt sind, werden diese bevorzugt auf den Schießstand gelassen. Die "Junggesellen" und die älteren Mitglieder der Schießsportabteilung, der Marinekameradschaft und sonstige schießwillige männliche Zeitgenossen müssen sich etwas gedulden...

An dieser Stelle ein erster kleiner Exkurs: Teilnahmeberechtigt sind alle männlichen Burgdorfer, die am morgendlichen Festumzug in voller Länge teilgenommen haben und entweder im Besitz eines Schießbuches sind, oder sich am Morgen beim Schießsportleiter im Rathaus zum Schießen angemeldet haben. Und es gibt 2 Schützenkönige in Burgdorf: Den Auflage- und den Freihand-König!

Mittlerweile ist es vielleicht 13 Uhr. Die Zahl der Anwesenden im Schützenheim steigt beständig. Erste Gerüchte über mögliche Schützenkönige machen die Runde. Wieder sollen es nur "Schwarze" sein! Vielleicht auch ein "Spielmops"!

Exkurs Nummer 2: Die Burgdorfer Schützengesellschaft von 1593 e.V. unterteilt sich in verschiedene Korporationen. Das sind quasi Vereine im Verein. Jede Korporation hat seine eigene Uniformordnung: Die "Junggesellen" und die "Germanen" tragen schwarze Anzüge, die Mitglieder der Schießsportabteilung grün. Dann gibt es noch die Mitglieder des Spielmannszuges, die "Spielmöpse" und die Mitglieder der Schießsportabteilung der Marinekameradschaft, die "Blauen Jungs". Jedes Jahr entsteht ein Wettbewerb, ob die "Grünen" oder die "Schwarzen" die Könige stellen, wobei in den letzten Jahren nicht zuletzt auch aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit die "Schwarzen" deutlich Oberwasser hatten. Richtig kompliziert wurde es aber z.B. im Jahr 2004: 2 Spielmöpse wurden König! (Und da legen diese gesteigerten Wert drauf!!!) Da beide aber auch Mitglieder des Junggesellencorps sind, erhoben auch diese "Ansprüche" auf ihre Könige. Von der Anzugsordnung her einigte man sich dann auf "Halbe-Halbe". Ein König ging als Spielmops, einer als Junggeselle. Klingt irgendwie blöd, ist für die Vereinsmitglieder aufgrund der teilweise jahrhundertealten Traditionen aber enorm wichtig!

14 Uhr! Neue Gerüchte! Ein "Grüner" wird Doppelkönig, hat auf beiden Scheiben (Auflage und Freihand) jeweils eine "10"! Das wäre der Hammer! Hat es ja schließlich seit mehr als 50 Jahren nicht mehr gegeben! Doch halt: Falscher Alarm! Oder nein? Oder doch? Die Situation ist verworren! Sicher scheint so viel: Die "Schwarzen" haben wieder einige heiße Eisen im Feuer, ein "Spielmops" scheint ganz gut geschossen zu haben, und die "Grünen" würden ganz gerne mal wieder einen König stellen!

Inzwischen ist es kurz nach 15 Uhr. Jetzt geht nichts mehr! Noch einige wenige Schützen versuchen ihr Glück (oder Können) im Schießstand. Plötzlich ein wahrer Aufschrei vor der Fensterscheibe zum Schießstand. Da hat doch tatsächlich noch einer eine "10" geschossen! Die reicht, um den bislang als Führenden gehandelten Schützenbruder auf den 2.Platz zu verweisen! Nein, sie reicht nicht! Wilde Diskussionen entbrennen. Ungeachtet aller Diskussionen schleicht mittlerweile auch Oberschießsportleiter Urs-Uwe Simanowsky durch das Schützenheim, verteilt "vielsagende" Blicke, die Alles und Nichts aussagen. Manch einen Schützenbruder fragt er heimlich: "Wenn Deine "10" gewinnen sollte, würdest Du die Königswürde annehmen?" Für den Betroffenen kurzfristig die Hölle. (So gut war meine "10" doch gar nicht?! Oder haben die anderen so schlecht geschossen? Sollte ich es tatsächlich doch geworden sein? Nein! Geht doch gar nicht! Oder doch?") Übrigens noch so eine Besonderheit von Burgdorf, kommt aber fast gar nicht vor: Man geht Schießen und kann im Falle des Sieges die Königswürde trotzdem ablehnen! Hat's aber schon gegeben! Die Stimmung im Schützenheim erreicht mittlerweile den Siedepunkt: "Ein Grüner! Ein Grüner!" tönt es aus einer Ecke. "Nur Schwarze! Nur Schwarze!" schallt es sofort als Antwort durch die Gaststätte.

Es ist 16 Uhr! Oberschießsportleiter Urs-Uwe Simanowsky schnappt sich ein Mikrofon! "Liebe Schützenschwestern! Liebe Schützenbrüder! Meine lieben Freunde! Die Majestäten des Jahres 2008 stehen fest: Schützenkönig Auflage ist ...!" Ohrenbetäubender Jubel! "Schützenkönig Freihand ist ...!" Weiter ohrenbetäubender Jubel! Nur "Schwarze", nur "Grüne", ein "Spielmops"? Wir werden sehen! Allen Beteiligten jeweils ein "Gut Schuss!"

Bürgerreporter:in:

Matthias Mollenhauer aus Burgdorf

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