Alte Kameras reanimieren

Rolleiflex SL35
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Wie man alte Kameras ohne Quecksilber-Batterien betreiben kann

Vielleicht hat der eine oder die andere von Euch ja noch ein altes Kameraschätzchen aus den 60er-80er Jahren des letzten Jahrhunderts im Schrank liegen und möchte das mal wieder reaktivieren. Das Problem: Für die Stromversorgung brauchen viele von diesen Kameras (die Canon AE-1 gehört z.B. dazu, die Rolleiflex SL35, Topcon Uni, diverse Yashicas und viele viele andere, auch externe Belichtungsmesser) eine Knopfzelle vom Typ PX625. Der Vorteil dieser Zellen: Sie halten fast ewig, und sie geben über die gesamte Lebensdauer gleichmäßig die Nennspannung von 1.35 V ab. Wenn sie leer sind, geht auch der Belichtungsmesser nicht mehr, klare Ansage. Der gravierende Nachteil: Diese Batterien enthalten Quecksilber, ein hochgiftiges Zeugs, und wurden deshalb schon vor Jahren seitens der EU verboten. Dass auch Energiesparlampen, besonders ältere, Quecksilber enthalten, scheint nicht so zu stören, aber das will ich hier nicht vertiefen.
Was also machen wir mit den alten Schätzchen? Wir haben verschiedene Möglichkeiten:

  1. In China und in Russland werden angeblich noch Quecksilberoxid-Zink-Batterien, so die offizielle Bezeichnung, hergestellt. Aber: Der Import nach Deutschland ist verboten, und zumindest die Batterien aus China stehen in der Szene in dem Ruf, nicht sehr zuverlässig zu sein. Über die aus russischer Fertigung weiß ich nichts, aber die sind für mich auch kein Thema (s.o.).
  2. Eine Alkaline-Knopfzelle aus dem Hörgeräte-Bereich einsetzen. Die gibt es sogar in passendem Durchmesser, die haben aber zwei gravierenden Nachteile:
    • Sie haben eine Nennspannung von 1.5 V, was zunächst zu einer signifikanten Fehlmessung des BeLi führt. Nun, das könnte man kompensieren, wenn nicht …
    • … im Gegensatz zu den Quecksilberbatterien die Nennspannung der Zelle im Betrieb kontinuierlich abfiele. Will heißen: Nur im mittleren Lebensbereich der Batterie haben wir die korrekte Spannung von 1.35 V, danach fällt sie immer weiter ab und führt wiederum zu Fehlmessungen. Alkaline-Zellen sind also weniger geeignet für unsere Zwecke.
  3. Umbau der Kamera auf eine Spannung von 1.5 V. Nachteil: Ist teuer und behebt nicht das generelle Problem des kontinuierlichen Spannungsabfalls.
  4. Beschaffung eines Adapters, der die Spannung regelt. Nachteile: Teuer (so um die 25 €) und regelt zwar die 1.5 V zuverlässig auf 1.35 V, aber wenn die Spannung unter 1.35 V fällt, hat sich das mit der Regelung erledigt. Auch nicht wirklich geeignet.
  5. Verwendung einer Zink-Luft-Batterie (ZA 675 z.B.), wieder aus dem Hörgeräte-Bereich. Diese Art Batterien gibt, genau wie die Quecksilber-Batterie, über die gesamte Lebensdauer die Nennspannung von 1.4 V ab. Aha? Das ist doch das, was wir wollen … Mit den 1.4 V können wir leben. Also nur Vorteile? Nein, auch Nachteile: Sobald die Batterie aktiviert wird (mehr dazu weiter unten), gibt sie permanent Strom ab, auch wenn eigentlich keiner benötigt wird, z.B. weil die Kamera unbenutzt im Schrank liegt. Das führt dazu, dass die Lebensdauer signifikant niedriger ist als die von Quecksilberbatterien, wir reden hier über ein paar Monate. Dann ist Schluss mit lustig. Aber die sind nicht so teuer, also könnte man auch damit leben. Zweiter Nachteil: Sie sind kleiner als das Original, passen also nicht so ohne weiteres in das Batteriefach.
  6. Die sog. Wein Cell. Dies ist ebenfalls eine Zink-Luft-Batterie, die etwas modifiziert wurde und dadurch eine etwas höhere Lebensdauer hat als eine normale ZA-Batterie. Es wird von ca. einem halben Jahr gesprochen. Vorteile: Konstante Spannungsabgabe, korrekter Durchmesser, passt also in das Batteriefach. Nachteil: Sehr teuer, knapp unter 10 €/Stück.

So. Das alles im Kopf, erscheint zunächst die ZA 675 (Punkt 5) für einen Versuch geeignet. Die gibt es im 6er-Pack beim Hörgeräte-Akustiker oder im Elektronik-Fachhandel, bei dem mit dem großen C im Logo z.B. kostet das 6er-Pack 5.50 €. Jetzt haben wir das Problem mit der Passung. Wie oben angedeutet, ist sie kleiner im Durchmesser als die PX625. Das bekommen wir folgendermaßen geregelt:
Wir suchen in unserer Elektrokiste nach einem Kabel mit einem Außendurchmesser von ca. 2.2-2.3 mm; ein AWM 1015 wäre da ideal. Davon schneiden wir ein 41 mm langes Stück ab und pfriemeln dieses in das Batteriefach, so dass es an der Außenwand anliegt. Wir achten natürlich darauf, dass nirgendwo ein blankes Stück Draht herausschaut, sonst produzieren wir einen Kurzschluss. Das wäre jetzt zwar nicht gefährlich, aber die Batterie wäre sofort hin. Jetzt können wir die Batterie einsetzen. Bevor wir das machen, noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu der ZA-Technologie. Grob gesagt, wird in diesen Batterien „Zinkmetall mit Luftsauerstoff in einem alkalischen Elektrolyten zum Oxid oder Hydroxid oxidiert und die dabei freiwerdende Energie elektrochemisch genutzt“ (Wikipedia), will heißen, wenn das Innere der Batterie mit Sauerstoff in Berührung kommt, legt sie mit der Stromproduktion los. Deshalb haben diese Batterien, meist auf dem Pluspol, ein mikroskopisch kleines Löchlein, das zunächst mit einer Klebefolie verschlossen ist. Wenn wir die Batterie benutzen wollen, entfernen wir zunächst die Folie, setzen die Batterie in das Batteriefach (Polung beachten!) und warten 1-2 Minuten. Wir können in der Zwischenzeit schon mal einen Film einlegen, und wenn wir damit fertig sind, ist auch die Batterie bereit.
Das funktioniert bei den meisten Kameras, die als Kontakt den Batteriefachdeckel nutzen. Es gibt allerdings einige, so z.B. die Topcon Uni und die Yashica Mat 124G, die einen Batteriekontakt am Rand des Batteriefaches haben. Da müssen wir dann mit einem unisolierten Kabel arbeiten, um den Kontakt herzustellen, aber damit habe noch ich keine Erfahrung. Das muss ich demnächst mal bei meiner Topcon probieren, die ich auch demnächst mal vorstellen muss .
In der oben beschriebenen Form mit dem isolierten Kabel funktioniert das hervorragend bei meiner Rolleiflex SL35.
Ein Tipp noch zum Schluss: Wenn die Kamera nicht benutzt wird, kann man mal versuchen, die Batterie herauszunehmen und den Pluspol wieder zuzukleben, entweder mit der Originalfolie oder einem Stück Tesafilm. Das soll die Lebensdauer verlängern, ist aber von mir noch nicht getestet. ;-)
So, und nun viel Spaß mit Euren alten Analog-Knipsen!

Bürgerreporter:in:

Detlev Müller aus Burgdorf

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