Neunte Heidelibellenart für den Bereich Nordrhein – Westfalen entdeckt: Die Südliche Heidelibelle (Sympetrum meridionale)

Ein außergewöhnlicher Fund: Die Südliche Heidelibelle.
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  • Ein außergewöhnlicher Fund: Die Südliche Heidelibelle.
  • hochgeladen von H. - Willi Wünsch

Es gibt Geschichten, bei denen man, will man sie erzählen, oft nicht weiß, wo man anfangen soll.
Diese Geschichte begann mit einem Telefonanruf eines Schmetterlingsexperten.

Da immer mehr User meine Berichte lesen, möchte ich hier, zum besseren Verständnis ein wenig weiter ausschweifen:

Wir „Waldschrate“, sprich meine Lebensgefährtin Heide und ich, sind nicht zuletzt ob unserer Entdeckungen im Bereich der Entomologie seit geraumer Zeit kein unbeschriebenes Blatt.
Publikationen über unsere außergewöhnlichen Funde auf verschiedenste Art und Weise bleiben in Fachkreisen nicht lange unbeachtet. Die daraus resultierenden Einladungen zu Tagungen von Experten auf dem Gebiet der Insektenkunde werden sehr gerne von uns wahrgenommen. Diese Veranstaltungen dienen in erster Linie der Weiterbildung und dem Erfahrungsaustausch.

Diese „Fachsimpelei“ hat den angenehmen Nebeneffekt, unter uns Gleichgesinnten Adressen und Telefonnummern auszutauschen, um gegebenenfalls etwaige Beobachtungen unmittelbar weiter zu geben.

So bekamen wir im Juli dieses Jahres einen Anruf von dem schon erwähnten Lepidopterologen (Schmetterlingskundler) mit sinngemäß folgendem Inhalt:

„Ich war gestern auf Exkursion in der Nähe von Dülmen, suchte einen bestimmten Falter, hab´ ihn jedoch nicht gefunden. Dafür jede Menge Libellen. Ich kenne mich bei den Tieren nicht so gut aus, habe auch keine Fotos gemacht, doch die sahen so aus wie Sumpf – Heidelibellen. Ihr könnt das jetzt glauben oder nicht, die fliegen da zu Hunderten!“

Wir waren tatsächlich ziemlich ungläubig. Aus folgenden Gründen: Erstens hatten wir noch nie eine Sumpf – Heidelibelle auf deutschem Boden gesehen und zweitens kommt die Art meist nur vereinzelt vor. Nachdem das Gespräch recht überzeugend endete, fassten wir den Entschluss, uns am kommenden Samstag dort zu treffen.

Am Ziel angekommen stellten wir fest: „Der Mann hat Recht!“ Da flogen an einer Fischzuchtanlage tatsächlich mehrere hundert Sumpf – Heidelibellen (wiss. Sympetrum depressiusculum). Kaum zu glauben – aber wahr.

Auch die Libellen - Laien wissen, dass die verschiedenen Arten von Heidelibellen sehr schwer in der Natur anzusprechen, d.h. zu bestimmen sind. An diesem Ort wurden auch wir an die Grenzen unserer Beobachtungsgabe geführt. Unter die bereits angesprochene Art mischten sich noch die Blutrote, die Große und die Gemeine Heidelibelle.

Bei der Arbeit, eben diese verschiedenen Arten zu dokumentieren bzw. die Individuenzahl annähernd zu erfassen, entdeckte ich im nassen Gras ein Libellenmännchen, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte. Das war die fünfte Heidelibellenart an diesen Gewässern.

Sollte das etwa eine „Südliche Heidelibelle“ sein? Die Kamera sofort schussbereit, lotste ich Heide über Funk zum Fundort. Es gelang uns, einige Fotos von der Seite und in der Draufsicht zu machen, bevor das Tier in gen Himmel entschwand. Unsere Kamera – Displays betrachtend, wurden wir den Verdacht nicht los, dass wir hier tatsächlich eine neue, scheinbar mediterrane Art in NRW entdeckt hatten.

Die „Manöverkritik“, das Auswerten der Bilder zu Hause am Rechner, gestaltete sich schwierig. Die Bilder in unseren Bestimmungsbüchern hielten einem direkten Vergleich nicht stand und selbst die Internetenzyklopädie „Wikipedia“ konnte kein Foto vorweisen. Da wir selbst noch nie ein solches Tier in freier Wildbahn gesehen hatten, beschlossen wir, unsere Bilder einem uns befreundeten Experten - einem der besten Libellenspezialisten überhaupt - zur Bestimmung vorzulegen. Dieser bestätigte dann nach einiger Zeit zweifelsfrei den Fund und somit die Existenz der „Südlichen Heidelibelle“ (wiss. Sympetrum meridionale) in unserem Bundesland. Nun war es offiziell.

Seit diesem Tag im Juli 2010 wissen wir, dass es in unserer Heimat neun verschiedenen Arten von Heidelibellen gibt. Mehr geht nicht!

Ob die Art nun aus den Mittelmeerländern eingeflogen oder gar bodenständig, also sich hier reproduzierend ist, versuchen wir im nächsten Sommer zu erforschen.
Bisher war einigen Experten bekannt, dass die Mittelmeerart „Südliche Heidelibelle“ in heißen Sommern als sogenannter Vermehrungsgast hin und wieder im Süden Bayerns gesehen wurde. Unser Fund im Norden Nordrhein – Westfalens, im zentralen Münsterland ist ein absolutes Novum. Der nördlichste Fundort dieser Art kann als ein Indikator der globalen Klimaerwärmung betrachtet werden.

Resümee: Nach der Entdeckung der Frühen Heidelibelle (wiss. Sympetrum fonscolombii), erster Nachweis in 2008 seit 1925, der Südlichen Binsenjungfer (wiss. Lestes barbarus) erster Nachweis im Sommer 2009 und des Südlichen Blaupfeils (wiss. Orthetrum brunneum) erster Nachweis im Sommer 2009, haben wir nun die vierte südeuropäische Art in Nordrhein – Westfalen dokumentieren können. Die „Waldschrate“ hatten mit einer Portion Glück und ihrem attestierten „außergewöhnlichen Suchinstinkt“ wieder einmal zugeschlagen.

Artbeschreibung:

Die Männchen der Südlichen Heidelibelle sind braun und besitzen auf dem achten und neunten Segment zwei kleine, schwarze, dreieckige Zeichnungen. Die Länge des Hinterleibs beträgt zwischen 24 und 25 Millimeter. Die Flügel sind durchsichtig und das Flügelmal ist bei Jungtieren dunkelgrau. Es färbt sich aber mit dem Alter hellrot mit einer schwarzen Umrandung. Die Beine weisen nach außen hin in einem hellen, braunen Farbton auf. An ihrer Innenseite sind sie hingegen schwarz. Die bei anderen Heidelibellen vorhandenen dunklen Nahtlinien an der Brustseite fehlen fast komplett und sind nur andeutungsweise zu erkennen.
Das Tier kann mit anderen Arten der Gattung wie mit der Großen Heidelibelle (Sympetrum striolatum) verwechselt werden, unterscheidet sich aber von dieser durch die am Brustabschnitt fehlenden Streifen. Da Einzelexemplare der Südlichen Heidelibelle sich unter die zahllosen Individuen anderer Heidelibellenarten mischen, „verschwinden“ sie hierbei meist in der Menge und sind somit nur schwer zu identifizieren.

Das „Team Waldschrat“ bedankt sich an dieser Stelle für Eure geschätzte Aufmerksamkeit und Eure netten Kommentare zu diesem Bericht.

Weitere Informationen und Dokumente über die Welt der Kleinlebewesen direkt vor unserer Haustür können unter http://waldschrat-online.de/index.html abgerufen werden.

Herzliche Grüße,
Willi

Bürgerreporter:in:

H. - Willi Wünsch aus Bergheim

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