Stolberg im Tal der Thyra – Ein idyllisches Fachwerkstädtchen im Unterharz

Viel Fachwerk und viel Natur drumherum. Eine schöne Kombination.
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  • Viel Fachwerk und viel Natur drumherum. Eine schöne Kombination.
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Viele Menschen kennen die eindrucksvollen und bekannten Fachwerkstädte am Rand des Harzes. Vor allem sind es Quedlinburg, Goslar und Wernigerode, die die Touristen von überall her anlocken. Aber es gibt noch ein viertes sehenswertes Fachwerkidyll, das sich etwas in den Bergen des Harzes versteckt und das viele Harzbesucher nicht kennen. Das ist der kleine Ort Stolberg im Unterharz, gut 10 Kilometer nordöstlich von Nordhausen gelegen. Er schmiegt sich eng in das Tal der kleinen Flüsschen Thyra und Lude, die durch den romantischen Ort plätschern. Und ein solcher ist es wirklich. Wenn man durch die schmalen Gassen schlendert und zu den mittelalterlich wirkenden Fassaden hinauf schaut, auch wenn die meisten Häuser erst nach diesem entstanden sind, dann fühlt man sich um Jahrhunderte zurück versetzt. In eine Zeit, in der Langsamkeit und Entschleunigung, die aber andererseits mit viel Arbeit und langen Arbeitszeiten verbunden war.

Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Einwohner Stolbergs arm, konnten sich keine neuen Häuser leisten und bauen. So wurde, wie in manch anderer Stadt auch, die alte Fachwerkbausubstanz erhalten. Und zu DDR-Zeiten, in denen es noch mehr Baufrevel gab als in der Bundesrepublik, wurde der Ort Gott sei Dank unter Denkmalschutz gestellt. Damit konnte das alte Stadtbild, wenn auch in teilweise marodem Zustand, erhalten bleiben. Heute jedoch zeigt sich Stolberg wieder von seiner schönsten Seite. Sicher schöner als es in historischen Zeiten je gewesen war.

Schlendert man zwischen den Fachwerkfassaden die lange Niedergasse herauf, dann sieht man irgendwann zur Rechten ein großes, imposantes Gebäude mit vielen Fenstern, viel Fachwerkgebälk und einem in dessen Mitte vorgesetzten turmartigen Erkers. Das ist die „Alte Münze“, in der das Heimatmuseum untergebracht ist. Vor fast einem halben Jahrtausend, im Jahr 1535, hat es der damalige Bürger- und Münzmeister Kilian Keßler errichten lassen. Heute ist darin das Heimatmuseum untergebracht.
Weiter die Straße hinauf erreicht man den Seigerturm, durch dessen Toröffnung man in den dahinter liegenden Stadtbereich gelangt. Sogleich steht man vor dem leicht geschwungenen, der Straßenführung angepassten Rathaus, das 1454 erbaut wurde. Es hat eine Kuriosität zu bieten, hat es doch im Inneren keine Treppe. Die oberen Etagen erreicht man über eine Außentreppe, die zur St. Martini Kirche hinauf führt.

Vor dem Rathaus steht ein Denkmal von Thomas Müntzer, einem der Anführer der Bauernkriege, die vor einem halben Jahrtausend auf deutschsprachigem Boden ausgebrochen waren. Er ist der berühmteste Sohn der Stadt, wurde er doch in Stolberg geboren. Das Bronzebildnis zeigt Martin Luther im Vordergrund, Thomas Müntzer im Hintergrund. Anscheinend wie er zur Hinrichtung geführt wird. Zunächst bewunderte Müntzer, der Theologe im nahen Mühlhausen war, Luther, der sich gegen die Obrigkeit auflehnte. Doch im Gegensatz zu Luther, der eine friedliche Revolution wollte, setzte er auf Gewalt. Und er konnte nur unterliegen, war der Gegner doch viel zu stark. So wurde er 1525 gefangen genommen, gefoltert, vor der Öffentlichkeit enthauptet, und sein Leichnam wurde aufgespießt. Die Zeit war noch lange nicht reif für eine solche Revolution.

Über die genannte Außentreppe und einen Weg gelangt man zum weißverputzten Schloss hinauf, das auf einem Bergsporn steht. Darin residierten von 1201 bis 1945 die Grafen zu Stolberg. Aber die Siedlung war schon zwei Jahrhunderte früher entstanden. Um das Jahr 1000 wurde auf dem erzhaltigen Boden Bergbau betrieben. Eisen und Kupfer, Silber und Gold wurden gefördert. Immerhin bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hin. Erst um diese Zeit begann die große Bergbautradition im Oberharz. In Goslar allerdings schon vor 3000 Jahren.

Von der Höhe des Schlosses hat man einen guten Blick über Stolberg mit seinen engen Gassen und den roten Ziegeldächern. Noch eindrucksvoller ist die Aussicht jedoch, wenn man vom Seigerturm aus durch die Stubengasse geht, die Thyra überquert und den kleinen Pfad Richtung Lutherbuche hinauf steigt. Von dort oben liegt einem der ganze Ort zu Füßen, wie er sich malerisch in das enge Tal schmiegt. Es ist ein reizvoller Anblick. Besonders fällt aus der Höhe das große Fachwerkhaus der Alten Münze auf.

Ein anderes eindrucksvolles Fachwerkgebäude, das in der Rittergasse steht, ist dagegen sehr klein, aber trotzdem sehenswert, fällt es doch mit seinem urig wirkendem Gebälk und den Butzenscheibenfenstern aus dem Rahmen. Um 1450 herum wurde es erbaut. Es war das Haus mehrerer Handwerkergenerationen. Zinngießer, Töpfer und Schumacher haben darin einst gelebt. Nun ist es zu einem Museum geworden, das Einrichtungen wie Möbel und Haushaltsgegenstände aus dem 16. Jahrhundert zeigt. Ein anderes sehenswertes Fachwerkhaus ist dann wieder groß und prunkvoll und wohl eines der meistfotografierten Häuser Stolbergs. Es ist das „Gasthaus Kupfer“ am Markt, das auf eine 450 Jahre alte Tradition zurückblicken kann. Auch im Inneren hat es das Flair der vergangenen Jahrhunderte erhalten. Auf dem Speiseplan stehen Wild-, Fisch- und Geflügelspezialitäten.

Nach einem ausgiebigen Bummel durch diesen schönen Fachwerkort, wenden wir uns nun einem anderen Ziel zu, das jeder Unterharzkenner sofort mit Stolberg in Verbindung bringt. Das ist das nur ein paar Kilometer entfernte Josephskreuz, ein eindrucksvoller Aussichtspunkt auf dem mit 580 Metern höchsten Berg des Unterharzes. Auf dessen Höhe, der Josephshöhe, steht ein ungewöhnliches Bauwerk. Dabei handelt es sich um einen 38 Meter hohen Aussichtsturm in Form eines Doppelkreuzes, das von allen Seiten als Kreuz erkannt werden kann und das weltweit in dieser Form nicht seinesgleichen hat. Erbaut wurde es zunächst als Fachwerk-Holzkonstruktion im Jahr 1834 von dem berühmten berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel. Es sollte allerdings nicht allzu lange stehen, schlug doch ein Blitz ein, so dass es vollkommen abbrannte. 1896 wurde jedoch ein neues Kreuz in derselben Form erbaut, dieses Mal jedoch als Stahlfachwerkkonstruktion, nach dem Vorbild des Pariser Eifelturms. 100.000 Stahlstifte wurden darin vernietet. Und nun wurde das Kreuz auch mit einer Treppe ausgestattet, so dass es als Aussichtsturm Verwendung finden konnte.

Und ein Aufstieg über die immerhin 200 Treppenstufen durch die eindrucksvolle Stahlkonstruktion lohnt sich. Von dort oben aus großer Höhe kann man nicht nur den gesamten Unterharz bis zum Brocken hin überblicken, sondern sieht die Türme des Magdeburger Doms, den Kyffhäuser und weiter hinten die Höhenzüge des Thüringer Waldes mit dem großen Inselberg. Gerade jetzt im Herbst sind es auch die Mischwälder, die sich über Berge und Täler ausbreiten, sich in warmen, bunten Farben zeigen und besonders reizvoll sind. Aber zu sehen sind dazwischen auch die Fichtenbestände, die ebenfalls, wie besonders im westlicheren Harz, unter den Borkenkäfern leiden. Ganze Bereiche wurden schon abgeholzt, andere sind kahl und tot. Insgesamt aber hat der Unterharz durch seine großflächigen Laubwälder sein natürliches Aussehen behalten.

Mit diesem eindrucksvollen Aussichtspunkt verabschieden wir uns von dieser schönen Landschaft. Nicht nur der Hochharz mit dem Brocken und der Oberharz mit seinen Bergwerksorten haben einiges zu bieten, sondern erst recht der Unterharz. Mit dem Bodetal, der Teufelsmauer und anderen Sehenswürdigkeiten, ist er besonders interessant für viele attraktive Ausflugsziele. Und der schöne Fachwerkort Stolberg ist ein Höhepunkt davon und unbedingt besuchenswert.

Noch mehr Ausflugstipps für den Harz: Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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