Das Glockenfest zu Bad Bibra

Die alte Glocke "Familie" | Foto: vgem.finne
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Wir schreiben das Jahr 1492 und befinden uns im Heiligen Römischen Reich deutscher Sprache.
Die Asseburg bei Wolfenbüttel wird vor der Eroberung durch Herzog Heinrich den Älteren von Braunschweig durch den Rat der Stadt Braunschweig abgebrannt.
Der als Meteorit von Ensisheim bekannt gewordene Himmelskörper stürzt in ein Weizenfeld zwischen Ensisheim und Battenheim im Elsass und setzt es in Brand.
Christopher Kolumbus sticht in See und entdeckt Amerika und in der kleinen Ackerbaugemeide Biebra ist der Bau eines neuen Kirchturm, der kurz nach seiner Fertigstellung ein Dreiergeläut fein aufeinander abgestimmter Glocken erhält, vollendet. Die Kirche wird nach Maria aus Magdala, fortan Stiftskirche Maria Magdalena heißen. Die evangelische Kirche ist noch fern, Martin Luther wird erst 200 Jahre später geboren, sodass die katholische Kirche erst einmal das Leben und Sterben der gläubigen Menschen begleitet. Der Bau eines Mittelschiffs und einer Sakristei, der Ende des 14.Jahrhunderts beginnt, bleibt vorerst unvollendet. Die Jahrhunderte nagen an den Kirchenmauern. Schließlich muss die Kirche abgetragen werden und wird in Jahr 1867 neu und dieses Mal vollendet errichtet und feierlich wieder eröffnet. Den Turm kümmern die Querelen um das Kirchenschiff nicht. Er bleibt mit seinem Dreiergeläut stehen - fest und unerschütterlich.

In den Wirren der Kriege
Die Wirren des ersten Weltkrieges nehmen die erste Glocke für Kriegszwecke vom Turm. Im zweiten Krieg folgt die zweite Glocke. Es ist still geworden im Finnestädtchen. Die verbliebene Glocke verrichtet ihren Dienst zu Gottesdiensten und Beerdigungen. Sie schallt grummelnd durchs Städtchen, so, als suche sie ihre Klangschwestern, die sich im fernen Hamburg auf dem Glockenfriedhof befindet oder als Eisenlieferant für eine Kanone diente – keiner weiß es. So bleibt es die lange in der Nachkriegs- und anschließende DDR-Zeit, die Glocke tut monoton ihren Dienst und jeder wünscht sich den Klang des Dreiergeläutes – obwohl es die wenigsten Bibraer nicht mehr kennen können.

Ehre sei Gott in der Höhe
Schließlich verstummt auch die letzte der Glocken. Ein Riss mitten durch ihren Körper verordnet eine Zwangspause und sagte: „Du darfst nicht mehr läuten! Du musst zur Reparatur!“ Jahrelange Stille war die Folge und das Sammeln von Geldern für die Glocke. Doch das Geld kam nicht zusammen bis Pfarrer Lattorf im Jahre der Wende den finanzstarken Auswanderer und Sohn der Stadt, Herr Joachim Haedrich, im fernen Amerika darauf aufmerksam machte. Big John, wie er liebevoll drüben genannt wird, zögerte nicht lange und stiftete nicht nur das Geld zur Reparatur der verstummten Glocke, sonder auch das Geld für seine beiden Schwester, die wieder im alten Dreiergeläut die Menschen zum Dienste rufen sollen. Herr Joachim Haedrich stiftete also die Glocken. Die Freude der Menschen war groß und viele fühlten ihren Wunsch, die Glocken nochmals in all ihrer Pracht zu hören, erfüllt. Und so fand im Jahre 2000 ein Glockenfest zur Weihe des neuen Dreiergeläuts und zur Ehre des HERRN statt. Die alte Läuteordnung vor 1914, die besagt, dass die Glocken nicht nur zu Gottesdiensten und Beerdigungen, sondern auch werktags 7.00 Uhr, 12.00 Uhr und 18.00 Uhr zu hören sind, wurde wieder eingeführt. Das ist eine Tatsache, die bis auf den heutigen Tag ihren Bestand hat.

copyright©2011 by Andreas A.F. Tröbs

Bürgerreporter:in:

Andreas Tröbs aus Bad Bibra

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