Ein positives Zeichen setzen

Thema Integration: Jugendliche unterschiedlicher Herkunft tauschen sich aus.
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Jugendliche unterschiedlicher Herkunft und mit verschiedenen Kulturen und Religionen tauschen sich über Integration aus

Wie ist es, nach monatelanger Flucht plötzlich in einem fremden Land zu sein – ohne Eltern und ohne Geschwister. Oft sind es Minderjährige, die in Augsburg Zuflucht suchen und in den Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Hochzoll liebevoll aufgenommen und integriert werden. Wie ihre Erfahrungen sind – im religiösen Miteinander der verschiedenen Kulturen und wie ihre Erfahrungen in Bezug auf eine Ausbildung und den Beruf – darüber diskutierten sie gemeinsam mit einer Lehrerin, einer Doktorandin, einem Studenten und einem Schüler in einer gemeinsamen Runde.

Initiiert und organisiert wurde der Abend bei der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Hochzoll von Gottfried Morath, einem Vorstand des Vereins „7x Sieben – gemeinsam stark für Kinder e.V.“. Schon seit langem besteht die Patenschaft mit dem Kinderheim in Hochzoll. „Ziel des Gesprächs war, mit einem respektvollen Gespräch ein positives Zeichen für die Jugendlichen selbst und für die Erwachsenen in der Friedensstadt Augsburg zu setzen. Diese Erwartung haben die Jugendlichen bestens erfüllt“, so Morath.

Vorbildlich moderiert wurde die Gesprächsrunde von der 26-jährigen muslimischen Lehrerin Parboni Rahman, die hier geboren ist und deren Eltern aus Bangladesh kommen. Und das Interesse war groß. Rund 30 interessierte Jugendliche und Erwachsene kamen in die Räume der Karwendelstraße 7 und diskutierten am Schluss der Veranstaltung fleißig mit.

Das Publikum war sehr fasziniert über die Geschichten von zwei Flüchtlingen, die nach ihrer Flucht im Kinderheim Hochzoll einen Platz gefunden haben und dort in Wohngruppen leben konnten. Sie haben beide ihren Weg gefunden und fühlen sich nun wohl in Augsburg. Jwad Ahmadi kam 2009 als Minderjähriger aus Afghanistan nach Deutschland. Sechs Monate lang war er mit seinem älteren Bruder auf der Flucht. Der heute 22-Jährige arbeitet seit Mai 2016 als Taxifahrer und hat seit eineinhalb Jahren in Hochzoll-Mitte eine eigene Wohnung.

Auch Rohullah Shafi kam als Minderjähriger aus Afghanistan unbegleitet nach Augsburg und fand im Kinderheim sein Zuhause. Der 21-Jährige hat nach dem Qualifizierten Abschluss eine Ausbildung als Kaufmann gemacht und es geschafft, als IHK-geprüfter Kaufmann inzwischen eine Abteilung in einem großen Möbelhaus in Friedberg zu leiten. Er hat immer auf die Unterstützung von Ulrich Lorenz, dem Gesamtleiter der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, zählen können, das hat ihn stark gemacht. Er sagt: „Wenn man Hilfe bekommt und viel Glück hat, dann ist es hier kein Problem und man fühlt sich in Deutschland wohl.“ Er ist der Meinung, um friedlich miteinander leben zu können, müsse man offen sein und auf Menschen zugehen. Man sollte auch einen Perspektivenwechsel vornehmen. Was die Religion betrifft, so betet er fünfmal am Tag. Das muss aber nicht sein. Für den 22-jährigen konfessionslosen deutsch-türkischen Schüler Alican Tuncer mit arabischer Abstammung, der Mitglied in dem staatlich geförderten Projekt www.heroes-augsburg.de ist, spielt die Religion im täglichen Leben keine große Rolle. Er kritisierte, dass sie gerade in den Medien sehr hoch gespielt werde. Hierin sehe er eine Gefahr und es werde ein verschobenes Bild transportiert. In der Praxis ist das aber gar nicht der Fall. Das Christentum werde in den Medien immer besser dargestellt als der Islam. Trotzdem sind sich diese beiden Religionen sehr ähnlich.

„Wir sind nicht da, um Urlaub zu machen!
Der Afghane Ahmadi betet zum Beispiel gar nicht. Er findet es zwar schön, wenn man glaubt. Er will ein guter Mensch sein und seinen Weg machen und alles ist gut für ihn. Wichtiger sei es laut dem muslimischen deutsch-türkischen Student Hayati Can Kasli, der auch Mitglied in dem Projekt www.heroes-augsburg.de ist, wie man sich in die Werte eingliedern kann. Was ist Integration? Schwierig sei es, sich zu integrieren, weil man als Flüchtling viele Stellen durchlaufen müsse. „Das ist typisch Deutsch! Doch typisch Deutsch ist auch die Vielfältigkeit – Deutschland ist immer noch offen.“ Die Erwartungen an die Migranten seien zudem sehr hoch. Jeder sollte die deutsche Kultur annehmen, aber die eigene Kultur sollte auch beibehalten werden. „Das muss auf Augenhöhe passieren“, so Shafi. „Die Migranten werden oftmals unterschätzt. Wir sind nicht da, um Urlaub zu machen!“ Seiner Meinung nach werden gerade Menschen ohne Perspektive krank und gefährlich. „Man muss den Menschen eine Chance geben.“ Er hat diese Chance ergriffen und den Qualifizierten Abschluss gemacht. Corinna Höckesfeld schreibt gerade ihre Doktorarbeit zur Integration. Die 29-Jährige Katholikin sagt, dass an der Universität oft Menschen diskutieren, die nicht selbst Migranten sind. Es werde deshalb ein sehr einseitiger Integrationskurs gefahren und es komme ein negativer Tenor zustande. Doch sollten auch positive Projekte wie das deutsche Paradebeispiel „Tür an Tür“ in die Forschung mit aufgenommen werden. „Augsburg als Friedensstadt sollte Integration leben und fördern!“

Ein heiß diskutiertes Thema war die Abschiebung von Flüchtlingen. Denn viele Menschen hätten sich bereits integriert und werden nach der Ausbildung zurückgeschickt. So etwas ist für die Teilnehmer der Diskussion unverständlich. Man werde sehen, wo der Weg hingeht. Gottfried Morath freute sich sehr über den großen Zuspruch für die Gesprächsrunde, die er zum ersten Mal organisiert hatte. Der nächste Termin steht bereits fest: Am 10. Juli wird in den Räumen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe zum Thema „Jugend und Europa“ diskutiert werden. Er freut sich über viele interessierte Teilnehmer.

Nach eineinhalb Stunden Diskussion und Gespräch tauschten sich die Jugendlichen bei leckeren Häppchen, die der Koch des Kinderheims kreiert hat, noch rege miteinander aus. Gesprächsstoff war ausreichend vorhanden. Ulrich Lorenz, der Gesamtleiter der Kinder- Jugend- und Familienhilfe, freut sich: „Es war ein gelungener Abend mit interessanten Inhalten, die zum Nachdenken anregen. Wir sind immer da für die Flüchtlinge und haben ein offenes Ohr. Und wir unterstützen sie gerne.“

Mehr Infos zur Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Hochzoll gibt es hier.

Bürgerreporter:in:

Sabine Roth aus Friedberg

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