Brecht DREIGROSCHENOPER? von wegen: Die GRATTLER OPER der IBERL BÜHNE in Augsburg

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Augsburg: Parktheater im Kurhaus Göggingen | im Januar 2017, äh: im Jahr 1838:

Das erfolgreichste bairische Volkstheater, die Münchner IBERL BÜHNE von Georg Maier, war zu Gast in Deutschlands schönstem Theater, dem Parktheater zu Augsburg – Göggingen.

Die Geschichte:

Der Bauernsohn Sepp Fischlechner wird im gräflichen Forst beim Wildern erschossen. Trotz aller Trauer wagt sein Vater nicht, nach dem Mörder zu suchen. Doch mit Hilfe des Italieners Pasolini findet Sepps Schwester Maria den Täter: Stanzlinger, der selbstherrliche Verwalter des gräflichen Schlosses, hat ihren Bruder auf dem Gewissen. Dieser versucht zwar, den Verdacht auf Pasolini, den schlitzohrigen Italiener, zu lenken, dessen zweifelhafte Vergangenheit zwar undurchschaubar ist, aber mit Hilfe von schwarzer Magie rächt dieser den hinterhältigen Mord: Ein Zaubertrank, von Pasolinis Großmutter überliefert, befördert den Schuldigen ins Jenseits.

Der Grattler:

Ein „Gràttler“ ist ein schäbiger, heruntergekommener Mensch, der in ärmlichen Verhältnissen lebt. Landstreicher, Vagabund, Hamperer, Sàndler, Penner, Umhuterer (Umhoudara) sind Synomyme für den Ausdruck. Ein „Gràttler“ kann auch ein primitiver Kerl, dem der Sinn für Höheres fehlt, ein Kleingeist, eine Krämerseele, sein. Das Wort ist eindeutig ehrenrührig. „Wer einen anderen als Grattler beschimpft, zieht sich mit Sicherheit einen Grant zu, und zwar vermutlich einen ganz besonders groben“, schreibt Thomas Grasberger in seinem Buch „Grant. Der Blues des Südens“ (2012).

Ursprünglich verstand man unter „Gràttler, Kràttler“ einen fahrenden Kleinhändler aus Tirol oder Norditalien, der seine Waren in einer „Kràtten“ oder „Kretzen“, einem Rückentragekorb, bei sich führte oder sie auf einem kleinen zweirädrigen Handkarren beförderte, einer „caretta“, wohl der Ursprung des bairischen Dialektworts „Gràttler“. Scherzhaft nennt man heute einen Wohnwagen oder ein Wohnmobil noch „Gràttler-Villa“, und das „Gràttlermensch“ ist ein verkommenes Weibsbild. Das Verb „gràtteln“ verwendet man im Sinne von: ineffektiv arbeiten, sich mit sinnlosen Kleinigkeiten verzetteln.

Der Georg Maier und das IBERL:

Georg Maier und seine GRATTLER OPER sind seit 1978 eins. Die GRATTLER OPER ist seit den 80er Jahren das erfolgreichste Mundartstück. Das Libretto stammt von Gerhard Loew, die Musik wurde von Peter Michael komponiert und Georg Maier ist seit jeher für die Inszenierung der bairschen Version von Brechts Dreigroschenoper verantwortlich. ‚Blues-Musical’ wurde das Mundart-Stück liebevoll schon genannt, an die 1.000 Vorstellungen wurden aufgeführt, nicht nur der Bayerische Rundfunk, sondern auch die ARD hat sie ausgestrahlt, sie wurde ins Plattdeutsche adaptiert und begeisterte sogar Zuschauer am berühmten Ohnsorg-Theater in Hamburg als »Moorkaten-Oper«.

Maier, den die Süddeutsche Zeitung einmal als den "Marlon Brando von (München) Solln", wo er wohnt, genannt hat, ist bekannt für seine Verbundenheit der bairischen Kultur gegenüber, er, der Bewahrer bairischer Traditionen auf der Bühne, ist genau das Gegenteil des „Gràttler“: Mit Akribie feilt Maier an jedem Detail der Sprache, an jeder kleinen Passage, bis Tonfall, Rhythmus und vor allem der Ausdruck sitzen. Maier ist das Genie des urbairischen Theaters, ein Perfektionist.

Gastwirt, Theaterbesitzer, Intendant, Regisseur, Schauspieler, Musiker, Autor - seit 50 Jahren kennt man ihn weit über Münchens Grenze hinaus für seine altbairischen Stücke. Das Milieu der kleinen Leute, ihre alltäglichen Nöte, darzustellen, ihre Auseinandersetzung mit den ‚Obrigen’, das ist seine Welt auf der Bühne. Hugo von Hoffmannsthal hätte seine Freude an diesem Prinzipal der Kultur.

Die Kritik:

Das bewährte IBERL-Ensemble mit Georg Maier als dem Gräflichen Forstverwalter Stanzlinger, einem überheblichen Kerl von ‚droben’ aus dem Schloss, Wolfgang Freundorfer als der Kleinhäusler Fischlechner mit Raphaela Maier als seine Tochter Maria, einer brillianten Sängerin, Harald Edelmann als zwielichtiger Viehhändler Oarstocker, der den Tonfall der Maier´schen Regie wie kein Zweiter umsetzt, der Jazz-Sänger Eric Brodka als Pasolini, Kesselflicker, Korbmacher und gebürtiger Italiener im Stück und Maiers Tochter Georgia in der Technik, haben dem ausverkauften PARKTHEATER einen für Augsburg wahrlich nicht alltäglichen, sondern ob seiner Qualität und Feinsinnigkeit einmaligen Abend beschert.

IBERL BÜHNE

Florian Sonneck, 28. Januar 2017

Bürgerreporter:in:

Florian Sonneck aus Schliersee

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