"Der Tandlmarkt hat plötzlich ein Gesicht": Ein Interview mit Bürgermeister Klaus Habermann

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Grünzug Paar, der Neubau der Feuerwehrzentrale, die Umgestaltung des Tandlmarktes - über einen „Mangel an Baustellen“ konnte sich Klaus Habermann im abgelaufenen Jahr nicht beklagen. myheimat sprach mit Aichachs Stadtoberhaupt über die Bauplätze am Kreisgut, das Wortungetüm „Straßenausbaubeitragssatzung“ und seine Begegnung mit Prinz Luitpold von Bayern.

myheimat: Herr Habermann, zäumen wir das „kommunalpolitische Pferd“ von hinten auf und arbeiten uns kalendarisch Schritt für Schritt nach vorne. Beginnen wir mit den Bauplätzen am Kreisgut. Die Stadt ist Eigentümerin von acht Bauplätzen in diesem Baugebiet. Im Gegensatz zum Vergabeverfahren des Landkreises setzt die Stadt Aichach auf das „Einheimischenmodell“ und ein Punktesystem. Wie sieht die städtische Vergabepraxis genau aus und wo liegen ihre Vorzüge?
Habermann: Es sollen, wie ja der Name schon sagt, „Einheimische“ punkten und zu vergünstigtem Preis einen Bauplatz erwerben können. Die Vergabe erfolgt nach einem Wertungssystem, bei dem speziell auch Einwohner im Stadtgebiet und Familien mit Kindern oder auch sonstige soziale Aspekte ihren Niederschlag finden. Interessenten sollten sich schriftlich oder per E-Mail bis spätestens zum 21. Januar bei der Stadtverwaltung offiziell bewerben. Sie erhalten dann einen Fragebogen zugesandt. Ganz wichtig: Die städtischen Grundstücke werden aufgrund des Einheimischenmodells deutlich günstiger abgegeben.

myheimat: Wird es einen Bauzwang geben?
Habermann: Ja, es muss innerhalb von 5 Jahren mit dem Bau begonnen werden.

myheimat: Kommen wir von künftigen Baustellen zu abgeschlossenen Baumaßnahmen. Die Neugestaltung und der Umbau des Tandlmarktes war Ihnen stets ein wichtiges Anliegen. Wie sind Sie nun mit Ihrem neuen „Vorzimmer“ für die Aichacher Innenstadt zufrieden?
Habermann: Es ist wirklich großartig geworden und das Feedback der Bevölkerung und Besucher ist bemerkenswert. Dieser Platz hat plötzlich ein Gesicht, ist barrierefrei und erinnert an unsere Stadtgeschichte, als Aichach an einem Eichenhain entstanden ist.

myheimat: Einen weniger erfreulichen Klang als das Projekt Tandlmarkt dürfte in Ihren Ohren das Wortungetüm „Straßenausbaubeitragssatzung“ erzeugen. 20 von 24 Kommunen im Wittelsbacher Land erheben diesen Beitrag von Anliegern bei Straßenausbauten. Nur die Stadt Aichach widersetzte sich lange hartnäckig dieser Regelung. Sie ließen in einer Stadtratssitzung keinen Zweifel daran, dass die Einführung der Satzung nicht zu umgehen sei. Ist der „Anwohner-Beitrag“ nun ungerecht und ein zusätzlicher Griff in die Taschen?
Habermann: Ja, so ist halt das Leben. Keiner will es wirklich, aber die Anliegerbeteiligung ist nun mal Gesetz. Sowohl das Bayerische Innenministerium als auch der Kommunale Prüfungsverband und der Bayerische Gemeindetag raten uns eindringlich, das jetzt endlich zu vollziehen. Es geht hier im schlimmsten Fall um den Vorwurf des Vermögenstreuebruchs seitens der Kommunalpolitiker, und wer möchte das schon riskieren. Übrigens: Bei der Ersterschließung gibt es diese Anliegerbeteiligung auch bei uns schon immer, und die ist völlig unstrittig. Der von uns bisher geltend gemachte Ermessensspielraum wird inzwischen jedenfalls deutlich in Frage gestellt!

myheimat: Nicht nur marode innerörtliche Straßen und Ortsdurchfahrten müssen ausgebaut werden, sondern auch sinnvolle Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz sind dringend geboten. Der Grünzug Paar geht in den dritten Bauabschnitt. Wie können sich die Bürger bei diesem Projekt einbringen?
Habermann: Gerade dieses Projekt macht uns unheimlich viel Freude, aber natürlich auch Arbeit. Doch diese lohnt sich, denn schon die ersten zwei Bauabschnitte finden hervorragenden Zuspruch durch die Bevölkerung; unsere „Paarpromenade“ ist ein echter Renner! Die Bürgerschaft kann sich einbringen, indem sie diesen Grünzug wertschätzt und annimmt, auch sauber hält und gegen die eine oder andere Spende - z.B. zur Schaffung von Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen etc. - hätten wir auch nichts einzuwenden.

myheimat: Eine noch nicht begonnene Baustelle der besonderen Art ist auch der Aichacher Bahnhof. Wie sehen Ihre Pläne für die Eingangstür der Stadt aus?
Habermann: Wir werden das gesamte Bahnhofsgebäude generalrenovieren und vermieten. Baubeginn könnte bereits 2013 sein. Im Erdgeschoss soll dabei ein Bistro mit Kioskverkauf und ordentlicher Toilette entstehen, die Geschosse 1 und 2 sollen als Wohnungen oder gewerbliche Räume vermietet werden. Interessenten für alle genannten Nutzungen gibt es bereits. Das ist auch wichtig, denn die Gesamtkosten von 1 Million Euro müssen ja „refinanziert“ werden. Übrigens: Auch den Park & Ride Platz wollen wir nächstes Jahr erweitern, das nötige Nachbargrundstück haben wir bereits gekauft.

myheimat: Entwarnung gab es im Juli 2012 dagegen bei einer anderen künftigen Baustelle. Der Umbau des Bahnüberganges bei Oberbernbach kann nun im Frühjahr 2013 starten. Wie erleichtert sind Sie darüber, dass die Bahn die Kreuzungsvereinbarung schlussendlich doch unterzeichnet hat?
Habermann: Da sind mir mindestens 1 Zentner Steine vom Herzen gefallen. Aber gerade auch bei diesem Projekt hat sich unsere Hartnäckigkeit ausgezahlt. Und die tatkräftige Unterstützung unseres Bundestagsvizepräsidenten Eduard Oswald. Man darf sich in unserem Job eben nie entmutigen lassen. Oder wie schon Schopenhauer so treffend formuliert hat: „Hindernisse überwinden ist der Vollgenuss des Daseins“.

myheimat: Positive Signale gibt es auch in Bezug auf den Ausbau der B 300. Welche Bedeutung hat dieses Vorhaben aus Ihrer Sicht?
Habermann: Ich hoffe da auf die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen und die positiven Signale, die ich so am Rande vernehme. Wir brauchen diesen vierspurigen Ausbau zwischen Dasing und Aichach-West (Tränkmühle) jetzt, um den Wahnsinnsverkehr dort zu bewältigen und die schweren Unfälle zu vermeiden. Und ich denke mir: Nie war der Zeitpunkt so günstig.

myheimat: Der Ausbau der Sudetenstraße, Grünzug Paar, der Neubau der Feuerwehrzentrale, die Umgestaltung des Tandlmarktes – all dies kostet die Stadt Aichach viel Geld. In unserem letzten Interview konnten Sie stolz vermelden, dass mit einer Gesamtverschuldung von 9,42 Millionen Euro die „10 Millionen-Euro-Schallmauer“ deutlich unterschritten werden konnte. Wie fällt Ihre Bilanz in Bezug auf den Haushalt 2012 aus?
Habermann: Nach wie vor positiv: Wir werden uns wohl wieder so um 9 Millionen einpendeln, was angesichts der unzähligen Großprojekte, die bewältigt wurden, schon ein Spitzenergebnis ist. Mit unserer aktuellen Pro-Kopf-Verschuldung von 414 Euro liegen wir mehr als die Hälfte günstiger als der Landesschnitt. Ich denke, darauf können wir stolz sein und darauf lässt sich weiter aufbauen. Die Dinge anpacken, aber dabei nie das rechte Maß verlieren, so meine Devise!

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen wie immer an dieser Stelle noch eine private Frage: Welches Ereignis, welche Begegnung hat Sie persönlich im Jahr 2012 am meisten beeindruckt?
Habermann: Bei den Ereignissen auf jeden Fall die Eröffnung unseres neuen Einkaufszentrums am Milchwerk. Nach all den Diskussionen und Widerständen zu Beginn ein absolutes Erfolgserlebnis. Vor allem, wenn man dann sieht, was da entstanden ist und wie die Bevölkerung darauf reagiert! Wie übrigens auch bei der Einweihung des neu gestalteten Tandlmarktes. Da machen sich selbst bei einem erfahrenen Kommunalpolitiker schon so was wie „Glücksgefühle“ breit, ich gebe das gerne zu! Die viele Arbeit - auch Überzeugungsarbeit - hat sich doch gelohnt und das ist einfach ein schönes, befriedigendes Gefühl, das jetzt genießen zu dürfen! Und bei den Begegnungen fällt mir spontan der Besuch von Prinz Luitpold von Bayern in Unter- und Oberwittelsbach im März ein! Eine überaus sympathische und feinfühlige Persönlichkeit aus dem Hause Wittelsbach.

Bilder: Irene Rung, Stadt Aichach, Redaktion

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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