„Die Bürgerwerkstatt hat sich gelohnt“: Ein Interview mit Bürgermeister Klaus Habermann

Bei der Eröffnung der Aichacher Kunstmeile 2015 | Foto: Irene Rung
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Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann. myheimat unterhielt sich mit dem Stadtoberhaupt über das Projekt "Obere Vorstadt", die Arbeiten an der Bahnhofsunterführung in Algertshausen, die Neugestaltung der Bahnhofstraße und den kommunalpolitischen Dauerbrenner "Straßenausbaubeitragssatzung".

myheimat: Herr Habermann, lassen Sie uns zu Beginn des Interviews ein wenig über Stadtentwicklung sprechen. Nach der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums auf dem früheren Milchwerkgelände rückt vor allem das Städtebauprojekt „Obere Vorstadt“ wieder in den Fokus und steht auf der Prioritätenliste ganz oben. Wie kann aus Ihrer Sicht eine attraktive Verbindung vom Milchwerk zur Innenstadt hergestellt werden?

Habermann: Die Verbindung zwischen Milchwerk und Oberem Tor, die heute sehr stark vom Autoverkehr dominiert ist und einer Asphaltwüste gleicht, muss dringend „aufgemotzt“ werden. Es soll ein attraktiver, abwechslungsreicher Weg entstehen, der zum Flanieren, Betrachten der Schaufenster und Verweilen einlädt. Dies soll geschehen durch breitere, gut gestaltete Gehwege und attraktive, begrünte Außenflächen, wo man sich gerne aufhält. Und gerade der Eingang zum Oberen Tor soll eine sich öffnende, geradezu einladende Geste erfahren.

myheimat: Der Siegerentwurf des Planungswettbewerbs Obere Vorstadt stieß nicht überall auf begeisterte Zustimmung. Anwohner und Geschäftsleute fürchteten unter anderem eine Verschlimmerung der Verkehrssituation und den Wegfall einer großen Zahl an Parkplätzen. Dennoch hielt der Stadtrat am Preisträgerentwurf fest. Was sprach für diese Entscheidung?

Habermann: Die Wettbewerbsjury, an der übrigens alle Fraktionen im Stadtrat beteiligt waren, hat nicht von ungefähr einstimmig diesen Entwurf ausgewählt. Er besticht durch seine städtebauliche Qualität! Aber natürlich ist es nur ein Entwurf, an dem noch gearbeitet werden muss! Und: Es fallen übrigens auch keine Stellplätze weg!

myheimat: Für das Projekt „Obere Vorstadt“ wurde extra eine Bürgerwerkstatt eingerichtet. Hat sich dieses Instrument aus Ihrer Sicht im abgelaufenen Jahr bewährt?

Habermann: Definitiv, der gesamte Prozess war ja darauf ausgelegt, die Bürger, die Anlieger mit einzubeziehen. Das ist zwar gelegentlich beschwerlich, aber es lohnt sich. Viele gute Anregungen konnten aufgegriffen werden und inzwischen sind wohl alle Beteiligten überzeugt davon, dass da was Schönes entstehen wird.

myheimat: Kritische Stimmen im Stadtrat merkten auch an, dass Projekte durch die hohen Anforderungen für die Städtebauförderung teurer als nötig würden. Was halten Sie diesen Einwänden entgegen?

Habermann: Ich wundere mich manchmal, woher man solche Aussagen nimmt. Es gibt ja inzwischen seriöse Erhebungen, wonach die Kosten nach städtebaulichen Wettbewerben eher minimiert werden konnten. Aber natürlich, ich kann auch alles lassen, wie es ist, die notwendigen Kanäle und Leitungen erneuern und dann drüber asphaltieren. Aber ehrlich: Will das jemand? Ist es nicht unsere Aufgabe, ja Verpflichtung, die Stadt weiter zu entwickeln? Ich verweise da gerne auch auf die Stadtplatzsanierung unter Alfred Riepl in den 80er Jahren. Auch damals gab es heftige Kritik und Bedenken, heute sind wir alle stolz auf unsere „gute Stube“!

myheimat: Was halten Sie von der Einrichtung eines Kreisverkehrs an der Einmündung der Münchener Straße in die Werlbergerstraße?

Habermann: Ich bin eigentlich ein Fan von Kreisverkehren und sehr stolz darauf, wie gut die neuen in der Münchener und Augsburger Straße funktionieren. Im Bereich der Oberen Vorstadt bin ich da aber eher skeptisch. Für mich wäre ein solcher dort städtebaulich und funktional eher problematisch. Aber ich lasse mich gerne noch überzeugen...

myheimat: Eine andere Baustelle bereitete im Jahr 2015 unerwartete Probleme. Die Arbeiten an der Bahnhofsunterführung in Algertshausen verzögerten sich. Der Untergrund war härter als gedacht und die Spundwände zur Absicherung der Baugrube blieben auf halber Höhe stecken. Wann kann nun die neue Bahnbrücke über die Unterführung gelegt werden? Kann der Zeitplan bei dieser Baustelle insgesamt eingehalten werden?

Habermann: Oh ja, das kostet Nerven. Aber trotz aller baulichen Schwierigkeiten, der Zeitplan kann wohl gehalten werden. Also 2016 die Errichtung von Grundwasserwanne und Brückenbauwerk und 2017 der letzte Kreisverkehr dort und die endgültig Freigabe der Unterführung. Dann zünde ich in der Oberbernbacher Kirche eine große Kerze an!

myheimat: Wie wirken sich die Verzögerungen auf die Kosten des Projektes aus?

Habermann: Es wird dadurch sicher nicht billiger, aber Kostenträger sind ja gottlob nicht wir!

myheimat: Bleiben wir in Bahnhofsnähe und reden über das Konzept für die Bahnhofstraße. Warum plädierten Sie in diesem Bereich entschieden für einen Bebauungsplan und eine Veränderungssperre?

Habermann: Die Bahnhofstraße ist ein ganz wichtiger Eingang zur Stadt. Wenn Sie vom Bahnhof kommen und Richtung Stadtpfarrkirche schauen, dann ist das aktuell wenig attraktiv. Ich denke, wir müssen hier selber gestaltend wirken und auch darauf aufpassen, dass sich im Zuge von Nachverdichtungen das über Jahrhunderte gewachsene Gesicht der Bahnhofstraße mit ihren repräsentativen Bürgerhäusern und großen Gärten nicht komplett verändert. Nachverdichtung ja, aber städtebaulich verträglich und mit Augenmaß.

myheimat: Ein kommunalpolitischer Dauerbrenner ist das Thema Straßenausbaubeitragssatzung. In Klingen stieß dieses Wort auf wenig Begeisterung. Beim Ausbau der Staatsstraße sollten sich die Anlieger an einem Teil der Ausbaukosten für die Gehwege beteiligen. Brachte das Jahr 2015 Klarheit in Bezug auf dieses umstrittene Thema?

Habermann: Ja und nein. Der Bayerische Landtag hat sich in einer Expertenanhörung mit diesem Thema eingehend beschäftigt. Es gibt Anträge der verschieden Fraktionen dazu, aber eines scheint klar: Es wird bei der Satzung bleiben. Aber die Kommunen werden wohl optional sogenannte „wiederkehrende Beiträge“ beschließen können. Das bedeutet, die Abrechnungsbereiche können größer gefasst werden, dadurch minimiert sich der Beitrag für den einzelnen Bürger, der dann allerdings „wiederkehrend“, also über Jahre hinweg erhoben wird. Schauen wir mal, welcher Gesetzentwurf endgültig durchkommt, dann muss der Stadtrat entscheiden!

myheimat: Wie immer an dieser Stelle nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage: Welche „menschliche“ Begegnung hat Sie im Jahr 2015 am meisten beeindruckt?

Habermann: Wenn ich ehrlich bin, der Kontakt mit den Anliegern der Oberen Vorstadt. Wie sich das im Laufe des Planungsprozesses verändert hat, ist schon bemerkenswert. Von einer aufgeladenen, emotionalen Stimmung hin zu einem wirklich konstruktiven Miteinander, das war schon toll. Da konnte selbst ich als „alter Hase“ noch was lernen.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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