Ausstellung im FeuerHaus: Rückblick auf über 100 Jahre Stadtentwicklung

Per Hand wurde der Flutgraben angelegt - bis zu 250 Arbeiter waren dafür im Einsatz. | Foto: Sammlung Franz Achter
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  • Per Hand wurde der Flutgraben angelegt - bis zu 250 Arbeiter waren dafür im Einsatz.
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Manch einer erinnert sich vielleicht noch daran, wie sich der gesamte Stadtplatz in Aichach in eine Baustelle verwandelte. Neue Leitungen wurden verlegt, historisch anmutendes Kopfsteinpflaster gelegt, die Verkehrsführung geändert. Gut 40 Jahre ist das jetzt her. Viele können sich Aichach gar nicht mehr anders vorstellen. Doch es gab in der Stadt in den vergangenen 150 Jahren immer wieder Veränderungen, die das Stadtbild, die Stadtentwicklung entscheidend verändert und geprägt haben. Mit diesen Entwicklungen beschäftigt sich die neue Ausstellung „Stadt im Wandel – vom Mittelalter zur Smart City“, die aktuell im Aichacher FeuerHaus zu sehen ist.

Egal ob der Bau des Bahnhofes, der Paarregulierung und die Anlage des Flutgrabens, die Ausweisung neuer Stadtteile oder auch der Abriss alter Gebäude, um eine „autogerechte“ Stadt zu bekommen – Raum 3 der Ausstellung greift viele spannende Themen auf. Anhand historischen Bildmaterials bekommen die Besucher einen Überblick darüber, wie sich die Stadt und das Stadtbild im Laufe der Jahre verändert hat. Und das in einem viel stärkeren und größeren Maße als all die Jahre davor.
Zeigt das Stadtmodell Aichach im Jahr 1914 noch relativ mittelalterlich geprägt, wird der Besucher am Ende der Ausstellung feststellen, dass das Mittelzentrum inzwischen auf dem Weg zur Smart City ist. Mittlerweile hat sich auch das Verständnis von Stadtplanung gewandelt. Stand früher die autogerechte Stadt im Vordergrund, so sind heute Lebens- und Aufenthaltsqualität der Bürgerinnen und Bürger im Fokus. Mit Hilfe der Digitalisierung geht der Trend hin zu einer nachhaltigen und lebendigen Stadtentwicklung – zu einer Smart City.

Hauptsitz des neuen Landkreises

„Aichach wächst!“ lautet der treffende Titel für Raum 3. Um 1900 beschränkte sich das Stadtgebiet noch auf den historischen Stadtkern und die Obere und Untere Vorstadt. Auch mittelalterliche Strukturen wie Stadtmauer, Türme und Tore waren großteils noch vorhanden. Gleichzeitig begann mit dem Bau der Eisenbahn und der Einführung der Elektrizität Aichachs Weg in die Moderne. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich die bisher vom agrarischen Umland geprägte Stadt zum Gewerbestandort. Besonders die 70er Jahre bildeten eine Zäsur. Durch die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften wuchs Aichach flächenmäßig um ein Vielfaches. Auch die Gebietsreform von 1972 brachte einschneidende Veränderungen. So wurde Aichach zum Hauptsitz des neuen Landkreises Aichach-Friedberg, jedoch wurde dieser nun dem Regierungsbezirk Schwaben zugeschlagen. Den Blick immer nach vorne gerichtet, setzt die Stadt auf eine nachhaltige Stadtplanung, um sich allen zukünftigen Herausforderungen zu stellen.
Hier exemplarisch einige der Themen, die in der Ausstellung „Stadt im Wandel“ behandelt werden:
Nach dem Ersten Weltkrieg leidet auch Aichach unter den Folgen der Inflation, der Weltwirtschaftskrise, von Lebensmittelmangel, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. In dieser schweren Zeit verzeichnen die Nationalsozialisten Wahlerfolge. 1935 wird die Erbauung einer sogenannten Heimstattsiedlung, die zwischen Flur- und Auenstraße entstehen sollte, beschlossen. Diese Baumaßnahme sollte nicht nur Wohnraum, sondern auch Arbeitsplätze und damit Einkommen schaffen. Alle Häuser werden nach dem gleichen Muster bzw. Typ erbaut. Doch genügen diese Häuser bei weitem nicht, sodass es bereits 1936 und 1937 weitere Pläne gibt, die Siedlung zu erweitern.

Paar wird in Handarbeit umgeleitet

Um die Arbeitslosigkeit zu senken, wird von 1934 bis 1936 das Großprojekt der Teilregulierung der Paar im Bereich der Stadt realisiert. Wo die Fluren von Oberbernbach, Walchshofen und Aichach zusammentreffen, sollte der Paarmäander in ein neu auszuhebendes, begradigtes Flussbett umgeleitet werden und im Bereich der Aktienkunstmühle wieder in den alten Paarlauf einmünden. Auch ein Flutgraben zur Entlastung der Paar wird neu angelegt. Diese Maßnahmen sind Teil des neuen Hochwasserschutzes der Stadt. Zu Beginn der Bauarbeiten im März 1934 sind 42 Arbeiter beschäftigt. Im April steigt die Zahl auf 250 Arbeiter, die teilweise aus Berlin nach Aichach kommen. Es wird bewusst auf den Einsatz von Baumaschinen verzichtet. In reiner Handarbeit werden das Flussbett begradigt und der neue Flutgraben ausgehoben.
Aichach bleibt zwar von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verschont, es wartet bereits eine neue Herausforderung: Die Ströme der Heimatvertriebenen und Ostflüchtlinge. Über zwei Millionen Menschen suchen in Bayern eine neue Heimat. Mit den Neubürgern bieten sich auch neue Chancen für die Stadt. Viele waren in ihrer Heimat im Handwerk und Gewerbe tätig und brachten ihre Kenntnisse/Fähigkeiten/Fertigkeiten mit. So wandelt sich das bisher vom agrarischen Umland geprägte Aichach zum Industriestandort. Die weithin bekannte Firma Zenker Backformen ist solch ein Beispiel. Aus der Not heraus entsteht die Idee, alte Konservendosen und andere Altmaterialien der US-Armee für die Herstellung von Backformen, Backblechen und Trichtern zu verwenden. 1948 verlagert die Firma ihren Produktionsstandort von Kühbach nach Aichach, wo bis heute gefertigt wird.

Abriss für die "autogrechte" Stadt

Mit dem Wirtschaftswunder geht auch der Siegeszug des Automobils einher, das nun für jedermann erschwinglich wird. Auch das in seinen mittelalterlichen Strukturen gefangene Aichach muss sich dieser Herausforderung stellen und „schafft Platz“. Denn Ende der Sechziger klagen Autofahrer und Geschäftsleute, dass es nicht mehr genügend Parkplätze im Innenstadtbereich gäbe. So wird 1967 entschieden, gegenüber vom Rathaus den Münchner Hof und das sogenannte Kistler-Zick-Haus abzureißen. Im Prinzip wird die komplette Linke Seite des Tandlmarktes bis hin zur Martinstraße abgerissen. Einige Jahre wird die Fläche dann als Parkplatz genutzt.
Die B300 ist die wichtigste Verkehrsachse zwischen Augsburg und Ingolstadt und verbindet außerdem die A8 (München-Stuttgart) und die A9 (München-Nürnberg-Berlin). Doch der gesamte Verkehr fließt noch durch die Stadt Aichach. Erste Pläne den Durchzugsverkehr aus der Stadt auszulagern gibt es bereits 1948. Die Notwendigkeit einer Ortsumgehung wird vor allem ab den 60er Jahren immer deutlicher. Mit den höheren Kapazitäten in der Wirtschaft steigert sich der Verkehr noch einmal zusehends. Nach vielen verkehrsbelasteten Jahren wird schließlich nach zweijähriger Bauzeit die „neue“ B300 am 4.10.1978 für den Verkehr freigegeben.

Umdenken setzt ein 

Parallel zum Projekt Umgehungsstraße läuft seit 1978 auch das Großprojekt der Altstadtsanierung. Innerhalb von 15 Monaten wird der Stadtplatz komplett aufgegraben und umgestaltet. Es werden Rohre, Leitungen und Kabel verlegt und es wird neu gepflastert. Von nun an gilt in der Stadt ein Einbahnsystem. Die Tore können nur mehr stadteinwärts befahren werden und auf dem Stadtplatz gibt es jetzt ausreichend Kurzparkplätze. Auch eine Fußgängerzone wird eingerichtet. Für diese Baumaßnahmen wird die Stadt Aichach, auch bundesweit, mehrfach ausgezeichnet.
Auch der Bereich des Tandlmarktes, auf dem sich seit dem Abriss 1967 nur Parkplätze befinden, muss bei den umfassenden Maßnahmen mitbedacht werden. Die Stadt entschließt sich schließlich einen Teil des Grundstücks zu verkaufen. Ab 1982 wird eine Tiefgarage und ein großer Neubau, in dem sich Geschäfte und Arztpraxen ansiedeln sollen, erbaut. Er ist nun zwar höher, aber gleicht sich gestalterisch gut an den Altstadtcharakter an.

Bürgerreporter:in:

Stadt Aichach aus Aichach

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