Grotelüschen: Neue Mastställe sind richtig - trotz Protest | AbL gegen Brandanschläge und für andere Agrarpolitik

Hannoversche Allgemeine Zeitung

04.08.2010 07:56 Uhr

Ministerin im Interview
Grotelüschen: Neue Mastställe sind richtig - trotz Protest
Astrid Grotelüschen (CDU) ist seit 100 Tagen Agrarministerin Niedersachsens. Die Oldenburgerin, deren Familie Mastputen hält, hofft, dass Landwirte auch nach dem Brandanschlag auf eine Mastanlage im Kreis Harburg weiter in Geflügelställe investieren. Der Bedarf dafür sei vorhanden.
Im Kreis Harburg ist eine Hähnchenmastanlage von Brandstiftern angezündet worden – was bedeutet das für Landwirte in Niedersachsen?
Das ist eine Katastrophe. Die Landwirte werden in Angst und Schrecken versetzt. Dieser Stall wurde genehmigt – und durch ein Verbrechen wird ihm ein Ende gemacht. Es wäre furchtbar, wenn jetzt Landwirte davor zurückschrecken würden, neue Anlagen in Betrieb zu nehmen.
Haben Sie sich nicht voreilig auf radikale Tierschützer als mögliche Täter festgelegt?
Wir wissen, dass es Brandstiftung war. Das allein muss uns Angst machen. Damit ist auf rechtswidrige Weise zum Ausdruck gebracht worden, dass dieser Stall nicht gewollt ist – von wem auch immer.
Haben Sie Hinweise, dass radikale Tierschützer dahinterstecken könnten?
Im Vorfeld – das entnehme ich dem Polizeibericht – hat es Mahnwachen gegeben, es gibt Plakate, Schriftstücke. Es gibt einen Schriftzug vor dem Stall, der auf diese Zusammenhänge hinweist. Das wird auch von der Polizei so gesehen.
Sie meinen die Beschimpfung „Fuck You“, die auf dem Gelände in den Sand gemalt wurde?
Zum Beispiel. Es gibt auch Angriffe verbaler Art vor Ort. Im Vorfeld hat sich die Situation zugespitzt.
Wird der Protest gegen Mastanlagen generell radikaler?
Es gibt viele Indizien dafür, wenn Sie an die Sprachwahl denken, wie Protest im Internet formuliert wird. Wenn man die Äußerungen dort analysiert, ist man nicht nur erschrocken über die Begriffe, die da gewählt werden. Das ist ein Beispiel dafür, dass der Protest insgesamt radikaler geworden ist. Man muss sich nicht wundern, wenn dann eine Grenze überschritten wird.
Vielerorts in Niedersachsen sind neue Mastanlagen geplant. Wann ist die Grenze für weitere Ställe erreicht?
Es gibt einen Bedarf an Fleisch, der von unseren Landwirten auf einem hohen Qualitätsniveau bedient wird. Dazu gibt es optimale Rahmenbedingungen für Tier- und Verbraucherschutz. Wir haben in Niedersachsen eine Vielfalt an Angeboten, und der Verbraucher hat die Möglichkeit, unter diesen verschiedenen Produktionsformen sein Produkt auszuwählen und zu einem bestimmten Preis zu kaufen.
Das heißt, solange es einen Bedarf für günstiges Fleisch gibt, muss es weitere Mastanlagen geben?
Es ist richtig, weitere Ställe zu bauen.
Sie haben als eine der ersten Amtshandlungen einen Erlass Ihres Vorgängers gekippt, der die Rodung von Wäldern für Mastanlagen erleichtern sollte. Sehen Sie weiteren Korrekturbedarf ?
Den sehe ich nicht.
Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Grüne und Linke werfen Ihnen mit Blick auf den Putenmastbetrieb Ihrer Familie vor, Sie seien eine Lobbyistin. Kränkt Sie das?
Nein. Es wird doch immer gefordert, dass sich Menschen aus der Praxis in der Politik einbringen sollen. Ich bin Ernährungswissenschaftlerin, und mein ehemaliges Engagement im Familienbetrieb ist eine zusätzliche Erfahrung, die ich einbringen kann. Darum habe ich das Amt auch angenommen.
Ihre persönliche Bilanz der ersten 100 Tage?
Anstrengend, spannend, und ich freue mich auf die nächsten 100 Tage. Im August bringen wir hoffentlich das Hundegesetz ins Plenum. Ich möchte gerne, dass wir das in diesem Jahr zum Abschluss bringen.
Interview: Karl Doeleke
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AbL gegen Brandanschläge und für andere Agrarpolitik

Anlässlich des Brandanschlags auf eine leere Hähnchenmastanlage in Sprötze bekräftigt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ihre Ablehnung derartiger Mittel im Kampf gegen Agrarfabriken. Allerdings sei bisher nicht erwiesen, dass dieser Brand wirklich durch Tierschutz-Aktivisten gelegt worden sei. Gleichzeitig warnte die AbL die niedersächsische Landesregierung davor, durch ihre massive Förderung und Beschönigung agrarindustrieller, nicht artgerechter Haltungsformen in unverantwortlicher Weise zur weiteren Eskalation der Situation beizutragen. Wenn Agrarministerin Grotelüschen von „optimalen Rahmenbedingungen für Tier- und Verbraucherschutz“ rede, dann sei das mehr als zynisch angesichts von Ställen mit Zigtausenden eng zusammengepferchter und qualgezüchteter Masthühner, die auf ihrem eigenen Kot stehen und unter schmerzhaften Fußballenentzündungen leiden müssten. „Frau Grotelüschen mag sich in ihren eigenen Putenställen vielleicht an solche Zustände gewöhnt haben“, so AbL-Vertreter Eckehard Niemann, „bei den allermeisten Menschen verstärken solche Zustände und Äußerungen den Zorn über Agrarindustrielle und willfährige Politiker.“ Ebenso unverständlich sei es, wenn die Landesregierung keinerlei Konsequenzen aus dem Erstickungstod von 40.000 Masthühnern im Kreis Uelzen ziehe und wenn Vertreter des Agrarministeriums selbst eine Umfrage bei den Kreisveterinären über ähnliche Vorfälle für nicht erforderlich hielten. Der bundesweite Widerstand des „Netzwerks Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ gegen den Bau von Agrarfabriken und unsinnigen Fleisch-Überschüssen werde energisch und erfolgreich weitergeführt.

Bürgerreporter:in:

Horst Kröger aus Walsrode

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