Pilgerunfall vor 17 Jahren zwischen Langerringen und Untermeitigen

14. Juni 2010
PilgerUnfall, 86863 Untermeitingen
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Zum Gedenken an die Toten ...

Zeitungsartikel der Schwabmünchner Allgemeine vom 14.06.1993:

Pilgerunglück
Rettungskräfte untersuchen den Kleinwagen, mit dem ein 21jähriger aus dem Landkreis am Freitagabend in eine Pilgergruppe raste, vier Menschen tötete und weitere 21 zum Teil lebensgefährlich verletzte.

Mitten im Gebet schlug der Tod zu Pkw-Fahrer rast in Pilgergruppe
Vier Tote und zwanzig Verletzte - Blutiges Ende einer Wallfahrt kurz nach Beginn

Bericht stammt von Reinhold Radioff

Langerringen/Hiltenfingen
Der tragischste Verkehrsunfall seit vielen Jahren im Landkreissüden ereignete sich am Freitag gegen 22.15 Uhr: Ein stark alkoholisierter Pkw-Fahrer raste auf der Ortsverbindungsstraße von Untermeitingen nach Langerringen in eine Wallfahrergruppe von etwa fünfzig Personen und verletzte dabei vier tödlich. Zwanzig mußten mit teilweise lebensgefährlichen Verletzungen in fünf verschiedene Krankenhäuser eingeliefert werden.

Voller Freude auf die geplante Wallfahrt von Hiltenfingen zum Kloster Andechs trafen sich die Pilger aus dem Landkreissüden am Freitag gegen 20.15 Uhr in der Kirche in Hiltenfingen, in der Pfarrer Hermann Danner mit ihnen anschließend einen dreiviertelstündigen „Gottesdienst zum Aufbruch" feierte. Die Stimmung war trotz des einsetzenden Regens bestens, eine Absage wegen der nicht, idealen Witterungsbedingungen wurde zwar erwogen, dann aber nicht für notwendig erachtet.

Betend und singend machte sich die Gruppe, bestens nach vorne, hinten und der Seite gesichert durch Leuchtwesten und Schwenkkellen, getragen von erfahrenen Feuerwehrleuten, gegen 21 Uhr auf den Weg Richtung Langerringen. Kurz nach 22 Uhr war der Nachbarort durchquert. Da der Regen beinahe aufgehört hatte, schlössen bis auf wenige Zugteilnehmer alle ihre Regenschirme und pilgerten, vorschriftsmäßig paarweise am linken Straßenrand gehend, auf der Ortsverbindungsstraße Richtung Untermeitigen.

Direkt in die Gruppe gerast

Während gemeinsam der Rosenkranz gebetet wurde, nahm das tragische Unglück seinen Lauf. Durch unterschiedlichste Zeugenaussagen kann der Unfallhergang folgendermaßen rekonstruiert werden: Die in der Spitzengruppe gehenden Pilger sahen, wie zwei Scheinwerfer am Horizont auftauchten und schnell auf sie zukamen. Sofort schwenkten die Vorausgehenden ihre Leuchtkellen, um den Fahrer des sich nähernden Pkw auf sich aufmerksam zu machen. Als die Scheinwerferlichter aber trotzdem immer noch direkt auf die Gruppe zukamen, rannte der Cheforganisator Johann Erdle vom Ende des Zuges mit seiner reflektierenden Weste und seiner Leuchtkelle nach vorne, um beim Warnen zu helfen. Schreie wie „weg, runter von der Straße, Achtung" wurden laut, die Spitzengruppe rannte und hüpfte um ihr Leben nach allen Richtungen. Mit unvermindert hoher Geschwindigkeit raste der Unglücksfahrer durch die Gruppe. Bis etwa zur Mitte des Zuges, dann prallte der Kleinwagen ungebremst auf die ersten Körper. „Ich hörte nur noch einen dumpfen Schlag nach dem anderen und sah Leiber durch die Luft fliegen." Das Fahrzeug hatte die Pilger mitten im Gebet überrascht, so daß sich auch die Unverletzten nach dem schrecklichen Ereignis, eventuell auch schockbedingt, nicht daran erinnern konnten, etwas von der herannahenden Gefahr bemerkt zu haben. Plötzlich wurde der Wagen, am Ende der Gruppe angelangt, nach rechts von der Straße geschleudert, fuhr etwa 100 Meter im rechten Winkel zur Straße ins Feld und blieb dann stehen. Weit verstreut lagen überall Tote und Verletzte. Fürchterliche Schmerz- und Schockschreie beherrschten die grausige Szene.

Geistesgegenwärtig machte sich sofort jemand ins etwa 800 Meter entfernte Langerringen auf, um Hilfe zu holen. Ein entgegenkommender Pkw-Fahrer nahm in bis zum nächsten Telefon mit.

Unbeschreibliche Szenen

Bis die Polizei und die Feuerwehr eintrafen, müssen sich unbeschreibliche Szenen abgespielt haben: Die Unverletzten unternahmen verzweifelte Rettungsversuche, auch an den bereits Toten. Totale Schocklethargie breitete sich ebenso aus wie unbeschreibliche Hektik und sogar schon erste kontrollierte Erste-Hilfe-Maßnahmen. Dann kamen die ersten Rettungsfahrzeuge.

Die Rettungsaktion lief wie am Schnürchen

Totalem Chaos mit Disziplin und Routine begegnet

Langerringen/Hiltenfingen (rr). Genauso hervorragend und perfekt, wie die Unglückswallfahrt vorbereitet und begonnen worden war, liefen auch die gesamten Rettungsmaßnahmen am Unfallort ab. Fünf Polizeistationen und vier Feuerwehren sowie weitere Hilfdienste waren bis morgens um zwei Uhr im Einsatz, um die vier Toten zu bergen, die 20 Verletzten zu versorgen und in fünf verschiedene nahe gelegene Krankenhäuser zu bringen und die Unfallstelle wieder für den Verkehr freigeben zu können.

Ein unvorstellbares Bild bot sich den aus allen verfügbaren Bereichen zusammengezogenen Rettungsmannschaften, als sie wenige Minuten nach der Alarmierung am Ort des Grauens zwischen Untermeitingen und Langerringen eintrafen, wo ein alkoholisierter Pkw-Fahrer in eine Pilgergruppe gerast war. Verstreut lagen die Toten und Verletzten, Schreie waren überall zu hören. Mit bewundernswerter Disziplin und Routine machten sich die Notärzte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute an ihre nervenaufreibende und schwere Arbeit. Die Rettungsleitstelle arbeitete perfekt.

Für die Toten kam jede Hilfe zu spät. Vordringlich war jetzt die Aufgabe, die Verletzten zu finden, den Grad der Verletzung festzustellen und eine Erstversorgung vorzunehmen. Schnell war festgestellt, daß sich einige Pilger in Lebensgefahr befanden. Schnell stand auch fest, daß der angeforderte Rettungshubschrauber wegen des schlechten Wetters nicht kommen konnte.

Mit höchster Präzision und Umsicht erledigte jeder seine ihm zugewiesene Arbeit. Mit den Rettungswagen wurden die schwierigsten Fälle ins Zentralklinikum nach Augsburg und in die Krankenhäuser nach Landsberg und Schwabmünchen gebracht. Weitere Verletzte kamen mit den zwölf im Einsatz befindlichen Rettungsfahrzeugen in die Krankenhäuser nach Haunstetten und Bobingen. Immer wieder erlitten einige der unverletzten Pilger einen Schock und mußten auch noch behandelt werden. Insgesamt 21 Patienten erhielten medizinische Versorgung in einem der fünf genannten Krankenhäuser. Einige wurden zum Teil von den aus dem Schlaf geholten Chefärzten notoperiert.

Doch die Arbeit an der Unfallstelle ging weiter. Da die Zahl der Pilger nicht ganz genau feststand und sich einige entfernt hatten, ohne sich abzumelden, war nicht bekannt, ob bereits alle Wallfahrer gefunden waren. Deshalb durchstreiften die Feuerwehren von Schwabmünchen, Klosterlechfeld, Langerringen und Untermeitingen die an die Straße angrenzenden Felder. Aufräumungsarbeiten begannen. Überall lagen Brotzeitbeutel, Rucksäcke, Kleidungsstücke und vieles mehr umher. Die Unverletzten und psychisch Stabilen wurden heim oder zu Freunden gebracht, die Unfallstelle leerte sich. Letzte Aufräumungsarbeiten der Feuerwehren, die Fahrzeuge wurden gegen zwei Uhr morgens abgezogen. Doch die Arbeit für die Helfer war damit noch lange nicht vorbei. Vernehmungen durch die Polizei, Verständigung von Angehörigen, betreuende Gespräche mit den Betroffenen.

Am nächsten Morgen war klar, daß alle im Krankenhaus Befindlichen überleben werden. Die Notoperationen waren gelungen, weitere Eingriffe werden folgen. Doch nicht nur die körperlich Verletzten brauchen Betreuung, sondern auch die psychisch Angeschlagenen. Eine oft langwierige und äußerst schwierige Aufgabe.

Die Zukunft steht noch in den Sternen

Schon Probelauf mit Zwischenfall

Eine über 400jährige Tradition hat die Wallfahrt von Hiltenfingen nach Andechs, bei der am Freitag vier Menschen ums Leben kamen und 21 verletzt wurden. Gefährlich sei bisher nur eine Situation während des Probelaufes im Jahre 1988 gewesen, als die drei Beteiligten, unter ihnen Cheforganisator Johann Erdle, vor einem auf sie zufahrenden PKW in den Graben fliehen mußten.

Wallfahren hat eine uralte Tradition. Das Pilgern nach Andechs gilt in den alten Schriften als die bedeutendste Wallfahrt in Deutschland. Der heilige Rasso hatte in Andechs den berühmtesten Reliquienschatz (300 Teile) zusammengetragen, der während der Zeit des Aussterbens des Grafengeschlechtes derer von Andechs vergraben worden war. Als er sich 1128 wiederfand, baten Graf Berthold und Bischof Hermann, die Lehen sollten mit Kreuz und Kerze nach Andechs ziehen. 1588 kam es dann zur ersten verbürgten Wallfahrt von Hiltenfingen nach Andechs.

Wie oft sie durchgeführt worden war, ist nicht bekannt. Zum 400. Jahrestag wurde sie 1988 auf Initiative von Dekan Hiehler wiederbelebt. Seither ist sie viermal abgehalten worden, immer ohne Zwischenfälle.

Pfarrer Danner sieht den Sinn der Wallfahrt im Bewußtwerden, auf dem Weg zu Gott zu sein. "Außerdem war es bisher immer ein schönes Gemeinschaftserlebnis", betonte Danner, der den geplanten Verlauf aufzeigte: „Die Strecke hat etwa 45 bis 48 Kilometer". Wir machen immer vier Stationen, an denen wir uns stärken, Texte aus der Heiligen Schrift lesen ud meditative Worte sprechen. In Andechs feiere ich dann mit den Pilgern einen Gottesdienst, bevor gegessen und wieder heimgefahren wird." Das Interesse an Wallfahrten nahm in den vergangenen Jahren nicht nur in Hiltenfingen zu.

Wallfahrer-Unglück: Bischof erwägt Begleitschutz für Pilger

Auto raste in Gruppe: Vier Tote und zwanzig Verletzte

Langerringen/Hiltenfingen (AZ/ap/dpa). Der Augsburger Bischof Viktor Josef Dammertz will prüfen, ob Pilgergruppen künftig auf gefährlichen Strecken Begleitschutz gewährt werden soll. Dammertz reagierte damit auf den Verkehrsunfall, bei dem am Freitag gegen 22.15 Uhr zwischen Langerringen und Untermeitingen (Kreis Augsburg) vier Menschen getötet und 20 zum Teil schwer verletzt worden waren. (Siehe Lokales.)

Wie in einem Teil unserer Samstag-Auflage kurz berichtet, war ein 21jähriger mit seinem Kleinwagen in eine rund SOköpfige Pilgergruppe gerast, die von Hiltenfingen zum Kloster Andechs unterwegs war. Während sich die Menschen an der Spitze der Gruppe retten konnten, prallte der Wagen ab der Zugmitte ungebremst in die Menschenschar. Körper und Gegenstände blieben weit verstreut liegen. Das Unfallfahrzeug schleuderte noch etwa 100 Meter in ein Feld. Während die Verletzten in Krankenhäuser der Umgebung gebracht wurden, kam für zwei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 52 und 58 Jahren jede Hilfe zu spät.

Fahrer unter Drogeneinfluß

Gegen den 21jährigen laut Innenministerium unter Alkohol- und Drogeneinfluß stehenden Unglücksfahrer wurde Haftbefehl wegen fahrlässiger Tötung erlassen. Augsburgs Bischof Viktor Josef Dammertz sprach dem bei der Wallfahrt mitwirkenden Hiltenfinger Pfarrer die Anteilnahme der Diözese aus. Er wolle jedoch nicht generell von den vor allem im Mai und Juni beliebten Pilgerreisen abraten, zumal sich die verunglückte Gruppe ordnungsgemäß verhalten habe.

Bürgerreporter:in:

Harald Schuster aus Hiltenfingen

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