Herrenwaldkirche: Jumpers wagt den Aufbruch

Den "Aufbruch wagen": Margot Käßmann wirbt für das Sozialprojekt des Vereins Jumpers Stadtallendorf in der Herrenwaldkirche (10.07.2014) | Foto: Leif-Erik Zaschke
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Am 10.07.2014 fand in der Ende 2013 entwidmeten Herrenwaldkirche ein Benefizabend statt, bei dem der Verein Jumpers Stadtallendorf e.V. ein Sozialprojekt vorgestellt und den Mietvertrag für das Kirchengebäude unterzeichnet hat. Zu den Unterstützern gehört auch Margot Käßmann, die ihre Jugend in Stadtallendorf verbracht hat und in der Herrenwaldkirche konfirmiert worden ist.

Zum ersten Mal seit der Entwidmung fand in der ehemaligen Herrenwaldkirche eine Veranstaltung statt. Rund 250 Besucher aus Stadtallendorf wollten sich über die zukünftige Nutzung des zentral in der Herrenwaldsiedlung gelegenen Gebäudekomplexes informieren. Der ehemalige Altar war mit einem grünen Tuch mit dem Aufdruck „Aufbruch wagen“ verhängt, und an den Trennwänden zum ehemaligen Gemeindesaal wurden auf Plakaten Vorschläge für die zukünftige Nutzung präsentiert. Zu den bereits entwickelten Ideen gehören ein mobiler Winterspielplatz, eine Kinderbibliothek, ein Raum für Sprachkurse, Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung, ein Sport- und Workshopraum, eine Werkstatt für Kinder und Jugendliche, Räume für Feste und Begegnung.

Verein Jumpers Stadtallendorf will Jugendlichen und Familien eine Perspektive geben
Der Verein Jumpers (Jugend mit Perspektive) ist zukünftiger Mieter und Nutzer der Herrenwaldkirche. Thorsten Riewesell und Tobias Czarski stellten den Verein und die bisherigen Aktivitäten vor.

Der Verein wird von Christen unterschiedlicher Konfession getragen und möchte „Kindern, Jugendlichen und Familien Perspektiven für eine echte Zukunft entwickeln“. Im Vereinsnamen sei das englische Wort „Jump“ enthalten. „Wir möchten, dass Jugendliche einen Sprung im Leben machen“, sagte der Jumpers-Vorstand Thorsten Riewesell. Der Verein engagiert sich in der Stadtteilarbeit, in Bildungs-, Gemeinschafts- und Armutsfragen und sucht gezielt soziale Brennpunkte auf, in denen es „eher schwierig ist, eine Perspektive für das Leben und den Beruf zu entwickeln.“ Jumpers ist auch im Kasseler Stadtteil Helleböhn aktiv und arbeitet in diesem Brennpunkt mit der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GWH zusammen.

Seit September 2013 hat Jumpers-Projektleiter Tobias Czarski mit seiner Frau eine von der GWH zur Verfügung gestellte Wohnung im sozialen Brennpunkt am Eichenhain bezogen. „Wir haben angefangen, mit den Menschen zu leben, und aus den Beziehungen heraus sind einige Angebote entstanden“ berichtete Tobias Czarski. So arbeitet Czarski am vom Projekt „Zeig was Du kannst“ gegründeten Kinder- und Jugendkreis „room4you“ im Musikerviertel mit. Zudem würden der Mädchenkreis „Jump girls“, Freizeitangebote und sportliche Aktivitäten auf den Skate-, Basket- und Fußballplätzen und auch die Trendsportart Jugger angeboten. Die im Eichenhain genutzten Räume sind mittlerweile zu klein worden, und daher hat sich Jumpers schon sehr frühzeitig für die Herrenwaldkirche interessiert. „Als wir hörten, dass die Herrenwaldkirche schließt, war dies natürlich unglaublich bedauerlich“, und da habe er an die Möglichkeit gedacht, die Kirche "für die Kinder und Familien, die hier leben, weiter zu nutzen und diesen eine Heimat und ein Zuhause zu geben“, sagte Thorsten Riewesell. Im weiteren Verlauf des Vortrages wurde das Nutzungskonzept für die Herrenwaldkirche erläutert und um Spenden geworben. Riewesell wies auch auf die noch offene Finanzierung hin. „Ich sage bewusst, wir planen es, denn unser Herz ist schon längst da, aber unser Geldbeutel noch nicht“. Zudem warb er ehrenamtliches Engagement ein: Es gäbe Möglichkeiten als Lesepate, bei der Nachhilfe, der Hausaufgabenbetreuung, in der Werkstatt oder bei Sportangeboten aktiv zu werden.

Margot Käßmann: „Herrenwaldkirche war unsere Heimat“
Prominentester Gast des Abends war Margot Käßmann, die 1972 in der Herrenwaldkirche konfirmiert worden ist und anlässlich des Benefizabends einen Kurzvortag über das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 hielt.

Der Besuch der Herrenwaldkirche war aber auch eine Zeitreise in die eigene Jugend, und so nutzte sie die Gelegenheit, vor der Veranstaltung den ehemaligen Jugendraum zu besichtigen. „Wir waren sehr stolz auf unsere Kirche. Das war unsere Heimat.“ sagte Käßmann und erwähnte auch den im Keller gelegenen Jugendraum. „Es war revolutionär, was wir hier durften. Wir durften hier tanzen, und Pfarrer Lauer war unwahrscheinlich freizügig, was das betraf. Wir haben diese Kirche schon sehr geliebt. Es war eine sehr offene Kirche, gerade für junge Leute“, erinnerte sich Käßmann. Sie ist von der Nutzungskonzeption begeistert und findet es toll „wenn dieses Gebäude mit jungen Menschen belebt wird und nicht einfach leer steht“.
Sie erwähnte auch, dass Menschen aus dem Sudetenland , aus Ostpreußen und Hinterpommern in der Herrenwaldsiedlung eine neue Heimat gefunden hätten und dass die Herrenwaldkirche ihre Kirche gewesen sei. Die Herrenwaldkirche könne auch in Zukunft eine Heimat für Menschen werden, die neu nach Stadtallendorf kommen.

Partnerschaft mit der GWH
Der GWH-Geschäftsführer Stefan Bürger überreichte auf dem Benefizabend eine Förderspende von 1.000 Euro. GWH und Jumpers sind im Kasseler Stadtteil Helleböhn eine Partnerschaft eingegangen, die schon einige Jahre bestehe. „Wir haben mit Jumpers einen sehr renommierten und wertegetriebenen Partner, der nicht im nächsten Jahr verschwindet und irgendetwas zurücklässt. Wir sind für die Steine und Jumpers ist für die Herzen zuständig“, sagte Stefan Bürger. Jumpers wäre zudem ein Partner, der perfekt in die Kirchensituation in Stadtallendorf passe.

Pfarrer Peters: „Gott schreibt für mich Geschichte“
Mit der Aussage „Gott schreibt für mich Geschichte an diesem heutigen Tag. Und dann kommen auf einmal junge Menschen in unsere Stadt und fangen an, mit anderen jungen Menschen Leben zu teilen und etwas aufzubauen“ eröffnete der Stadtallendorfer Pfarrer Thomas Peters seinen Redebeitrag. In dem Projekt von Jumpers sähe er einen positiven und mutigen Schritt in die Zukunft. Er äußerte auch die Hoffnung, dass die diakonische Nutzung der Kirche vielleicht ein Einstieg für eine gottesdienstliche Arbeit in 10 oder 15 Jahren sei. „Wir müssen in größeren Schritten denken“ sagte Peters.
Pfarrer Peters erinnerte in seinem Redebeitrag auch daran, dass es für die Kirchengemeinde und den Kirchenvorstand eine schwierige und harte Entscheidung war, die Herrenwaldkirche aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen.

Förderung von Kindern und Jugendlichen müsse allen am Herzen liegen
Der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Salzer begrüßte in seinem Redebeitrag „jede Initiative, die zur Förderung von Jugendlichen beiträgt. Jumpers ist eine weitere Bereicherung für unsere Stadt.“ Er bedankte sich auch bei allen Ehrenamtlern, denn „ohne bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Tätigkeit wäre unsere Gesellschaft eigentlich nicht lebensfähig.“ Dieses Engagement benötige aber auch finanzielle Unterstützung und da müssten nicht nur die Politik, sondern auch Handel und Industrie eingebunden werden. Die Förderung von Kindern und Jugendlichen sei ein Anliegen, das allen am Herzen liegen müsse. Er wies auch auf die Tatsache, dass in Stadtallendorf Menschen aus 72 verschiedenen Nationalitäten leben. Das Jumpers-Projekt ist für ihn ein Beispiel für Integrationsarbeit. Salzer überreichte im Auftrag der Stadt Stadtallendorf einen Spendenscheck.

Kurzvortrag mit himmlischen Soundeffekten
Zum Abschluss der Veranstaltung hielt Dr. Margot Käßmann den Kurzvortag zum bevorstehenden Reformationsjubiläum 2017. Der Beitrag beschäftigte sich mit den Gründen, warum es sich lohnt, dieses Jubiläum zu feiern.
Bei ihrer Forderung „Das Ziel ist auf jeden Fall ein Reformationsjubiläum mit ökumenischer Dimension“ wurde sie jäh von einem heftigen Blitzeinschlag unterbrochen zuckte kurz zusammen. „Da hat doch jetzt keiner was dagegen oder? Luther hatte ja auch ein Bekehrungserlebnis mitten im Gewitter“, reagierte die Theologin mit großer Schlagfertigkeit auf die durch Himmelszeichen verursachte Unterbrechung ihres Vortrages und hatte damit die Lacher der Zuhörer auf ihrer Seite.
In ihrem Vortrag kam Käßmann nochmals auf die Herrenwaldkirche zurück und äußerte den Wunsch, das mit dem Projekt in der Herrenwaldkirche in "dieser Leistungs- und Erfolgsgesellschaft gezeigt werden könne, dass auch die Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, etwas gelten und wertvoll sind". Die Herrenwaldkirche sei ein Ort, wo dies früher oft zu spüren war.

Auftritt von Judy Bailey
Das musikalische Begleitprogramm war mit der christlichen Sängerin und Komponistin Judy Bailey und Patrick Depuhl hochkarätig besetzt. Sie begeisterte die Kirchenbesucher mit ihren mitreißenden Liedvortägen, zu denen bekannte Titel wie "Time for change" gehörten. Die Musikerin hat bereits Auftritte auf zahlreichen christlichen Großveranstaltungen wie den evangelischen Kirchentagen 2007 und 2011, dem zweiten ökumenischen Kirchentag sowie dem Eröffnungsgottesdienst der Fußball-WM 2006 absolviert.
Für die Moderation des Abends war Daniel Schneider vom WDR zuständig.

Fotos:
Leif-Erik und Sören-Helge Zaschke, Stadtallendorf

Weitere Informationen
*Videobericht zum Benefizabend in der Herrenwaldkirche
https://www.youtube.com/watch?v=MoS1l2sYecA
*Artikel: "Hier geht nichts ohne Beziehungen" im christlichen Medienmagazin pro
http://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detai...
*Artikel: "Neues Sozialprojekt nimmt Fahrt auf" in der oberhessischen Presse
http://www.op-marburg.de/Lokales/Ostkreis/Neues-So...
*Artikel: Evangelische Kirchengemeinde Stadtallendorf vermietet entwidmete Herrenwaldkirche und Gemeindezentrum an Sozialprojekt (24.07.2014)
http://kirche-stadtallendorf.de/cms/front_content....

Bürgerreporter:in:

Leif-Erik Zaschke aus Stadtallendorf

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