Über den Goetheweg auf den Brocken – Unterwegs im Nationalpark Harz

Brockenanblick vom Torfhausmoor.
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Für Wanderfreunde aus Nord- und Mitteldeutschland und erst recht aus den platten Ländern Holland und Dänemark, ist der Harz ein attraktives Ziel. Und in diesem nördlichsten der größeren deutschen Mittelgebirge ist es natürlich der Brocken, der die meisten Wanderer anzieht. Er ist der Berg der Hexen und Geister. Er ist der höchste Berg in weitem Umkreis. Und an seinem kahlen Haupt herrscht das rauste Klima in ganz Deutschland. Dort oben liegt der Schnee nicht selten über zwei Meter hoch. Dort oben toben nicht selten Orkane mit Geschwindigkeiten um die 200 km/h. Und dort oben herrscht eine urwüchsige Natur vor, wie sie sonst nur in nordischen Breiten oder in den Hochlagen der Alpen vorkommt. Man erkennt das an der Höhe der Baumgrenze, die bei etwa 1100 Metern liegt, mehr als doppelt so tief wie in den Alpen. Und natürlich ist auch die Aussicht von seinem Gipfel berühmt, die weit ins Land hineinreicht. Das alles und noch viel mehr ist es, was den Brocken so attraktiv macht, und deswegen wird er auch jeden Tag von vielen Menschen besucht. Ein Großteil davon kommt mit der Schmalspurbahn von Wernigerode, Schierke oder den Orten des Südostharzes herauf. Doch wer einigermaßen gut zu Fuß ist, der zieht natürlich die eigenen Stiefelsohlen vor.

Viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch auf den Brocken. Die am meisten begangenen kommen vom Torfhaus über den Goetheweg, oder von Schierke über die alte Bobbahn oder das Eckerloch herauf. Wer ausdauernder ist, wählt den Anstieg von Bad Harzburg über die Eckertalsperre, von Ilsenburg auf den Spuren Heinrich Heines an den romantischen Ilsefällen entlang, von Wernigerode über die Steinerne Renne, vielleicht am Otto-Fels vorbei und über die Hohneklippen, oder als Alternative an den Zeterklippen vorbei. Die drei letztgenannten sind dann schon Tagestouren. Natürlich kann man auch andere Routen nehmen. Doch im oberen Bereich des Berges trifft man unweigerlich auf einen der genannten Wege.

Mit diesem Bericht möchte ich jedoch eine Tour vorstellen, die wohl in der Kombination ihrer Wege nur äußerst selten begangen wird, die jedoch ganz besonders reizvoll ist. Sie führt durch alle typischen Brockenlandschaften, die gerade diesen Berg so interessant machen und ist deswegen sehr abwechslungsreich. Starten wollen wir dazu am Torfhaus über Bad Harzburg. Und das am besten am frühen Morgen, denn man wird lange unterwegs sein. Knapp 30 Kilometer Strecke sind auf dieser Tour zu bewältigen.
Am Torfhaus ist erst einmal Staunen angesagt. Die kleine Siedlung hat sich seit unserem letzten Besuch im Winter gemausert. Der Harz rüstet auf. Wie neuerdings mit einem eindrucksvollen Skigebiet am Wurmberg, nun auch hier. Eine Vier-Sterne-Hotelanlage mit vielen kleinen Holzhütten ist entstanden. Diese sind in ihrem Stil der Harzlandschaft angepasst, wirken nicht wie Fremdkörper wie so manch andere Hotelanlage. Sie fügen sich, mit Brockenblick, gut in die Natur ein. Auch das Nationalpark-Besucherzentrum kann man sich anschauen, dort Interessantes erfahren oder sogar eine Führung mit einem Ranger machen.

Am Ende der Torfhaussiedlung beginnt der Goetheweg. Ob ihn Goethe tatsächlich so gegangen ist, ist natürlich nicht bekannt. Aber er muss zumindest einen ähnlichen Weg genommen haben. Es war im Winter 1777, als Goethe bei seiner ersten Harzreise an einem Morgen von Altenau zum Torfhaus heraufgeritten kam. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, den Brocken besteigen zu wollen. So sprach er den dortigen Förster Degen an, ob ihn dieser nicht hinauf führen könne. Degen lehnt zunächst ab. Es sei im Winter noch nie ein Mensch dort oben gewesen, entgegnete er dem Reisenden. Doch, wie auch immer, gelang es Goethe, den Förster umzustimmen. Und so stapften sie durch den wohl nur mäßig hohen Schnee, standen am Mittag auf dem Gipfel und hatten einen weiten Blick über die Winterlandschaft.
Fast gleich zu Anfang, gibt es auch auf dem Goetheweg eine Neuerung. Über einen Holzsteg kann man zumindest ein Stück durch das Moor gehen, in dem in früheren Zeiten kurzzeitig sogar einmal Torf abgebaut wurde. Daher rührt der Name der Torfhaussiedelung. Man schaut über Torfmoose und braunes Pfeifengras über eine kahle Fläche zum Brocken hinüber. Fünf bis sechs Meter soll die Mächtigkeit dieses bedeutenden europäischen Hochmoores betragen.

Weiter geht es am Abbegraben entlang. Er ist ein künstlicher Graben und gehört zum Oberharzer Wasserregal, dass neben dem Rammelsberg bei Goslar vor Jahren zum Weltkulturerbe der Unesco ernannt wurde. Auch das wertet den Harz mit seiner Bergbauhistorie enorm auf (und nicht nur George Clooneys Filmaufnahmen in Goslar und anderen Harzorten). So wurde in diesem kleinen Gebirge nicht nur die Fahrkunst erfunden – im Spiegeltaler Hoffnungsschacht in Wildemann -, die den Bergleuten die langen kräftezehrenden Auf- und Abstiege über Leitern ersparte, sondern auch technische Errungenschaften, ohne die unsere Welt heute völlig anders aussehen würde. So das Drahtseil, wurden doch davor Eisenketten für die schweren Förderkörbe in den Schächten verwendet, die wegen ihres enormen Gewichtes immer mal wieder rissen und ganze Schächte zerstörten. Oder, und das war noch revolutionärer, der T-Träger aus Stahl. Ohne ihn würden heute weltweit kein größeres Gebäude und keine größere Brücke errichtet werden können. Nirgends gäbe es eine Wolkenkratzerskyline.

Nach zwei Kilometern erreichen wir den Kaiserweg, der den ganzen Harz quert. Er führt von Bad Harzburg, wo einst auf dem Burgberg die größte aller Harzburgen stand, bis zur einstigen Kaiserpfalz in Tilleda am Kyffhäuser. Diesen Weg soll vor fast einem Jahrtausend von der Harzburg aus König Heinrich IV. nach Italien hin zum Papst Gregor VII. gegangen sein. Es war sein berühmter Bittgang nach Canossa, der bei uns zum geflügelten Wort geworden ist. Aber auch viele andere Kaiser und Könige waren darauf unterwegs, gab es doch damals noch keine Hauptstadt, keinen festen Sitz des Herrschers. Kaiserpfalzen, die oft von den deutschen Kaisern besucht wurden, befanden sich im Harzraum neben Tilleda auch in Goslar, in Derenburg und in Quedlinburg.
Dem Kaiserweg folgen wir nur wenige hundert Meter, dann biegen wir nach Osten ab. Links lassen wir die Luisenklippe liegen, eine von unzähligen markanten Granitklippen des Brockengebietes.
Am Quietschenberg durchqueren wir einen toten Wald mit grauen, kahlen Fichtenstämmen. Auch hier hat wohl der Borkenkäfer zugeschlagen. Im Nationalpark unternimmt man allerdings nichts dagegen, soll sich doch die Natur von selbst regulieren. Ziel ist es in dieser Landschaft natürlich, dass auf längere Zeit ein echter Urwald entsteht, in den der Mensch nicht mehr eingreift.
Noch ein Stück weiter erreichen wir am Eckersprung den Kolonnenweg. Er markiert mit seinen Betonplatten den einstigen Grenzverlauf. Und an dieser Stelle wird sich auf dem Rückweg unser großer Kreis schließen, den wir erwandern wollen. Doch nun wird es erst mal steil, denn es geht zum Königsberg hinauf.
Dort oben erreichen wir die Bahngleise der Brockenbahn, die von Schierke herauf kommt. Ihren Anfang nimmt die Harzquerbahn im Norden in Wernigerode und im Süden in Nordhausen. Auch die Selketalbahn, die bis nach Quedlinburg fährt, ist an diese Strecken angebunden. Es macht einfach Spaß, mit einem solchen nostalgischen Zug quer durch den Harz zu fahren. Und dabei kann man sogar draußen auf der Bühne stehen und die herrliche Landschaft unter freiem Himmel an sich vorbeiziehen lassen.
Und wie reizvoll eine solche Fahrt sein kann, das sieht man immer, wenn man dem Goetheweg parallel zu den Bahngleisen folgt und eine schnaufende und fauchende Lock mit ihren roten Wagen im Schlepptau, die uns doch an unsere Kindheit erinnert, immer mal wieder an uns vorbeifährt.

Gleich zu Beginn dieses Streckenabschnitts unter der Felsgruppe der Hirschhörner, die schon eine Höhe von über 1000 Meter erreicht, hat man einen eindrucksvollen weiten Blick. Man erkennt über einer großen Waldfläche die Torfhaussiedlung mit den rot-weißen Sendetürmen, von der wir gestartet sind und die kahle Felskuppe des Achtermanns.
Weiter geht es sanft bergauf. Zur Linken urwüchsiger Fichtenwald, zur Rechten breitet sich ein weiteres Hochmoor aus. Ein bis zu sechs Meter hoher Damm musste darin beim Bau der Bahn Ende des 19. Jahrhunderts aufgeschüttet werden, um auf festen Untergrund zu kommen.
Nach weiteren zwei Kilometern erreichen wir die Brockenchaussee, die von Schierke heraufführt und die Bahn kreuzt. Deren Gleise ziehen sich in einer Spirale um den Gipfel herum, durften sie doch aus technischen Gründen einen Steigungswinkel von drei Prozent nicht übersteigen. Das hat bei einer Fahrt den Vorteil, dass man einen Blick in alle Richtungen über den gesamten Harz hat.
Das letzte Stück zur Brockenkuppe hinauf, wird so richtig steil. Und dieser Abschnitt ist besonders im Winter schön, denn die Fichten, die immer verkrüppelter werden, da sie von den enormen Schneelasten zu Boden gedrückt werden, gleichen dann weißen Fantasiegestalten. Man meint dann tatsächlich, in einer verzauberten Märchenwelt unterwegs zu sein. Jedem kann ich bei entsprechenden winterlichen Verhältnissen eine solche Wanderung empfehlen. Sie wird bleibende Eindrücke hinterlassen.
Über der Baumgrenze um die gesamte Brockenkuppe herum führt ein etwa zwei bis drei Kilometer langer Rundweg. Vor der Wende war dieser der Standort einer dreieinhalb Meter hohen Mauer, die den Gipfel von außen und innen (wegen Fluchtgefahr der dort stationierten Soldaten und Arbeiter) absichern sollte. Es lohnt in jedem Fall, diesen Weg einmal zu gehen, allein der eindrucksvollen Aussicht wegen. Nach Norden hin sieht man am Harzrand den Kurort Bad Harzburg mit dem Burgberg, Ilsenburg, das sich nach der Wende zu einem wunderschönen Ort entwickelt hat, die Fachwerkstatt Wernigerode mit dem Schloss am Berghang darüber, und hinter alledem schaut man weit ins Land hinein, bis nach Hannover und Magdeburg hin. Nach Westen blickt man auf den gesamten Westharz mit Torfhaus, den langgezogenen Ackerbruchberg mit der Hanskühnenburg und die Clausthaler Hochfläche. Und auch auf die Berge des Leine- und Weserberglandes. Nach Süden hin rückt hinter den Felsklippen der Teufelskanzel und des Hexenaltars der markante Wurmberg mit der Sprungschanze ins Blickfeld, der höchste Berg Niedersachsens, und am Horizont bei klarer Sicht der Thüringer Wald mit dem Großen Inselberg. Nach Osten blickt man hinter den nahen Hohneklippen über den ganzen Unterharz mit seinen vielen Bergkuppen, die sich bis nach Stollberg und Eisleben hin erstrecken. Und bei einigermaßen klarer Sicht liegt auch das kleine Kyffhäusergebirge mit dem Barbarossa-Denkmal im Blickfeld. Das alles und noch viel mehr kann man sehen und bestaunen, und man freut sich darüber, denn eine freie Sicht ist auf dem Brocken nicht selbstverständlich. Ungefähr 200 Nebeltage, an denen die Kuppe zumindest zeitweise in den Wolken liegt, verzeichnet die Wetterstation neben dem Brockengarten. Und so kann es passieren, dass man dort oben, auch wenn man unten vielleicht freie Sicht hat, gegen eine graue Nebelwand schaut.

Auf dem Gipfel kehren die meisten Brockenbesucher in einer der Lokalitäten ein. Wenn man es zünftiger haben möchte, kann man sich aber auch in das kleine Wolkenhäuschen setzen, das älteste Gebäude auf dem Brocken, in dem schon Goethe Unterkunft gefunden hat und darin, geschützt vor den oft unangenehmen Winden, seine Picknicksachen auspacken. Danach geht man einmal zum höchsten Punkt, der durch einen dort abgelegten Fels markiert wird, damit der Brocken die auf Landkarten angegebene Höhe von 1142 Metern auch tatsächlich erreicht, haben doch neuere Sattelitenmessungen ergeben, dass der Berg nicht ganz so hoch ist wie bisher angenommen. Man kann das Museum in der „Brockenmoschee“ besuchen, in dem man viel Interessantes über die Historie des Berges erfährt und macht sich dann, wenn man nicht gerade die Brockenbahn nimmt, an den Abstieg. Normalerweise wird dann derselbe Weg genommen, den man auch gekommen ist. Wir haben jedoch an diesem Tag anderes vor. Wir überschreiten sozusagen den Gipfel und wenden uns der entgegengesetzten Seite des Berges zu.
Dort führt Richtung Norden der Hirtenstieg hinunter, der zu DDR-Zeiten die Vorgrenze markierte und auf dessen Betonplatten die Militärfahrzeuge der Russen und der Volksarmee fahren konnten. Für mich ist dieser Weg, nur in umgekehrter Richtung bergauf, wenn man von Bad Harzburg oder Ilsenburg kommt, der schönste Anstieg auf den Brocken. Teilweise geht es ziemlich steil bergauf. Aber gerade das, und im oberen Bereich der weite Blick ins Land, machen den Reiz des Hirtenstieges aus. Hier spürt man tatsächlich in den Beinen, im Gegensatz zum flachen Goetheweg, dass man einen richtigen Berg erklimmen muss. Etwas Kondition ist auf diesen längeren Anstiegen schon gefragt.
Zunächst geht es über den Kleinen Brocken hinüber, der auch noch über der 1000-Meter-Marke liegt, dann geht es steiler abwärts. Zu beiden Seiten schönster Fichtenwald, der jedoch bald, da er immer dichter und höher wird, die Sicht nimmt. Doch die kann man an der Bismarckklippe haben. Sie liegt in einer Höhe von knapp 900 Metern etwas versteckt links des Weges im Fichtendickicht. Ein kleiner, unscheinbarer Pfad führt hindurch. Und wer auch nur einigermaßen sicher beim Klettern ist, sollte diese Felsen ersteigen, denn der Blick von dort oben ist fantastisch. Man schaut über die weiten Flächen der Nadelwälder. Tief unten leuchtet das Blau des Eckerstausees. Rechts davon erkennt man die Scharfensteinklippe, und am Harzrand Bad Harzburg mit dem Burgberg, auf dem im Mittelalter die prächtige Harzburg stand, von der leider nur noch dürftige Ruinenreste übriggeblieben sind. Aber auch ein über 40 Meter tiefer Burgbrunnen - der am Kyffhäuser ist über 180 Meter tief -, durch dessen Geheimgang in der Tiefe der Legende nach einst König Heinrich IV. vor den Sachsen von der Burg geflohen sein soll.
Nach etwa vier Kilometern Abstieg erreichen wir die Weggabelung vor der Scharfensteinklippe. Wo zu DDR-Zeiten eine kleine Kaserne stand, befindet sich heute ein Ausflugslokal. Nach rechts führt der Weg nach Ilsenburg hinunter. Wir wenden uns jedoch nach links, folgen aber kurz darauf nicht der Ausschilderung zum Torfhaus, eigentlich unserem Ziel, sondern der nach Bad Harzburg, wollen wir doch den etwa zwei Kilometer langen Eckerstausee umrunden. Und das lohnt sich unbedingt.
Nachdem man ein Waldstück hinter sich gelassen hat, wird der Blick auf den See frei, und dann führt der Weg direkt an seinem gewundenen Ufer entlang. Dabei ergeben sich nach unten zum See, zu dessen entgegengesetzten Ufer und auch zur Sperrmauer der Talsperre hin, die schönsten Anblicke.
Irgendwann kommt man zur Rechten an einem toten Wald vorbei. Auch hier wohl das Werk des Borkenkäfers. Doch nicht alle toten Bäume sind darauf zurückzuführen. In manchen Gebieten ist es wohl auch der saure Moorboden, der zum Absterben der Bäume beiträgt. Und am Boden bewundern wir immer wieder die herrlichen Fliegenpilze, die jetzt im Herbst überall den Boden schmücken. Pilzsucher kommen jetzt wohl voll auf ihre Kosten. Doch sollten sie dabei vorsichtig sein, denn immer mehr fremde Arten, die unseren einheimischen zum Teil sehr ähnlich sind, schleichen sich bei uns ein. Die Globalisierung macht auch vor unseren Wäldern nicht halt. Sporen aus fernen Urlaubsländern werden an Schuhsohlen beim Wandern oder Pilzesuchen verbreitet.

Am Ende des Stausees geht es über die Mauerkrone der Talsperre. Da die Ecker einst die Grenze zwischen den beiden deutschen Ländern bildete, führte diese auch mitten durch den See und mitten durch die Sperrmauer. Eine Backsteinmauer, die quer über die Mauerkrone gezogen war, versperrte uns Westlern bis zur Wende den Weiterweg zum anderen Ufer, wenn wir damals von Bad Harzburg über das Molkenhaus bei einer Wanderung heraufkamen. Es war schon irgendwie seltsam, dann von dieser Stelle, wo heute als Erinnerung noch ein Grenzpfahl der DDR steht, zum anderen Seeufer hinüberzublicken und zu wissen, dass das die Ostzone war. Ein Teil Deutschlands, der aber doch nicht zu uns gehörte, sondern zum Ostblock, zur Sowjetunion. Zu dem Bereich der Welt, der kommunistisch und der mit uns verfeindet war. Es war die Zeit des Kalten Krieges, das Zeitalter der Abertausende Atomraketen mit noch viel mehr Atomsprengköpfen, die auf beiden Seiten dieser Grenze stationiert waren. Und damals hätten wir es uns nicht im Geringsten erträumen lassen, dass es irgendwann einmal wieder ein einziges Deutschland geben würde. Und so selbstverständlich wie es für uns damals ein geteiltes Deutschland gab, ist es für die heutige Jugend selbstverständlich, dass es nur ein einziges Deutschland gibt. Viele Kinder und auch junge Leute wissen heute kaum noch etwas von den damaligen Verhältnissen, und auch nicht von dem Wunder der friedlichen Revolution, die wir älteren Generationen nie vergessen werden. Und immer, wenn wir in dieser Landschaft unterwegs sind, denken wir auch unweigerlich daran zurück.
Nach Überquerung der Sperrmauer mit dem schönen Blick auf die in der Sonne blau glänzenden Fluten des Sees, den dunkelgrünen Fichtenwald an den Berghängen dahinter, den Scharfensteinklippen links und den beiden Torfhaussendern oben rechts über den Bergen, teilt sich der Weg. Wir wählen natürlich den ufernahen, auch wenn dort ein Schild warnt: „Schwieriger, naturbelassener Weg“. Aber als so schwierig erweist sich der zunächst kleine Pfad, der später in einen breiteren Weg übergeht, dann doch nicht, und wir haben immer wieder schöne Blicke durch den Wald auf die Wasserfläche.
Am Ende des Sees befindet sich eine kleine Schlucht. Dort mündet die Ecker in den Stausee. Viele Felsen liegen malerisch im Wasser. Ein Anblick, der irgendwie an nordamerikanische Seen denken lässt. Fehlen nur noch die Bären dazu, die Lachse fangen.
Während wir den See hinter uns lassen, geht es auf schmalem Pfad durch allerschönste, wilde Natur. Immer an der plätschernden Ecker entlang, deren Ufer, zunächst noch ein ganzes Stück tiefer, wir bald erreichen. Kleine Wasserfälle haben sich in dem felsigen Bett gebildet. Dazwischen steht das Wasser auch mal fast ruhig. Die braune Farbe zeigt an, dass es sehr eisenhaltig ist. Sämtliche Felsen sind mit grünen Moosen überzogen. Dazwischen Farne und Blaubeerkraut und umgestürzte Bäume. Eine Vegetation mit dichten Matten, die auf die starken Niederschläge hinweist, die hier zum Westrand des Harzes niedergehen. Es ist eine urwüchsige Natur, eines Nationalparks würdig.
Je höher wir kommen, desto kleiner wird die Ecker. Zum Teil wird der Pfad matschig, und steht sogar unter Wasser. Man sollte also auf dieser Tour mit robusten Wanderstiefeln unterwegs sein. Einmal sehen wir links ein kleines Hochmoor. Diverse gibt es davon im Brockengebiet.
Zwischendurch gibt es auch zwei Möglichkeiten, an denen man Richtung Torfhaus abbiegen kann. Dadurch wird die Strecke kürzer, doch sie führt über eher breite, langweiligere Fahrwege. Wir folgen weiter der Ecker, bis wir schließlich, schon etwas geschafft, den Eckersprung unter dem Königsberg erreichen. Und damit hat sich unser großer Kreis geschlossen. Nun noch einige Kilometer den Goetheweg zurück, und dann sind wir wieder am Torfhaus.
Eine für eine Brockenwanderung lange Strecke haben wir hinter uns. Viel haben wir auf dieser Tour gesehen, und viele Male haben wir dabei über die wunderbare Natur gestaunt. Es lohnt sich immer wieder, im Brockengebiet unterwegs zu sein. Egal zu welcher Jahreszeit. Immer ist es anders, und ist auf eine andere Art schön. Deswegen werden wir auch immer wiederkommen und alle nur möglichen Wege ausprobieren. Und jeder, der für die Natur etwas übrig hat, der weiß wie viel Freude das machen kann.

Siehe auch:

<a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.myheimat.de/schierke/freizeit/der-harz-das-noerdlichste-mittelgebirge-von-seiner-schoensten-seite-d2819420.html">Der Harz - Das nördlichste Mittelgebirge von seiner schönsten Seite</a>

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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