Plattenbauten - Arbeiterschließfächer - im Beitrittsgebiet der DDR - nur dort?

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Verächtlich, möglicherweise aus Unwissenheit, werden wir Ostdeutschen aus westdeutschen, altbundesbürgerlichen Mündern von „Brüdern und Schwestern“ auch 25 Jahre nach Verkündung „blühender Landschaften“ im Beitriitsgebiet mit dem Vokabular von Plattenbauten, Plattenbausiedlungen bzw. Arbeiterschießfächer, überschüttet. Die Absicht, uns dafür zu schämen oder gar zu entschuldigen und dem Wohlstandsstaat überhaupt dankbar zu sein, uns Unterkunft im Wohlstandsgebiet gewährt zu haben, verbirgt sich hinter diesen Ausdrücken. Verständlich, wenn sie von wohlhabenden Besitzern von Villen, Eigenheimen, Appartements oder gar Schlössern, kommen. Diese Bürger können doch gar nicht anders denken, weil sie „Glückes Heim - ganz allein“ erlebt haben und sich nicht vorstellen können, Grund und Boden mit anderen teilen zu müssen. Nicht ganz verständlich, sie von Bürgern des anderen Teilstaates alter Nachkriegssituation hören zu müssen. Ganz schlimm, wenn diese sogar noch aus Gemeinschaftshäusern kommen, die auch im Westen in den 1970er Jahren wegen des Wohnraummangels aus Beton gegossen wurden und so ähnlich wirken, wie die brüderlichen und schwesterlichen rechteckigen mehrstöckigen vielzähligen, aus industriemäßig gefertigten Betonteilen, genannt Platten, hergestellten Schließfächer für das Volk. Und dann gar noch abseits der Zentren von Städten, auf der grünen Wiese hin gebaut, als Neubaugebiete oder Siedlungen, was wiederum zu Begriffen wie „soziale Brennpunkte, auch milieugeschädigte Viertel, geringschätzig wertend, führte. Völlig unverständlich für altbundesbürgerlich geformte Menschen, von einer ganzen Stadt wie Stalinstadt/Eisenhüttenstadt im Grüngebiet an der Oder zu hören. Eine sozialistische Stadt auf deutschem Boden! Die Einzige – aus lauter Fertigteilen, Platten – oh Gott, oh Gott!!
Kann man das alles unseren westdeutschen Altbundesbürgern verdenken? Nicht so absolut, denn sie unterliegen ihrem gelebten Leben, wie wir es eigentlich von ihnen auch zugestanden haben möchten. Es fällt ihnen jedoch schwer, eingedenk ihrer „Siegerrolle“, in die sie sich durch die Medien und Parteien haben, einfangen lassen, uns gegenüber das zum Ausdruck zu bringen. Diese wollten ihnen die Sicherheit vermitteln, Glück auf dem Wohnungsmarkt gehabt zu haben, eine Wohnung ergattert zu haben, obwohl ihnen dieses Recht alt GG, gar nicht zugebilligt wird und Ähnliches, wie in der gegenüber liegenden „Sowjetzone“, später DDR, vom Vater Staat, kraft seiner Verfassung, zu erwarten.
Apro pos - „Vater Staat“! Weiß eigentlich der Normalo vom Verfassungsgrundsatz der DDR, von Rechten auf Wohnraum und Arbeit? Nach unseren nun langjährigen Erfahrungen, wissen sie davon nichts, sie können sich das auch nicht vorstellen, weil es ihnen verschwiegen wird und das nicht als Teil der Daseinsfürsorge des Staates rechtlich erfaßt wird. Aus gutem Grund, wirft es doch als Bestandteil des kapitalistischen Marktes, Gewinn und Reichtum ab und das nicht wenig, wie wir Neubürger es nun in dem Vierteljahrhundert am eigenen Leibe erfahren mußten.
Warum eigentlich entschloß sich die Arbeiter – und Bauernmacht - die sozialistische Diktatur - unter der Führung einer Partei der SED – im Bündnis mit anderen demokratischen Parteien, genannt Blockparteien, „das Wohnungsbauprogramm der DDR, vom Zentralkomitee der SED auf seiner 10. Tagung am 2. Oktober 1973 zu beschließen“?
Ganz einfach, aus der Notlage heraus! Die Industrie wuchs und erforderte Arbeitskräfte, die ausgebildet vom Staat in die Zentren zogen und Wohnraum benötigten, der in den Städten nicht genügend vorhanden war. Dieses Problem durch Nutzung des Altwohnungsbestandes und Sanierung in den Stadtzentren zu lösen, dauerte zu lange und war mit „unnötigem Aufwand“ verbunden. So sollte das „Wohnungsbauprogramm, als Kern des sozialpolitischen Programmes der führenden Partei“ die Wohnungsfrage (Wohnungsnot) als sozialpolitisches Problem von 1976 bis 1990 lösen“.
Daraus wurde durch den Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 zur BRD nichts. Im Gegenteil, so mancher errichtete Neubaublock, wie genannt, wurde wegen Leerstand überflüssig, erzeugte Kosten und wurde abgerissen, schamhaft, „zurückgebaut“. In manchen Fällen beließ man es bei Rückbau der Blöcke, um zu einer Auflockerung und Verbesserung des Wohnumfeldes zu gelangen. Fassaden wurden gedämmt und gestrichen und erhielten so vielfach ein neues ansehnliches Gesicht. Es wurden aus Mitteln der EU und anderer Quellen Gelder investiert und das Leben in den Stadtteilsiedlungen wohnlicher zu gestalten. Durch die Stadtteile Rostock Evershagen, Lütten Klein und Lichtenhagen führt eine Straßenbahnlinie mit Anschluß an das Stadtzentrum und den Hauptbahnhof Rostocks. Die so zu Unrecht gescholtenen Plattensiedlungen gewannen an Attraktivität und die Bürger leben gerne hier, zumal sie alle Vorteile des Lebens in unmittelbarer Nähe haben.

Was „ lernt uns das“? Erst nachdenken, dann urteilen! Die PLATTE ist gar nicht so schlecht, wie sie gemacht wurde!

Bürgerreporter:in:

Hans Jürgen Grebin aus Rostock

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