Die natürlichen Lebensgrundlagen

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Der Artikel 20a (seit 1994) des Grundgesetzes lautet:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ... durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Tatsächlich aber werden unsere natürlichen Lebensgrundlagen bei weitem nicht ausreichend geschützt. Sie werden im Gegenteil extrem gefährdet: Staat, Wirtschaft und unsere Zivilgesellschaft, wir alle ÜBERnutzen die Erde, ihre Ergiebigkeit, insbesondere was Agrarproduktion und Förderung mineralischer Rohstoffe betrifft. Es ist verhängnisvoll für zukünftige Generationen, anzunehmen, es sei unerheblich, dass wir jene Kohlenstoffvorräte seit 150 Jahren als Kohle, Erdöl oder Erdgasverbrennen, die sich in 500 Millionen Jahren im Boden angesammelt haben.

Schon im Altertum gab es Entwaldungen und große Probleme im Bereich von Abwasser und Abfall. (Don't throw anything away - there ist no away! heißt es zu Recht beispielsweise in England heute.)

Der US-amerikanischer Evolutionsbiologe und Geograf Jared Diamond untersuchte einige Kulturen von den alten Maya bis hin zu den Statuenerbauern der Osterinsel, insbesondere die Gründe für ihren Zusammenbruch.
In seinem Buch "Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen" schrieb er (2005):
"Mein letzter Grund zur Hoffnung erwächst wiederum aus den Verflechtungen in der modernen, globalisierten Welt. Die Gesellschaften früherer Jahre hatten weder Archäologen noch Fernsehen...
Wir haben die Möglichkeit, aus den Fehlern der Menschen an weit entfernten Orten und in weit entfernter Vergangenheit zu lernen. Diese Möglichkeit hatte keine frühere Gesellschaft auch nur annähernd in dem gleichen Ausmaß. Dieses Buch habe ich in der Hoffnung geschrieben, dass eine ausreichende Zahl von Menschen sich dafür entscheiden wird, die Gelegenheit zu nutzen und es anders zu machen."
Wikipedia fasst wie folgt zusammen:
'In "Kollaps: Warum Gesellschaften überleben oder untergehen" betrachtet Jared Diamond beispielhaft einige Kulturen, die sich durch Übernutzung der Umwelt bzw. durch falsche Reaktion auf allgemeine Umweltveränderungen selbst zugrunde richteten und dann in sehr kurzer Zeit einen vollkommenen
gesellschaftlichen Zusammenbruch erlebten. So analysiert er beispielsweise die Wikinger in Grönland, die Anasazi in Nordamerika, die Polynesier auf der Osterinsel oder die Maya in Mittelamerika. Er behandelt aber auch positive Beispiele von Kulturen, die trotz ungünstiger Voraussetzungen durch Anpassung überleben konnten. Er nennt hier die Isländer, die Inuit in Grönland, Japan unter dem Tokugawa-Shogunat und Populationen einiger polynesischer Inseln. Zudem leitet er aus diesen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen
für die heutigen Gesellschaften ab, die er weltweit in einer ähnlich gefährlichen Gesamtsituation sieht.'
https://de.wikipedia.org/wiki/Jared_Diamond
'Im Ergebnis seiner Untersuchung sieht Diamond trotz seiner verheerenden Gesamtdiagnose "Zeichen der Hoffnung" und Grund für einen "vorsichtigen Optimismus" für die Zukunft, da trotz großer Gefährdungen eine kluge Reaktion auf die veränderten Gesamtbedingungen der ökologischen Weltbedingungen theoretisch noch möglich sei.'
https://de.wikipedia.org/wiki/Kollaps_%28Buch%29

Dass sich Diamond auch mit Anthropologie beschäftigt, wird hier deutlich:
"Für mich hat es den Anschein, als ob auch die starrsinnige Opposition gegen ökologische Bedenken in den Industrieländern heute auf Wertvorstellungen zurückzuführen ist, die wir uns in jungen Jahren angeeignet und später nie mehr hinterfragt haben."

Diamond benennt mehrere ökologische Probleme, eines davon der anthropogene Klimawandel. Inzwischen ist dieses das vorherrschende Problem. Vor kurzem erschien von Hans Joachim Schellnhuber das Buch "Selbstverbrennung"
"'Um jedes Zehntelgrad zu kämpfen' lohne sich, davon ist Deutschlands wichtigster Klimaforscher mit internationaler Reputation überzeugt. Er streitet seit Jahrzehnten darum, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dem Klimawandel und seinen dramatischen Folgen endlich ins Auge sehen – und alles daran setzen, ihn aufzuhalten.
In einem brisanten Thesenbuch spitzt er seine Kritik noch einmal zu: Nach derzeitigem Wissensstand bewegt sich unsere Zivilisation nicht auf die oft genannte Zwei-Grad-Grenze, sondern viel dramatischer auf eine Erwärmung von 3 bis 4 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu. Die fortgesetzte Verbrennung fossiler Energieträger droht zum kollektiven Suizid zu führen. Hans Joachim Schellnhuber fasst das aktuelle Wissen in aller Schärfe zusammen, damit die Politiker auf der 'Schicksalskonferenz' in Paris im Spätherbst 2015 die letzte Chance zum Umsteuern ergreifen." beschreibt der Buchhandel den Inhalt.

Mitunter sind Anekdoten der Wissenschaftsgeschichte eingestreut; beispielsweise zitiert er den irischen Physiker John Tyndall (* 1820, † 1893), der unter anderem die Lichtstreuung in trüben Medien untersuchte und dabei den Tyndall-Effekt fand, aber auch feststellte, dass Kohlendioxid, Ozon und Wasserdampf die Wärme aborbieren: "Wasserdampf ist eine Decke, welche das Pflanzenleben Englands nötiger braucht als die Menschen Kleidung. Wenn man diesen Dampf nur für eine einzige Sommernacht aus der Lufthülle entfernte, würde die Sonne am Morgen über einer Insel im eisernen Griff des Frostes aufgehen."

Besonders bedeutsam sind die empirischen Nachweise, dass
"erstens die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre tatsächlich ansteigt,
zweitens diese Anreicherung zweifelsfrei aus zivilisatorischen Quellen gespeist wird,
drittens die so bewirkte Strahlungsbilanzänderung sich bereits in signifikanten klimatischen Veränderungen niederschlägt und
viertens diese Umweltveränderungen von ihrer Charakteristik her einzig und allein vom Treibhausgasantrieb stammen können."

"Das Klima hat sich schon immer geändert und wird dies auch weiterhin tun!", "Der Mensch ist enorm anpassungsfähig und hat sogar die Eiszeit überstanden!" oder "Es gibt kein schlechtes Wetter - nur falsche Kleidung!"
Alle diese Binsenweisheiten werden geprüft und verworfen.

"Das Phänomen des Umkippens eines komplexen Umweltsystems ist vielen Naturliebhabern im Kleinen durchaus geläufig. Vor allem stehende Gewässer können durch Überdüngung (Phsphor, Stickstoff) von Algen erobert und so der chemischen Essenz, des Sauerstoffs, beraubt werden."
Als Kippelemente, nämlich "Stellen im Erdsystem, wo unter dem Einfluss menschlicher Störungen die Dinge völlig aus dem Ruder laufen könnten", werden Bestandteile des globalen Klimasystems bezeichnet, die bereits durch geringe äußere Einflüsse in einen neuen Zustand versetzt werden können.
Bereits jetzt sind die tropischen Korallenriffe akut gefährdet.
Die Gefährdung des arktischen Sommer-Meereises und der alpinen Gletscher deutet sich an.
Bei einer einer Erwärmung von mehr als 2 Grad Celsius drohen weitere Systemelemente zu kippen.
"Der Ausgang der Geschichte ist allerdings offen: Immer noch kann sich der Mensch von der fossilen Verführung lossagen und vor dem selbst errichteten Scheiterhaufen kehrtmachen. Wenn Wissen und Wollen umgehend zusammenfinden. Und wenn wir deutlich mehr Glück als Verstand haben …" Schellnhuber nennt auch eine auf ihn gemünzte Bezeichnung: "Kassandra vom Telgraphenberg".

In seinem Buch nennt Schellnhuber drei Fragen für einen "Sozialversuch", den er schon mehrfach bei seinen Vorträgen gemacht hat:
"1. Frage: Glauben sie, dass es Ihnen heute besser geht als damals Ihren Großeltern?
Reaktion: Eine überwältigende Mehrheit im Auditorium reckt nach kurzem Zögern den Arm hoch.
2. Frage: Glauben Sie, dass es Ihren Enkeln einmal besser gehen wird als Ihnen heute?
Reaktion: Fast alle Hände bleiben unten; die wenigen, die den Arm oben haben, schauen sich verschämt oder trotzig im Saal um.
3. Frage: Finden sie das in Ordnung?
Reaktion: Keinerlei Armbewegung, vereinzeltes verlegenes Lachen..."

Auch der britische Physiker und Astrophysiker Stephen Hawking (er ist kein Klimaforscher, genießt aber hohe wissenschaftliche Reputation) macht sich darüber Gedanken:
'Als konkrete Bedrohung nennt Hawking die Gefahr eines Atomkriegs, die globale Erwärmung und gentechnisch veränderte Viren....Da die Menschheit aber nicht in der Lage sei, in den nächsten hundert Jahren eigenständige Kolonien im All zu gründen, müsste sie bis dahin sehr vorsichtig sein.
Am Ende landet Hawking bei einem Thema, das spätestens seit der Erfindung der Atombombe immer wieder literarisch verarbeitet und öffentlich diskutiert wurde: "Wir werden nicht aufhören, Fortschritte zu machen", sagt der 74-Jährige. Daher sei es wichtig, mögliche Gefahren neuer Entwicklungen zu erkennen und zu kontrollieren. "Ich bin ein Optimist und ich glaube, wir können das schaffen."'
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stephen-...

Wie das gehen soll, zeigen die neun Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem Comic zum Gutachten «Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation».
http://www.wbgu.de/fileadmin/templates/dateien/vor...
http://www.wbgu.de/comic-transformation/

Ein "Szenario geht davon aus, dass die Klimaforschung im Großen und Ganzen recht hat und die Warnungen der Wissenschaft eine rechtzeitige Transformation der Weltwirtschaft in Richtung Null-Emissionen bewirken."
Oder "mit großer Wahrscheinlichkeit wird eben auf der wirklichen Weltbühne der tragische Triumph gegeben werden, wo die Wissenschaft zwar das rechte Licht verbreitet, aber dieses Licht nicht ausreicht, um der Menschheit den richtigen Weg zu weisen. Sehr, sehr traurig, aber zweifellos realistisch?" (Schellnhuber)

Bürgerreporter:in:

Jost Kremmler aus Potsdam

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