Ohne Urin drohte Ruin! – Tuchfärber machten am Montag „Blau“

Färber; Darstellung von 1567
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Ohne Urin drohte Ruin! – Tuchfärber machten am Montag „Blau“

Begehrt, weil zeitlos schön, sind viele alte Tuchwaren. Das gilt besonders auch für die häufig sehr prächtig blau-weiß gemusterten Tücher und Tischdecken aus dem 19. Jahrhundert. Viele Geheimnisse ranken sich um den Herstellungsprozess dieser Blaufärber-Produkte. Blaudruck war und ist ein sogenanntes Reservedruckverfahren. Der Blaufärber bedruckte die Stoffe zunächst mit einem "Papp" (wachsähnlich). An den so „reservierten“ Stellen nahm der Stoff im späteren Färbeprozess keine blaue Farbe an. Die so entstehenden weißen Muster auf den Stoffen werden also eigentlich nicht gedruckt, sondern erscheinen einfach in den ursprünglichen Stofffarben, da sie an diesen Stellen keine Farbe angenommen haben. Für dieses Bedrucken der Stoffe verwendete der Blaufärber aufwendig handgefertigte Druckmodel (eine Art übergroßer Stempel) aus Holz und auch Metall. Die Model waren der „Schatz“ eines jeden Blaufärbers. Die Zusammensetzung des zähflüssigen Papps war eine Rezeptur aus diversen Zutaten und wurde von den Blaufärbern als Geheimnis gehütet. Aneinandergesetzt ergaben die Model so das endlose Muster der Meterwarenstoffe. Beim Bedrucken von Tischdecken wurden Model mit Flächenmuster sowie schmalere Model für Bordüren verwendet.
Die so bedruckten Stoffe wurden über mehrere Tage getrocknet um dann schließlich in der Färbeküpe gefärbt zu werden. Dabei wurden die bedruckten Stoffe auf Ringreifen gespannt, und in mehreren Arbeitsgängen in die Färbeküpe eingetaucht. Dazwischen wurden die Stoffe immer wieder herausgezogen. Durch die Oxidation an der Luft erhielten sie erst nach und nach ihre leuchtende blaue Farbe. Abgeschlossen wurde der Färbevorgang in einem leicht Schwefel-saurem Bad. Hierbei wurde der Papp aus den Stoffen herausgewaschen und nach und nach erschienen die weißen Muster auf blauem Grund. Nun wurden die Stoffe mehrfach gespült, gewaschen und möglichst an der Luft getrocknet. Im Fundus des Peiner Kreismuseums befinden sich historische Blaudruck-Model und auch entsprechende Textilien.

Montags wurde blaugemacht

Das Färben galt im Mittelalter als „schmutziges“ Geschäft. So galten Färber häufig als unrein, weil sie mit übel riechenden Substanzen (wie Urin) umgingen! Die Redewendung „blaumachen“ soll aus der Praxis des Färberwesens entstanden sein, speziell der Indigo- oder Waidfärber, die für die Herstellung des Indigoblau die Blätter des Färberwaid in Kübeln mit (menschlichem) Urin vergoren. Um genügend Urin zu erhalten, wurde der Tag dazu benutzt, sich reichlich zu betrinken. Später wurden die gefärbten Stoffe in einer letzten Phase des Färbevorgangs an der Luft getrocknet, wobei erst in dieser Phase durch Oxidierung die blaue Färbung entsteht. Weil die Blaufärber in dieser Phase denkbar wenig gearbeitet haben, soll aus dem gesamten technischen Vorgang des Blaumachens ein allgemeinsprachlicher Ausdruck für „Nichtstun“ entstanden, und auch der Ausdruck Blauer Montag soll hieraus abzuleiten sein, weil der Montag der übliche Tag für die letzte Phase des Blaufärbens gewesen sei.
Welcher Zeitgenosse wurde ferner nicht schon mal nach einem abendlichen „Total-Absturz“ mit den empörenden Worten „Du bist ja total blau“ empfangen, obwohl man eigentlich nur ziemlich betrunken war!
In historischen Stadtkernen findet man bisweilen Bezeichnungen wie Färbergasse oder Färberstraße, die auf die einstigen „anrüchigen“ Anwohner hinweisen. Das Färberwesen selbst hat eine jahrtausendealte Tradition und ein eigenes Berufsbild mit zahlreichen Spezialisierungen herausgebildet. Heute wird es – sofern nicht handwerklich ausgeführt – der chemischen Industrie zugerechnet. Das aktuelle Branchenverzeichnis für Peine führt nur noch einen Betrieb unter „Färbereien“, dabei handelt es sich um eine chemische Reinigung, die das Färben noch anbietet.

Färber; Darstellung von 1567
2 Model und fertige Decke
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