Auf den Spuren der Oldenburger Palme

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Wenn es im Norden Deutschlands kalt und ungemütlich wird und die Felder vom Raureif weiß überzuckert sind, dann beginnt die Grünkohlsaison. Das nahrhafte Gemüse hat seit Jahrhunderten im Norden einen besonderen Stellenwert – nicht nur in der selbsternannten „Kohltourhauptstadt“ Oldenburg. Doch dort kann man sich dem scherzhaft auch „Oldenburger Palme“ genannten Gemüse bis heute am besten nähern. Die fahrradfreundliche Universitätsstadt im Norden von Niedersachsen überrascht dabei durch eine gelungene Mischung aus Geschichte und Gegenwart und die hohe Lebensqualität. Für Touristen gibt es auch neben dem Grünkohl eine Menge zu entdecken.

Grünkohl. Das ist die große Leidenschaft von Christoph Hahn. Der junge Mann hat zu dem weltweit verbreiteten Wintergemüse nicht nur seine Bachelor-Arbeit geschrieben, sondern sitzt gerade an seiner Doktorarbeit über den Kohl. Die führt ihn immer wieder auch in die Versuchsbeete im Botanischen Garten. Auf einigen Quadratmetern haben er und seine Mitstreiter dort verschiedene Grünkohlsorten kultiviert. Wie sich die unterscheiden? Beherzt greift Christoph Hahn zu und rupft aus jeder der verschiedenen Sorten einige Blätter zur Verkostung. Schnell stellt man fest, dass Bitterstoffe, Süße und Aromen ganz unterschiedlich ausfallen. Davon profitiert auch der Oldenburger Chocolatier Christian Klinge. Als dieser vor vier Jahren von Oldenburg Tourismus mit der Produktion von Grünkohl-Schokolade beauftragt wurde, wollte zunächst gar nichts gelingen. Schließlich wechselte der Genussexperte von der Schokolade zur Praline. Mit Hilfe der Wissenschaftler der Universität entschied er sich wegen des geringen Bitteranteils für die alte italienische Grünkohlsorte Palmizio. Der Kohl wurde drei Tage gekocht und reduziert – aus Geruchsgründen in der heimischen Küche und nicht im Café Klinge am Julius-Mosen-Platz. Mit reichlich weißer Schokolade vermengt und umhüllt von dunkler Schokolade und rosa Pfeffer gelang Christian Klinge schließlich eine ungewöhnliche aber schmackhafte Kreation, die sich bis heute gut verkauft. Diese reiht sich ein in eine ganze Kollektion von Grünkohlprodukten vom trüben Grünkohlbier aus der Kleinbrauerei bis hin zu Grünkohl-Tee mit mildem Sencha-Tee und einem Hauch von Pfirsich.

Natürlich gibt es den Grünkohl auch klassisch. Wer mag kann sich dem Grünkohlessen ganz traditionell nähern und mit Bollerwagen, Musik und Schnaps wie schon im 19. Jahrhundert auf Kohlfahrt gehen. Was einst zwei bis drei Stunden dauerte und an einer urigen Kneipe mit einem Kohlessen endete, kann man heute noch am Rand der Oldenburger Innenstadt erleben ohne dabei überraschte Blicke zu ernten. Kohltour und das ebenfalls für den Norden typische Boßeln lassen sich dabei hervorragend verbinden. Bei diesem Spiel versuchen zwei Mannschaften eine rund 600 Gramm schwere Kugel in die richtige Richtung zu rollen und am Ende der Tour siegreich zu sein. Heute steht dabei mehr der Spaß im Mittelpunkt – sogar eine Stadtführung ist boßelnd machbar. Reizvoll ist aber auch eine Führung auf Plattdeutsch. Helga Diers bietet diese regelmäßig an und führt die Gäste nicht nur zum Schloss Odenburg und zur sehenswerten St. Lamberti-Kirche. Auch die vor fast 50 Jahren eröffnete Fußgängerzone ist Teil des Rundgangs mit der Oldenburgerin aus Begeisterung. Beim Weg durch die Stadt gilt es aufmerksam zu bleiben, denn einige der vielen Radfahrer sind reichlich rabiat unterwegs. Am Abend kann man zum Beispiel im Ratskeller des dreieckigen Alten Rathauses einkehren und Grünkohl mit Pinkel, einer typisch norddeutschen Grützwurst, probieren. Einst wurde bei großen Grünkohlgelagen der letzte Esser zum Grünkohlkönig ernannt. Erhalten hat sich hingegen die Tradition des Ammerländer Löffeltrunks. Dabei wird nach dem Essen Schnaps von großen Löffeln verkostet. Wer nach soviel Schlemmerei eine Auszeit braucht, hat es nicht weit in Oldenburg. Die Olantis-Saunawelt liegt nicht weit vom Schloss entfernt. Mehrere Saunen und weitläufige Ruhebereiche laden das ganze Jahr über zu einem Besuch ein. Aufgüsse und Masken, gänzlich Grünkohlfrei, sorgen für Abwechslung. Verbunden ist die Wellnesswelt mit dem gut besuchten Schwimmbad Huntebad.

Verbinden kann man einen Kurzurlaub in Oldenburg mit einer Fahrt nach Emden. Die 80 km entfernte Küstenstadt steht unter anderem für Teekultur. Als Weltmeister im Teetrinken trinkt jeder Ostfriese im Jahr rund 300 Liter Tee und damit deutlich mehr als Japaner oder Chinesen. Echte Teeexperten findet man zum Beispiel im 1873 gegründeten Emder Teehaus „Thiele & Freese“. Inhaber Thiele erweist sich als waschechter Ostfriese und zelebriert den Teegenuss. Kluntje und Sahne gehören bei ihm in den starken Tee. Dazu gibt es Rosinenbrot mit Butter und zum Dessert sogar hauseigene Pralinen. Stunden könnte der Inhaber des Teekontors über seine Leidenschaft für den Ostfriesentee, eine Mischung verschiedener Teesorten, erzählen. Doch in Emden gibt es noch mehr zu sehen. Kunstliebhaber können in der Kunsthalle Emden zur Zeit eine Sonderausstellung des Malers Nikolai Astrup zum Thema Norwegen sehen, die als Höhepunkt des diesjährigen Ausstellungsprogramms gilt. Ottifanten-Freunde kommen um einen Besuch des Otto-Hauses nicht herum. Schiffsliebhaber entdecken im Hafenbecken nicht nur große Segelschiffe, sondern auch einen alten Seenotrettungskreuzer und ein Feuerschiff. Wer sich auf ein Gespräch mit der Wirtin einlässt, erfährt eine Menge über die Stadt, ihre Geschichte und die kulinarischen Besonderheiten. „Oldenburger Palme“ hat sie nicht auf der Karte, dafür diverse Fischspezialitäten aus der Region. Beim Rundgang durch die Stadt erfährt man eine Menge über Kunst, Kultur und auch die vielen im Stadtbild erhaltenen Bunkeranlagen aus Kriegszeiten. Sogar ein Museum zu diesen düsteren Zeiten gibt es. Sehenswert sind auch die als Bibliothek wiederaufgebauten Ruinen der ehemaligen großen Kirche und das Rathaus von Emden. Es gibt eine Menge zu entdecken im Norden von Niedersachsen

Bürgerreporter:in:

Christian Kolb aus Essen

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