YPS: Die verpasste Chance

Nicolas von Lettow-Vorbeck hat in seiner Bachelorarbeit an der Mediadesign Hochschule Düsseldorf das YPS-Heft unter die Lupe genommen. Er befasst sich mit dem Ende von YPS 2000, geht auf den gescheiterten Relaunch-Versuch 2005/2006 ein, wirft einen Blick auf den aktuellen Kinderzeitschriftenmarkt und stellt Überlegungen für einen eventuell erfolgreicheren Relaunch der Retromarke YPS an.

YPS bekommt Konkurrenz und verschenkt Potenzial
Seit YPS in den 1970ern als Comic auf den Markt kam, hat es sich bei Gruner + Jahr praktisch nie verändert. Zentraler Kaufanreiz war seit jeher das Gimmick – ein Spielzeug, das bei Kindern Aufmerksamkeit, Interesse und den Wunsch, es haben zu wollen, weckte. Was damals einzigartig war, ist heute fast unabdingbar, um ein Heft für Kinder zu verkaufen. Warum aber starb das YPS-Heft zur Jahrtausendwende? Nicolas von Lettow-Vorbeck führt dies auf zahlreiche verpasste Chancen zurück. YPS nutzte nie die Möglichkeit von Crossmedia. Weder gab es Ü-Ei-Figuren mit YPS-Charakteren, noch Spielzeug im Happy Meal und auch Computerspiele blieben aus. Auch die Chance, mit exklusiven Comics wie „Yinni und Yan“ oder der „Gespenster GmbH“ ins Ausland zu expandieren, wurde nicht genutzt. YPS blieb dem deutschsprachigen Markt treu, verlor dort aber nach und nach an Boden. Mit der Zeit viel das Alleinstellungsmerkmal Gimmick weg und der Markt der Kinderzeitschriften wurde allmählich von TV-Figuren wie Prinzessin Lillifee und Pokemon beherrscht. Ein klarer Indikator dafür, dass sich der Medienkonsum von Kindern seit den 1970er Jahren deutlich verändert hat. Damals waren Comics dominant. Heute gibt es in Deutschland allein drei TV-Sender, die ausschließlich Kinderprogramm ausstrahlen (ki.ka, Nick, Super RTL), das Internet mit seinen sozialen Netzwerken als Konkurrenz, sowie Handy und mp3-Player. Diesem Wettbewerb wurde das YPS-Heft nicht mehr gerecht.

Egmont Ehapa scheitert an YPS-Modernisierung
1999 übernahm Egmont Ehapa die Lizenz für YPS von Gruner + Jahr. Böse Zungen behaupten, der Verlag hätte sich YPS nur geschnappt, um die Konkurrenz vom eigenen Flaggschiff Micky Maus zu beseitigen. Zweifel für diese Theorie wecken die Investitionen des Verlags in die Modernisierung von YPS. Diese gingen allerdings grob nach hinten los, während die Auflage von Micky Maus weiterhin schwächelt. Allein von 2008 auf 2009 sank die verkaufte Auflage um 45.000 Exemplare pro Heft. Doch was machte Egmont Ehapa bei der YPS-Modernisierung falsch? Binnen weniger Heft-Ausgaben wurden die beliebten Comic-Reihen „Pif“, „Yinni und Yan“ und „Gespenster GmbH“ sowie der Anzeigenteil „Extra-Blatt“ eingestellt und durch lieblose Zweitverwertungen ersetzt. Das YPS-Logo wurde stark verändert, der Chefredakteur ausgetauscht und 48 Seiten auf 32 reduziert. Das Identifikationspotenzial für die Leser schrumpfte ebenso wie die Qualität also gen Null. „Man sah das Ende kommen: das Heft wurde immer dünner, das Papier bekam die Qualität russischer Samisdat-Drucke, die Comics waren lieblos gezeichnet“, fasste Stefan Rother in seinem Artikel „Die Urzeitkrebse müssen abtreten“, der am 10. Oktober 2000 in der Badischen Zeitung erschien, die YPS-Modernisierung zusammen.

YPS-Relaunch mit Titeuf und Abrafaxe ein Flop
2005/2006 versuchte Egmont Ehapa einen Relaunch der Retromarke YPS. Doch dieser floppte, umfasste nur vier Ausgaben. Bis auf das Comic „YPS + Co“ und die Fortsetzungsreihe „Lucky Luke“ fanden die Leser im Heft auch nichts, was sie an alte Zeiten erinnerte. „Titeuf“, die „Abrafaxe“ und das aus Screenshots einer TV-Serie bestehende Comic „Dragon Hunters“ hatte mit YPS nichts mehr zu tun. Auch das Gimmick unterlag einem Wandel. Es funktionierte praktisch auf Knopfdruck, der Bastelspaß ging flöten. „Das neue YPS-Heft enttäuschte das Vertrauen der Altleser und die Neugier der Neuleser“, beschreibt von Lettow-Vorbeck den Verkaufsflop. Er sieht in der Retromarke YPS aber noch Potenzial und realistische Erfolgschancen für einen erneuten Relaunch – wenn sich YPS auf seine alten Stärken besinnt und neue Medienentwicklungen nutzt. Denn bei den Lesern dominiere eine positive Markenwahrnehmung in Bezug auf YPS. Auch wenn die Gimmicks nicht immer funktionierten, sich mehrfach wiederholten. Die Urzeitkrebse brachten es aufgrund ihrer Beliebtheit bei den Lesern auf satte 20 Wiederholungen, das Abenteuerzelt auf 15, der Ostereierbaum und der Solar-Zeppelin auf 14. YPS profitiert auch von einer Idealisierung der Kindheit durch die Leser. Denn sowohl Abenteuerzelt als auch Solar-Zeppelin sind „bei objektiver Betrachtung nur ein bedruckter Müllsack“, weiß von Lettow-Vorbeck.

“Drei ???“ und „Fix & Foxi“ wecken Hoffnung auf YPS-Relaunch
Der Autor der wissenschaftlichen Arbeit hat aber einige Ideen für einen Relaunch, der von mehr Erfolg gekrönt sein könnte. Als Zielgruppe von YPS sieht er Kidults, also Nostalgiker, die „zwischen desinteressierter Ausbeutung und liebevoller Implementierung einer Marke unterscheiden können“. In den Gimmicks sieht er Werbeplattformen, in YPS selbst die Chance für Merchandising und Events. Immerhin läuft das YPS-Logo-Shirt bereits gut und was Events angeht, orientiert sich von Lettow-Vorbeck an den „Drei ???“. Deren Hörspiel-Tour mit den Originalsprechern stößt immerhin auf reichlich Gegenliebe seitens der Rezipienten. Ohnehin sind die „Drei ???“ ein Paradebeispiel. Denn viele Kidults hören noch heute die Detektivabenteuer von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews und stehen dazu. Sie kaufen neue Folgen auch überwiegend als Audio-Kassetten und nicht als CD oder mp3. In Bezug auf YPS träumt von Lettow-Vorbeck sogar von einem Online-Archiv, iPhone-Apps, Browser-Games und Retro-Geschenkboxen mit YPS. Eine solche Box mit YPS-Heften und Gimmicks wie den beiden Froschmännern, „die richtig tauchen können“ klingt für den ein oder anderen YPS-Fan durchaus reizvoll. Für die Kinder unter den Lesern würde von Lettow-Vorbeck mit Sachcomics aufwarten, die auch für Erwachsene annehmbar wären. Ob es tatsächlich noch einmal zu einem YPS-Relaunch kommt, ist allerdings fraglich. Ganz vom Tisch ist das Thema bei Egmont Ehapa jedoch nicht. Hoffnung macht diesbezüglich die Reaktivierung von „Fix & Foxi“. Seit 2010 sind die beiden Füchse wieder auf dem Kinderzeitschriftenmarkt. Wann folgt YPS mit den altbekannten Comics?

Die Bachelorarbeit „YPS: Die verpasste Chance. Konzeption für den Relaunch einer Kultmarke“ von Nicolas von Lettow-Vorbeck ist 2010 im VDM Verlag Dr. Müller erschienen.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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