Die alltägliche Gewalt – „Wie konnte das passieren“? …und schon wieder ist etwas „unfassbar“!?

Es ist nun bereits 14 Jahre her seit dem Amoklauf in Erfurt, bei dem der 19-jährige Robert Steinhäuser 16 Menschen, (Lehrer, Referendaren und Schüler), sowie danach sich selbst erschoss!
Und wieder hat vor ein paar Tagen die breite Öffentlichkeit, von der Hausfrau und Mutter bis zur Bundeskanzlerin von einer „unfassbaren Tat“ gesprochen, die jede Vorstellungskraft übersteigt und es wurde allseits, wie stets, tiefe Betroffenheit bekundet.
Wie schon seinerzeit die Schriftstellerin und Redakteurin Eva Kohlrusch in einem Bericht schrieb, ist nämlich einiges vorstellbar; wenn man sich traut, den Gewaltmustern nachzuspüren, die uns täglich auf versteckte Weise frei Haus geliefert werden – mit den Nachrichten, mit Actionfilmen, Computerspielen – ja sogar mit „Pleiten, Pech und Pannen“,
wo mit Vorliebe Babys rückwärts vom Sofa knallen, Dicke oder Dünne gegen Bootsstege rammen und Hunde auf Schlitten gesetzt werden, um gegen den nächsten Baum zu donnern. Kurze Szenen – rechtzeitig ausgeblendet. Man sieht nur den Sturz, hört aber niemand wimmern, weil nämlich sonst, möglicher Weise, das Lachen im Halse stecken bliebe.
Man sieht Kriegsszenen mit Bomben und Bränden, bekommt aber nichts mit vom Gestank brennenden Fleisches.
Niemals sieht man einen der Helden kotzen, nie fühlt und schmeckt man die Scheißangst.
Selbst in den Gameboys der Kinder macht es nur kurz „KLICK“, wenn jemand „ausgeschaltet“ wird – Klick und wieder ist jemand in den Abgrund gerammt worden.
KLICK und zersprengt – und KLICK, ausgelöscht.
Und niemand da, der sich vor Schmerzen krümmt, niemand, der weint. Niemand trauert. Alles eben nur Kino! Darin liegt wohl die schlimmste Wirkung: Wir sehen Gewaltbilder, jedoch nicht mehr die Folgen. Kein Wunder, wenn da ein Gewaltdepot entsteht, das irgendwann explodiert.
Eine bestimmte Pose von Macht kann reichen, jemanden zu überzeugen, dass Gewalt etwas Rasantes sei, das alle Beschränkungen außer Kraft setzen kann.
Wenn wir im Fernsehen das Foto eines jungen Palästinensers sehen, der mit herausfordernder Haltung eine Handgranate in den Händen hält – eine beinahe lüsterne Berührung mit dem Tod – und niemand ist da, der diese Pose ächten würde.
Ähnliche Posen kennen wir aus Rambo Filmen; niemand stellt sich mit so selbstherrlicher Wut dem eigenen Tod, wie Silvester Stallone. Gewalt als echte, geile Power!
Für einen fatalen Moment beendet Gewalt die eigene Ohnmacht und schafft eine eindeutige Situation da, wo bisher nur Verwirrung und Unsicherheit herrschte.
Nicht zufällig nennen wir dies „Gewaltakt“. Ein widerliches Wort, welches auch den mörderischen Sexrausch mit einbezieht. Aber in diesem Wort verdichtet sich, worum es im Grunde wirklich geht: Um das Aufgeilen an Bildern, wie man angeblich stark ist; um das Fieber, sich selbst brennen zu fühlen – und dann: Das befreiende „Peng“!
Aber auch dies endet in Zusammenbruch und Selbsthass.
Die Waffe in der Hand vergrößert noch den mickrigsten „Helden“, denn er muss sich seinem Opfer nicht einmal stellen.
Wer täglich Gewaltszenen sieht, lernt, dass Gewalt ein üblicher und offenbar akzeptierter Problemlöser ist.
Wer zusieht, wie jemand jemanden einfach so abknallt, ohne dass er zur Verantwortung gezogen wird, lernt, dass man jemanden abknallen darf, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden.
Und ich werde den Verdacht nicht los, dass manch einer dieser mickrigen Gestalten, die zuhause am Bildschirm ihres PC Abknall-Spiele spielten irgendwann auch mal auf den Gedanken kommen, in den „heiligen Krieg“ zum IS zu ziehen, um dort dann „ganz legal“
endlich einmal echte Menschen mit einer zur Verfügung gestellten, echten Waffe abknallen oder ihm den Kopf abschneiden zu dürfen und als Belohnung dafür von diesem „Staat“ am Abend auch noch ein zwölf- oder vierzehn-jähriges Skavenmädchen zur freien Vergewaltigung zur Verfügung gestellt bekommt – und für all dies ihm auch noch die sofortige Aufnahme im Paradies in Aussicht gestellt wird!

All diese Berichte und Bilder brennen sich in den Gedächtnissen ein und brechen sich unter dann ganz bestimmten Bedingungen oder Situationen Bahn für ein Ereignis, welches dann wieder „unfassbar“ genannt wird und wieder allseits Betroffenheit auslöst -
- bis man die Betroffenheit jener Verantwortlichen, die etwas an diesen Umständen ändern könnten, es aber bisher nicht vermochten, nicht mehr ernsthaft glauben kann!

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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