Amphoterite, Teil 1: NWA 2398

NWA 2396

Von diesem nur 865 Gramm schwere Meteorit wurde 2004 in Nordwest Afrika ein einzelnes Stück gefunden. Sein Fall wurde nicht beobachtet, was heißt, dass er vermutlich bereits länger Zeit in der Wüste lag. Über den genauen Ort und den Finder ist nichts bekannt, aber sehr oft sind es Nomaden, die sich mit den Meteoriten, die sie zufällig entdecken, ein Zubrot verdienen. Verkauft wurde er in Erfoud, Marokko.

Der Meteorit wurde von Ted Bunch an der NAU, der Northern Arizona University in Flagstaff untersucht und als LL4 Chondrit, als Amphoterit wie die LL Chondriten auch genannt werden, klassifiziert. Bunch gibt den Schocklevel mit 2 und den Verwitterungsgrad ebenfalls mit 2 an. Da die NAU eine 20,4 Gramm schwere Probe des Meteoriten besitzt, kann man davon ausgehen, dass diese beiden Werte zutreffen.

Hier im Labor befindet sich eine 4,7 Gramm schwere Probe, und damit zu wenig, um den Schocklevel sicher bestimmen zu können. Er ist jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kleiner gleich 3, da auf einer polierten Fläche von 4 Quadratzentimeter keine Schockadern zu sehen sind. Der Verwitterungsgrad scheint eher bei 1 zu liegen, aber möglicherweise zeigt eine größere Probe doch leichte Verwitterungsspuren.

Da die Chondren teilweise rekristallisiert sind, ist der petrologische Typ mindestens 4, womöglich 5, aber, da ich nur eine optische, keine chemisch/physikalische Methode zur Klassifizierung verwende, dürfte der Wert 4 von der NAU der fundiertere sein.

Zur Begriffserklärung:

NWA steht für Nord West Afrika, 2398 ist eine laufende Nummer. Da der Meteorit bereits klassifiziert worden ist, gilt „Northwest Africa 2398“ als offizieller Name, NWA 2398 ist die Abkürzung.

LL steht für gewöhnliche Chondrite mit “Low Metall“, „Low Eisen“ und die Zahl danach gibt die petrologische Klasse an. LL Chondrite haben einen Eisengehalt von 18,5 Gewichts %.

Der petrologische Typ, 1967 von Van Schmuss und Wood eingeführt, geht von 1 bis 6, bei manchen Autoren bis 7. Dabei treten die Klassen 1 bis 4 nur bei kohligen Chondriten auf, die Klassen 3 bis 6 (oder 7) bei gewöhnlichen Chondriten, also H, L und LL Chondriten sowie bei Enstatiten, Rumurutiten und CK Chondriten.

Interessanterweise enthält diese Typisierung eine Art „Nullpunkt“, und der liegt bei 3. Chondrite vom petrologischen Typ 3 heißen unequilibriert, weil sie weder durch wässrige Prozesse noch durch thermische Prozesse verändert wurden, sie also unverändertes Material aus dem solaren Nebel von vor 4,56 Milliarden Jahren enthalten.

Typ 1: Diese Meteorite wurden bei Temperaturen von 50°C bis 150°C unter dem Einfluss von Wasser stark verändert. Sie enthalten kaum oder keine erkennbaren Chondren, Olivin und Pyroxen sind hydratisiert. Zu diesem Typus zählen nur kohlige Chondrite der Gruppe CI sowie einige andere stark metamorphisierte kohlige Chondrite. Sie enthalten mehr als 20 Gewichts % Wasser und sind nicht thermisch verändert.

Typ 2: Diese Meteorite wurden von Wasser bei Temperaturen unter 20°C stark verändert, dennoch sind Chondren zu erkennen. Olivin und Pyroxen sind zum Teil nicht hydratisiert. Die feinkörnige Matrix ist dagegen vollständig hydratisiert, Mineralien im Inneren der Chondren können ebenfalls unterschiedlich stark hydratisiert sein. Diese Meteorite enthalten etwa 18 Gewichts % Wasser und sind nicht thermisch verändert. Praktisch alle kohligen Chondriten der Gruppen CM und CR sind in dieser Klasse, ebenso einige ungruppierte kohlige Chondrite. Ansonsten existieren keine weiteren Chondrite dieser petrologischen Klasse.

Typ 3: Die Chondrite vom Typ 3.0 zeigen kaum Anzeichen von Metamorphose, weder thermischer, noch wässeriger Art. Olivin und Pyroxen tritt in allen Variationen auf, praktisch so, wie sie im solaren Urnebel vorlagen. Auch die Chondren und der Staub, aus dem sich die Matrix zwischen den Chondren zusammensetzt, entspricht weitestgehend dem Zustand wie bei der Bildung des jeweiligen Planetoiden, von dem diese Meteorite abgesprengt wurden.
Aufgrund der immer genauer werden Möglichkeiten, Chondriten zu analysieren, teilt man den petrologischen Typ 3 auf in 3.0, 3.1 .. 3.9 und mittlerweile musste sogar noch 3.15 zwischen 3.1 und 3.2 eingefügt werden. Mit steigendem Typ nehmen die mineralogischen Veränderungen des Materials zu, beginnend mit der feinkörnigen Matrix, über die grobkörnigeren Bestandteile bis zu den Chondren. Typ 3.9 sieht immer noch unverändert aus, aber durch thermische Diffusion zwischen Körnern unterschiedlicher Zusammensetzung beginnt bereits die Metamorphose aller Bestandteile dieser Chondriten.

Typ 4, 5, 6: Bei diesen equilibrierten Chondriten unterliegen alle Bestandteile einer zunehmenden thermischen Metamorphose. Bei Typ 4 ist die Matrix weitgehend rekristallisiert, die Konrgröße nimmt zu. Ab Typ 5 werden die Chondren unscharf, die Matrix kann nicht mehr als solche erkannt werden. Das Material dieser Chondriten wird immer homogener. Bei Typ 6 beginnen die Chondren schließlich, sich in der ehemaligen Matrix aufzulösen, kleine Chondren verschwinden vollständig. Es bilden sich metamorphe Mineralien, wie etwa Feldspat.

Typ 7: Diese Chondriten wurden bis fast an ihren Schmelzpunkt erhitzt. Sollten sie aufgeschmolzen sein, fallen sie in eine neue Gruppe: Die der primitiven Achondrite. In der Fachwelt herrscht keine Einigkeit, ob dieser Typ 7 wirklich sinnvoll ist, aber da er mittlerweile Einzug in das Meteoritical Bulletin, eine im Internet einsehbare kurze Information über Meteorite, gehalten hat, sollte man diesen Typ zumindest erwähnen.

Sollte das Zwiebelschalenmodell für Planetoiden zutreffen, können Meteorite von unterschiedlichem petrologischen Typ durchaus vom selben Mutterkörper stammen. Typ 3 von der Oberfläche, und mit steigendem Wert von immer weiter innen.

Schocklevel:
Da es auf den Ursprungskörpern von Meteoriten vor allem in der Frühzeit des Sonnensystems häufig Einschläge gab, können Meteorite, also die Teile von Planetoiden, die zur Erde gelangen, geschockt sein. Typisch hierfür sind Schockadern im Gestein und Aufschmelzungen. Man unterscheidet Schocklevel von S0 bis S6.
S0: unverändertes Material, nicht geschockt
S1: gering geschockt, keine Schockadern
S2: leicht geschockt
S3: geschockt, wenige Schockadern zu erkennen
S4: stark geschockt, einige Schockadern
S5: sehr stark geschockt, deutliche Schockadern, einige wenige geschmolzene Bereiche
S6: sehr stark geschockt, viele Schockadern, größere geschmolzene Bereiche

Verwitterungsgrad:
Sobald ein Meteorit auf der Erde gelandet ist, beginnt er zu verwittern. Das hat bei Meteoriten die selben Ursachen wie bei irdischem Gestein (Regen, Wind, Temperaturunterschiede). Man unterscheidet Verwitterungsklassen von W0 bis W6. Bei noch stärkerer Verwitterung ist ein Meteorit nicht mehr von irdischem Material zu unterscheiden - und: letztlich besteht ja der ganze Planet aus Materie, die aus dem Kosmos kommt.
W0: Frisch gefallener Meteorit. Er hatte noch keine Zeit zu verwittern
W1: Meteorit ist schon seit einiger Zeit auf der Erde, trägt aber noch keine Verwitterungsspuren
W2: Leicht verwittert
W3: Deutlich sichtbar verwittert
W4: Stark verwittert
W5: So stark verwittert, dass seine Struktur fast zerstört ist.
W6: Fast nicht mehr als Meteorit zu erkennen.

Schocklevel und Verwitterungsgrad kann man ohne besondere Messmethoden bestimmen. Die mineralogische Methode „Ansehen und vergleichen“ führt hier schnell zu einem Ergebnis, vorausgesetzt, die Probe ist hinreichend groß.

Bürgerreporter:in:

B Göpfert aus München

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