Das nächste Kuckucksei - Die Betriebsrente

Die Betriebsrente wird zur Betrugsrente

Warum? Das ist gut auf den Seiten des seniorenaufstand.de erklärt

Ebenso von Prof. Sell kommentiert. Die nächste rentenpolitische Baustelle mit der Noch-Hoffnung auf einen großen Wurf ante portas: Betriebliche Altersvorsorge

Betriebsrenten als Butter in der Sonne? Das wäre ärgerlich für die Finanzindustrie und ihre Hoffnungen auf ein Riester-Substitut. Und Betroffene erleben ihr blaues Wunder

Vortrag in einer Betriebsversammlung – Textilindustrie, Ende Juni 2016

1. „Betriebsrente“ wird zu einer Etikettenlüge

Es gibt durchaus Betriebsrenten, die ihren Namen verdienen. Direktzusagen der Unternehmen oder die vbl für den öffentlichen Dienst in den alten Bundesländern, sind solche Versorgungswerke. Die Betriebe zahlen hier 80% bis 100% der Vorsorgebeiträge und haften zu 100% für die Rentenzusagen.

Die gesetzlich seit 2002 geltende betriebliche Alterversorgung (bAV) und vor Allem die jetzt absehbare Änderung des Gesetzes haben mit solchen Renten nichts mehr zu tun.

Nach alter und wohl auch demnächst reformierter Gesetzeslage basieren diese Renten auf Entgeltumwandlung. Die Unternehmen leiten aus den individuellen Bruttolöhnen bis zu 4% der Beitragsbemessungsgrenze (max. 2.976€) an eine Versicherung weiter. Diese Weiterleitung kostet die Betriebe nichts, im Gegenteil, sie behalten ihren Anteil an den sonst fälligen Sozialversicherungsbeiträgen. Das sind bei einem Duchschnittseinkommen von derzeit 36.000€ und einer Entgeltumwandlung von 4% rund 300€ je Beschäftigten.

Das Wort Betriebsrente wird so zur Etikettenlüge. Betriebsbereicherungsrente wäre die richtige Bezeichnung. Die MetallRente wirbt z.B. damit, solche Betriebsrenten als Sanierungsbeitrag der Beschäftigten abzuschliessen. (*)

Auch wenn in dem reformierten Gesetz (oder einem Tarifvertrag) die Betriebe verpflichtet würden, die eingesparten Versicherungsbeträge an das Versorgungswerk abzuführen, wäre es immer noch eine zu 100% aus dem Brottoentgelt bezahlte Versicherung. Das da noch, vor allem von Politikern, von einer „arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung“ gesprochen wird, hat schon Orwellsche Neusprech-Dimension („Krieg ist Frieden“; „zwei + zwei = fünf“).

2. Betriebsrenten als zentraler Baustein der Agenda 2010

Der Kern des bAV-Gesetzes von 2002 besteht darin, die Unternehmen zusehends von den Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung zu entlasten und ein Riesengeschäft für die Versicherungswirtschaft zu generieren. Das Gesetz ist ein Baustein der Agenda 2010.

Die in Arbeit befindlichen Änderungen des Gesetzes sollen die Agenda-Absichten jetzt vollenden. Wie das geschehen soll haben Bert Rürup und das Prognos-Institut im Auftrag des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einem Konzeptpapier vor zwei Jahren entwickelt. (siehe Artikel „Nach dem Riester-Flop jetzt der Betriebsrenten-Turbo?“ )

Mit der bAV-Reform soll der Riester-Flop kompensiert werden. Die bAV soll verbindlich für alle werden, sie soll die Unternehmen nicht belasten und aus der Haftung nehmen und sie soll den Anteil der privaten Altersvorsorge von 20% auf 30% erhöhen. Das gegenwärtige Renditedesaster soll über staatlich garantierte Investitionserträge behoben werden (Allianz baut Autobahnen – Rendite mind. 7%).

Alle diese Elemtente finden sich in den aktuellen Regierungsprojekten wieder. Der GDV begleitet das die ganze Zeit intensiv und wohlwollend. Die Gewerkschaften äußern sich dagegen nur in allgemeinen Sprechwolken und wirken ziemlich hilf- und orientierungslos.

3. Die neuen Betriebsrenten sind sehr teuer und sehr unsicher

Mit der privaten Vorsorge und den Betriebsrenten sollen ja die durch Riester- und Rürup-Reformen erzeugten Versorgungslücken geschlossen werden. Kann das funktionieren und wenn ja, zu welchem Preis?

Das soll am Beispiel einer Eckrente (45 Jahre lang Beiträge auf das jeweilige Durchschnittseinkommen) veranschaulicht werden:

Bei dem jetzigen Nettorentenniveau von ca. 48% beträgt die Nettorente 1.225€.

Sie würde bei einem Rentenniveau von 53% (Jahr 2000) 1.353€ betragen.

Hätten wir jetzt schon das Niveau von 43% (Jahr 2030) wären es 1.097€.

Die Rentenlücke wird also von 2000 bis 2030 auf 256€ netto angewachsen sein.

Für die Beantwortung der Frage, wie hoch dann ein monatlicher Versicherungsbeitrag sein muss um die Lücke zu schliessen, hilft eine Rechenbeispiel der MetallRente.

Die MetallRente bewarb ihr Produkt zur betrieblichen Altersversorgung im Januar 2014 mit folgender Berechnung: Ein heute 35-jähriger zahlt monatlich 100€ Beitrag und erhält dann nach 32 Jahren, also mit 67, eine garantierte Rente von 168€. Im Jahr 2014 war der Garantiezins bereits auf jämmerliche 1,25% gesunken. Nächstes Jahr wird er nur noch 0,9% betragen. Das Beispiel ist also schon ein wenig schön gefärbt.

Was in allen Versicherungsangeboten nur im ganz klein gedruckten zu lesen ist: von dieser garantierten Rente werden Sozialversicherungsbeiträge von derzeit ca. 19% (**) und Steuern von über 20% abgezogen. Hinzu kommt, dass bei 100€ Entgeltumwandlung ca. 35€ weniger an gesetzlicher Rente gezahlt wird. Bei Berücksichtigung der Abzüge und der Rentenminderung, schmelzen die 168€ auf jämmerliche 70€ zusammen.

Nun beträgt die Rentenlücke ja nicht 70€, sondern 256€. Es müsste also, wenn die Lücke geschlossen werden soll, ein Beitrag zwischen 300€ und 400€ pro Monat an eine Versicherung abgeführt werden (was über Entgeltumwandlung vollständig nicht möglich ist – siehe max. Betrag von 2.976€). Das Bruttoentgelt würde damit allein durch private Vorsorge um 10% bis 12% gesenkt.

Der spezielle Charme dieser Lösung liegt natürlich auch darin, dass die Beschäftigten das allein zu stemmen haben. Die paritätische Finanzierung gibt es für private Vorsorge nicht. Wenn die Unternehmen etwas dazugeben, ist es ihre freie Entscheidung. Gezwungen werden sie dazu durch kein Gesetz und Tarifverträge, die z.B. einen Betriebsbeitrag von jährlich 120€ vorsehen, wirken eher als Tünche.

Über die Unsicherheiten von über Jahrzehnte in Kapitalmärkten angelegten Spargeldern gibt die Geschichte überreichliche Auskunft. Sie waren ja gerade der Grund, warum in den 1950er Jahren auf ein Umlageverfahren umgestellt wurde.

Fazit:

Betriebsrenten sind sehr teuer (geworden). Sie sind sehr unsicher und sie belasten bei der gesetzlich vorgesehenen Entgeltumwandlung allein die Beschäftigten. Sie sind untauglich um den Lebensstandard im Alter zu sichern oder gar Altersarmut zu verhindern.

Die Lösung heißt: back to the roots!

Die gesetzliche, umlagefinanzierte Rente muss wieder gestärkt werden. Zur Stärkung gehören auch Reformen die für Nachhaltigkeit in der Zukunft sorgen.

(*) Broschüre MetallRente: „Wir für euch! Informationen für Betriebsräte“ Seite 8.

(**) Der vom Unternehmen in der Ansparphase einbehaltene Sozialversicherungsanteil muß in der Auszahlphase von den Rentnern mit bezahlt werden (Kranken- und Pflegeversicherung).

.

Bürgerreporter:in:

Ingeborg Steen aus Moormerland

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