Wer in Marburg alles am Galgen hing – Strafen im ausgehenden Mittelalter bis 1800

Für mehrere Jahrhunderte war für die Verurteilten die Einkerkerung im Hexenturm die letzte Bleibe vor der Hinrichtung
  • Für mehrere Jahrhunderte war für die Verurteilten die Einkerkerung im Hexenturm die letzte Bleibe vor der Hinrichtung
  • hochgeladen von Karl-Heinz Gimbel

Wieder eine Geschichte aus Marburgs vergangener Zeit.

Der Strafvollzug war im Mittelalter in Marburg wie anderswo sehr hart. Leichtere Verbrecher wie Feld- und Gartendiebe wurden auf dem Markt mit einem Halseisen versehen an den Pranger gestellt. Dabei wurden ihnen die gestohlenen Früchte um den Hals gehängt. Manchmal wurden sie wie auch „zänkische Weiber“ von der Weidenhäuser Brücke aus in einem Korb in die Lahn „geschnäppt“. Dort an der Brücke stand ebenfalls ein Schandpfahl.

Scharfrichter, die das Todesurteil vollziehen mussten, sind in Marburg erst ab 1456 nachweisbar. Sie wohnten in Weidenhausen in der Henkersgasse, heute Kappesgasse. Der Henker hatte freie Wohnung und als weitere Vergütung das Recht, bei allen Hochzeiten Essen und Trinken zu fordern. Für die Hochzeitsteilnehmer sicherlich keine angenehme Gesellschaft.

Eine üble Sache und ein betrübliches Kapitel waren die Zauberei- und Hexenprozesse. Dagegen konnte sich kaum jemand wehren. Oft blieb nur der Galgen, der in Marburg an verschiedenen Stellen aufgestellt wurde. Das Volk nahm an den öffentlichen Hinrichtungen teil, ob zum Vergnügen oder zur Abschreckung, das lag an jedem einzelnen.

Hier eine Aufstellung von Hinrichtungen in Marburg bis zum 19. Jahrhundert:

Anfangs lag die Gerichtsstätte „uf dem Komp“ am Marktplatz. Hier wurde 1453 der Gefangene Lämmertzeil hingerichtet.
1455, 18. Juni: Klaus Wolnsleger und Hinderhenne
1456, 28. Oktober: des Goldschmieds Knecht
1460 erhält die Stadt einen eigenen Scharfrichter, der bald darauf an die Arbeit ging.
1462, 7. Oktober: zwei Polender, ein Mann und eine Frau, landeten am Galgen, weil sie ertappt worden waren, als sie den Opferstock am Kilian mit Leimruten plündern wollten
1465, 14. Oktober: der junge Wittershausen wird am Ordenberg hingerichtet. Dort wird 1518 ein neuer Galgen errichtet.
1570: eine Frau wird als Strafe in der Lahn ertränkt
1571: ein Pferdedieb wird gehängt
1572, 22. August: am Galgen endet einer, der mit falschem Geld betrogen hatte
1577: Brudersens Sohn aus Bürgeln wird wegen Blutschande gehängt und anschließend mit einem Beil gevierteilt. Die Teile werden mit Ketten an Stützel befestigt und in vier Straßen aufgehängt.
1584 wird der Galgen vom Ordenberg auf das Kaff versetzt
1584, 28. Januar: Christoph Nebe aus Wolfenbüttel, der einen Fechter erstochen hatte und
1584, 1. August: Henchen Spieß landet am Galgen
1586, 23. März: Schuhmachergesell Martin Glitzstein aus Ulm wird gehängt, weil er Hans Abel bestohlen hatte
1586, 6. Mai: ebenso Ebert Fisch aus Hermannstein wegen eines Diebstahls im Deutschen Haus
1586, 25. Juni: zwei Pferdediebe werden gehängt
1586, 15. Dezember: Johann Freitag kommt an den Galgen
1587, 23. Februar: Michael, Johann und Hans Hein, Vater mit zwei Söhnen werden wegen Falschmünzerei gehängt
1587, 5. April: Hermann Mönch und Hans Gilgen
1587, 27. April: Hans Rutsch endet ebenfalls am Galgen.

1588 häufen sich die Hinrichtungen so sehr, dass auf eine einzelne Aufzählung verzichtet wird.

Im 30-jährigen Krieg starben an Auseinandersetzungen, Morden und Auszehrung so viele Menschen in Marburg, dass die Bevölkerungszahl von 6.000 auf 3.000 Menschen zurückging. Es dauerte viele Jahrzehnte, bis in Marburg wieder die Zahlen anschwollen. Erst im 19. Jahrhundert wurden für Marburg wieder 7.000 Einwohner gezählt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Galgen am Rabenstein am Kaff abgebrochen. Es fanden für zum Tode Verurteilte nun Hinrichtungen statt. Steckbriefe gegen Räuberbanden kamen in Umlauf. 1812 wurde eine 41 Köpfe starke Räuberbande verurteilt, davon zehn zum Tode. Ende 1812 fanden noch einmal sieben Hinrichtungen durch Enthauptung für Männer statt wegen Raub und Bandendiebstahl.

In den ersten Jahren nach der napoleonischen Zeit musste die Gerichtsbarkeit wegen der allgemeinen Unsicherheit, die von „umherstreunenden Räuber- und Zigeunerbanden“ ausging, durch harte Urteile Einhalt gebieten. Aber nach und nach wurden schwere Kriminalfälle in Marburg selten.

Im Jahre 1861 kam es in Marburg zu einer schweren Bluttat. Dorothea Wiegand aus Ockershausen war von ihrem Liebhaber Ludwig Hilberg am Dammelsberg ermordet worden. Hilberg wurde wurde zum Tode verurteilt, nach der Einkerkerung im Hexenturm (siehe Foto) wurde der dann am Rabenstein hingerichtet. Dies war die letzte Hinrichtung in Marburg.

Quellen: Aufzeichnungen von Wilhelm Bücking und Walter Kürschner (die Bücher sind längst vergriffen, nur noch in Bibliotheken einsehbar)

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Gimbel aus Marburg

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