Marburg erhält am 1. Dezember 2015 mit Dr. Thomas Spies den 17. Oberbürgermeister seit Einführung dieses Titels

Marburg - Rathaus und Marktplatz um 1912

Marburg hat im Jahr 2015 einen neuen Oberbürgermeister gewählt. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Oberbürgermeister Egon Vaupel sein Amt vorzeitig niedergelegt. Am 1. Dezember 2015 wird der neue Oberbürgermeister sein Amt antreten. Mit Dr. Thomas Spies wird dies seit 1834 der 17. Oberbürgermeister in der Liste der Oberbürgermeister von Marburg sein.

Nicht immer wurde die Universitätsstadt von einem Oberbürgermeister regiert. Anfangs war es der Schultheiß als oberster stadtherrlicher Beamter. Aber schon ab 1284 gab es in Marburg einen Bürgermeister. Erster Bürgermeister von Marburg war Ludwig von Fronhausen.

Gewählt wurden die Bürgermeister vom Mittelalter her – mit Gründung Hessens unter Sophie von Brabant – jeweils von den Bürgern. Lange Zeit waren es vier Bürger, welche den Bürgermeister bestimmten. Sie wurden die „Vierer“ genannt. Dies war ein vierköpfiger Rath, dessen Vertreter aus der Handwerkerschaft der Stadt kamen.

Nach Ende der Fremdherrschaft durch die Franzosen, welche die bisherige Ordnung außer Kraft gesetzt hatten, wurde 1814 in Kurhessen die bis 1808 gültige alte Gemeindeordnung wieder in Kraft gesetzt. Doch es kam wenige Jahre darauf zu einer Klage gegen die Wahl eines Bürgermeisters auf Grund der Bestimmungen der Gemeindeordnung. Der "Vierer" und die Auswahl des Vierers wurden angezweifelt.

Der Klage wurde Recht gegeben und die Gemeindeordnung revidiert. Und 1833 und 1834 wurde mit Theodor Valentin Volkmar, gebürtig aus Frankenberg, daraufhin ein neuer Bürgermeister gewählt. Offenbar führten in Kurhessen die Auseinandersetzungen im Zuge der demokratischen Verbesserungen durch die Verfassung von 1830 zur Bildung einer neuen Gemeinde-Ordnung mit mehr Rechten für den Rath. Die neuen Regelungen der kommunalen Ordnung kamen am 23.10.1834 zum Zuge. Jetzt konnten alle Mitglieder des "Rathes" das Stadtoberhaupt, jetzt Oberbürgermeister genannt, mitwählen.

Ab 1834 sah die Gemeindeordnung den Titel Oberbürgermeister vor

Nach dieser neuen Gemeindeordnung wurde ein Kurhessen in den vier Hauptstädten Kassel, Marburg, Hanau und Fulda jeweils ab 1834 als Stadtoberhaupt ein Oberbürgermeister gewählt. Die Stadt Marburg dürfte damals etwa 7.800 Einwohner gezählt haben und die Universität weniger als 400 Studenten. Für Gießen, die seit jeher in Konkurrenz zur Marburg stehende südliche Nachbarstadt und nicht zu Kurhessen gehörig, traf diese Gemeindeordnung nicht zu. Obwohl größer als Marburg, blieb es dort bei der Wahl eines Bürgermeisters.

Der Wortlaut der Gemeinde-Ordnung vom 23.10.1834 für Kurhessen:

Von Gottes Gnaden, Wir Friedrich Wilhelm, Kurprinz und Mitregent von Hessen, Erbgroßherzog von Fulda, Fürst zu Hersfeld, Hanau, Fritzlar und Isenburg, Graf zu Catzenelnborgen, Dietz, Ziegenhain, Nidda und Schaumburg etc, etc.

erlassen hiermit … …

In § 42 sind die entscheidenden Passagen bezüglich der Wahl des Gemeindeoberhauptes aufgeführt. Hier im Wortlaut:

§ 42 – Persönliche Erfordernisse eines Ortsvorstandes

„Zu Ortsvorständen können nur unbescholtene, zu solchem Amte befähigte volljährige Ortsbewohner, welche nicht in zerrütteten Vermögens-Umständen sich befinden, erwählt werden. Gast- oder Schankwirte können das Amt eines Ortvorstehers nicht bekleiden, es würden denn hierzu bei gänzlichem Mangel anderer befähigten Einwohner Dispensation erteilt.

Obgleich die Wählbarkeit zum Ortsvorsteher nicht durch Ortsbürgerrecht bedingt ist, kann derselbe sein Amt doch nicht früher annehmen, als nachdem er das Ortsbürgerrecht erworben hat.

Zu Oberbürgermeistern insbesonderheit sind nur Männer wählbar, welche sich über eine genügende Kenntnis der Rechts- und womöglich der Staatswissenschaften … ausweisen…“

1835 wurde Thedor Valentin Volkmar erster Oberbürgermeister von Marburg

Im nächsten Jahre, 1835, kam es zur ersten Wahl eines Oberbürgermeisters in Marburg. Der Bewerber Volkmar, bereits zwei Jahre Bürgermeister der Stadt erhielt 40 Stimmen des Raths. Seine Konkurrenten, die Obergerichts-Anwälte Baumgart und Metz erhielten 4 bzw. 1 Stimme. Damit war Volkmar auf 5 Jahre gewählt.

1866 kam Marburg zu Preußen. Doch an der Bestimmung eines Oberbürgermeisters gab es in der Gemeindeordnung keine Änderung. Der Titel Oberbürgermeister blieb dem Stadtoberhaupt von Marburg erhalten. Nur im Zuge der Gebietsreform in Hessen im Jahr 1971 – Marburg verlor den Status eines Stadtkreises – war der Titel „Oberbürgermeister“ in Gefahr.

Doch dieses konnte letztlich abgewehrt werden. Die hessischen ehemals kreisfreien Städte erhielten einen Sonderstatus, wurden zu Oberzentren. Der Titel „Ober“ wurde nicht gestrichen.

Diesem ersten Beitrag folgend werde ich in weiteren Beiträgen die einzelnen Oberbürgermeister mit ihren Amtsperioden und wichtigen Vorkommnissen der Amtszeit vorstellen.

Hier die Auflistung der Marburger Oberbürgermeister seit 1834:

1. Theodor Valentin Volkmar, 1835-1846
2. Adam Heinrich Wilhelm Uloth, 1846-1850
1850-1856 - oberbürgermeisterlose Zeit
3. August Rudolph 1856-1884 – („Rudolphsplatz“)
4. Ludwig Schüler, 1884-1907 – freiwillige zurückgetreten („Schüler-Park“, besser: „Ludwig-Schüler-Park“)
5. Paul Troje, 1907-1924 – („Trojedamm“)
6. Georg Voigt, 1925-1927 – im Amt verstorben („Georg-Voigt-Straße“)
7. Johannes Müller, 1927-1933 – wird von den Nazis aus dem Amt gedrängt („Johannes-Müller-Straße“)
8. Dr. Ernst Scheller, 1934-1942 - im 2. Weltkrieg nach Verwundung gestorben
9. Walter Voß, 1944-1945, – kommissarischer Oberbürgermeister („Walter-Voß-Weg“)
10. Eugen Siebecke, 1945-1946 - von Militärregierung kommissarisch ernannt
11. Friedrich Dieckmann, 1946
12. Karl-Theodor Bleek, 1946-1951 - ("Karl-Theodor-Bleek-Steg")
13. Georg Gaßmann, 1951-1970 – („Georg-Gassmann-Stadion“)
14. Dr. Hanno Drechsler, 1970-1992 – („Dr. Hanno-Drechsler-Platz“)
15. Dietrich Möller, 1993-2005
16. Egon Vaupel, 2005-2015 – freiwillig zurückgetreten
17. Dr. Thomas Spies, seit 2015 mit Direktwahl gewählt

Bei Durchsicht der Liste der Marburger Oberbürgermeister wird deutlich, dass einige Bestimmungen der Gemeindeordnung – wohl nicht immer mit Zwang, aber faktisch – bis heute Bestand haben.

Die Gemeindeordnung von 1834 ist längst nicht mehr in Kraft, aber die Bedingungen, dass das Stadtoberhaupt „männlich“ sein soll, „kein Gast- oder Schankwirt“ zu dem Amt geeignet sei, sind in Marburg durchgängig beachtet worden.

Hatten sich die Marburger klammheimlich an die Bestimmungen der Gemeindeordnung von 1834 über weit mehr als hundert Jahre gehalten?

Quellen:
Gemeinde-Ordnung für die Stadt- und Landgemeinden Kurhessens, Kassel, 23. Oktober 1834. In: Sammlung von Gesetzen , Verordnungen, Ausschreibungen und sonstigen allgemeinen Verfügungen, Kassel 1834, S. 181-214
Walter Kürschner, Geschichte der Stadt Marburg, Marburg 1934, S. 232 ff
Philipp Losch, Geschichte dew Kurfürstentums Hessen, 1803-1866, Marburg 1922
Friedrich Rehm, Handbnuch der Geschichte beider Hessen, Marburg und Leipzig 1842
u. a. m.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Gimbel aus Marburg

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