Das Wetter spielt verrückt Teil II

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Teil I des Beitrages hier lesen

Kippelement atmosphärische Zirkulation (Teil II)

Starke Druckgebiete bestimmen jetzt das Wettergeschehen, bei zunehmend meridionalen Strömungsverläufen (Nord-Süd, Süd-Nord)

Die Zirkulation um die Druckgebiete (ums Hoch im Uhrzeigersinn und ums Tief entgegengesetzt), bestimmt inzwischen weitgehend das chaotische Wettergeschehen. Binnen kürzester Zeit kann sich die Wind- und Strömungsrichtung ändern, je nachdem, wo man sich in Bezug auf das dominante Druckgebiet befindet.

Man spricht bereits von der kalten und der warmen Seite des Hochs, je nachdem, ob wir uns davor oder dahinter befinden – da einmal kalte Luft von Norden oder auf der Rückseite warme Luft aus Süden angesaugt wird. Nördlich des Hochs gibt es eine Westströmung und unterhalb drehen die Windräder plötzlich nach Osten. Beim Tief dasselbe, bloß andersherum. Die Interaktion zwischen den Druckgebieten ist der Schlüssel zum Verständnis der neuen Wetterabläufe.

Wenn sich die Zirkulation zweier Druckgebiete ergänzt und verstärkt, ein Tief also in Opposition zum Hoch steht, kann dies eine nochmal gesteigerte Wirkung ergeben. Wir bekommen es dann entweder mit Polarluft zu tun, wenn wir uns zwischen der Vorderseite des Hochs und der Rückseite des Tiefs befinden oder auch mit Saharaluft, wenn linksdrehendes Tief und rechtsdrehendes Hoch die Luft weit aus Süden ansaugen, das Hoch sich also östlich vom Tief befindet. Die alten Strömungsverläufe und das alte Wetter, mit Westwinddrift und seinem Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten, gibt es wohl nur noch in manchen Computermodellen der Meteorologen und Klimawissenschaftler.

Wir können es selbst beobachten

Um die grundlegende Veränderung unseres Wetters festzustellen, muss man kein Fachmann sein, er ist augenscheinlich und offensichtlich. Das schließt natürlich die zeitweise Übereinstimmungen mit den früheren Wetterverläufen nicht aus, aber die Antriebe und Verläufe sind doch andere. Wenn Druckgebiete heute dort stehen, wo sie früher standen, wie z.B. das Azorenhoch und das Islandtief, so ist das vielleicht nur noch eine zufällige zeitweise Übereinstimmung aber nicht mehr typisch und wetterbestimmend.

Die Wettervorhersagen haben inzwischen eine erstaunliche Bandbreite nach oben (warm) und unten (kalt) und insofern den neuen JoJo-Modus des Wetters realisiert. Der häufige, abrupte Wechsel der Strömungsrichtungen lässt ganz unterschiedliche Luftmassen, mit unterschiedlichen Temperaturen, sich abwechseln und aufeinanderprallen, was natürlich zu chaotischen Wetterverläufen führt.

Die Temperatur- und Druckunterschiede zwischen den Luftmassen müssen sich ja ausgleichen, ehe sich diese vermischen können und dies geschieht durch Gewitter und Unwetter mit Starkregen oder auch Hagel. Auch kommt es immer häufiger zu „stehendem Wetter“, wodurch die Unwetter und Niederschläge verheerend ausfallen können und es zu lokalen Überschwemmungen kommt.

Dazu zählen die derzeitigen (Juni 2016) Unwetter und Starkniederschläge über Westdeutschland und Frankreich, die von einem quasi stationären, steuernden Höhentief verursacht wurden. Das war auch beim Jahrhunderthochwasser 2013 der Fall. Und zu „stehendem Wetter“ kommt es aus den genannten Gründen, also schwacher Westwinddrift und geschwächtem Jetstream.

Doch nicht nur in Deutschland nehmen starke Temperaturunterschiede und die entsprechenden Temperatursprünge bei den Luftmassenwechseln zu. Die Polarluft über Süddeutschland im kalten Unwetterfrühjahr 2016 war ja kein Beweis, dass die Erderwärmung stagniert, sondern zeigte, dass die Arktis „nicht mehr dicht“ ist und ihre Kälte verströmt. Denn der Polarwirbel ist ja gleichfalls geschwächt und bricht immer häufiger zusammen, was die bisherige Luftmassengrenze noch instabiler macht, wodurch die dominant gewordenen meridionalen Strömungen (Nord-Süd, Süd-Nord) weit nach Norden und Süden ausgreifen können. Man könnte sagen:

Die Arktis ist nicht mehr dicht und der finale Temperaturausgleich zwischen Arktis und Subtropen in vollem Gange.

In „Vom Wetter zum Unwetter“ äußerte ich 2013 die Befürchtung, dass die Erwärmung der Arktis sich noch beschleunigen könne, wenn Polarwirbel und Westwinddrift die kalte Luft nur noch eingeschränkt zurückhalten. Hinzufügen muss man jetzt wohl: „und wenn subtropische Warmluft ungehindert in die Polarregionen vordringen kann.“

Das passiert jetzt immer häufiger.

Die Warmluftvorstöße weit nach Norden und die Kaltluftvorstöße nach Süden haben sich in den letzten Jahren enorm verstärkt. So gab es im Frühsommer 2014 nicht nur einen Polarluftvorstoß bis nach Israel und in die Türkei, der für Schneestürme sorgte, sondern im Winter auch einen Warmluftvorstoß nach Finnland, der binnen zweier Tage die Temperatur von -55° auf +5° Celsius steigen ließ.

In Nordamerika wurden die neuen Abläufe im Winter 2014 besonders deutlich: es gab mehrfach extreme Polarluftvorstöße an der Ostküste bis hinunter nach Florida und in den Golf von Mexiko und mehrfach extreme Temperatursprünge von bis zu 40 Grad in wenigen Tagen, wenn die Strömung wieder auf Süd drehte. Gleichzeitig gelangte mit einer Süd-Nord-Strömung extrem milde Luft entlang der Westküste bis nach Alaska und darüber hinaus. Im Dezember 2015 erreichten die warmen Luftmassen gar den Nordpol, es gab einen Temperatursprung von 30 Grad. Die abnormen Rekorde bei Temperaturen und Eisschmelze im Jahr 2016 verdeutlichen die enormen Auswirkungen dieser Veränderungen.

Ein weiteres Kippelement

Die instabil gewordene Atmosphäre mit ihrer veränderten Zirkulation, erweist sich als bisher wohl unterschätztes Kippelement im Klimasystem und führt nicht nur zu lokalen Temperaturanomalien, sondern zu einem beschleunigten ungehinderten Ausgleich der Temperaturunterschiede zwischen den Luftmassen und damit zu einer noch mal beschleunigten Erwärmung der Arktis und der gesamten nördlichen Polarregion, einschließlich Grönlands – mit fatalen Folgen für das Weltklima.

Es müssen wohl nicht nur die Lehrbücher der Meteorologie neu geschrieben werden, sondern auch die Klimamodelle bedürfen erheblicher Modifizierung (siehe Semenov). Der Klimawandel hat damit möglicherweise einen Punkt erreicht, ab dem sich Eisschmelze und Meeresspiegelanstieg noch einmal erheblich beschleunigen könnten.

Teil III des Beitrages hier lesen

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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