Das Wetter spielt verrückt (Teil I)

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Kippelemente der atmosphärischen Zirkulation
(Teil I)

Dieser Beitrag von Jürgen Tallig wurde am 8. September 2016 auf der Website der "Ökologischen Plattform bei der Partei DIE LINKE" eingestellt.

Die Atmosphäre auf der Nordhalbkugel ist destabilisiert und ihre Zirkulation grundlegend verändert. Statt zonaler Strömungen bestimmen zunehmend meridionale Strömungen (Süd-Nord und Nord-Süd) das chaotische Wettergeschehen. Es erfolgt ein massiver Wärmetransport nach Norden, wie die diesjährigen Rekordtemperaturen und die Rekordeisschmelze zeigen.

Dieses Jahr brachte fast überall in der Arktis neue Temperaturrekorde und das Eis noch mehr zum Schmelzen als bisher. Selbst im Winter konnte sich das Eis nicht erholen. Das führte zu neuen Negativrekorden bei der winterlichen Meereisbedeckung, sowohl in der Fläche, als auch die Dicke des Eises betreffend. Für den Sommer wird gleichfalls ein neuer Negativrekord bei der Eisbedeckung erwartet und der massive Verlust von mehrjährigem Packeis!

Das Ende des Arktischen Meereises scheint viel näher, als bisher gedacht. Die Erwärmungen waren außergewöhnlich, ja extrem und lassen sich mit einer doppelt so schnellen Erwärmung der Arktis nicht mehr erklären. In der Zentralarktis war es im Februar 8 Grad wärmer als im langjährigen Durchschnitt. Auf Grönland, Spitzbergen und im arktischen Kanada wurden Rekordtemperaturen gemessen, die regelrecht beängstigend waren. Im Frühjahr 2016 gab es lange Zeiträume die 15 bis 20 Grad über dem langjährigen Durchschnitt lagen.

Diese extremen Erwärmungen lassen sich nur mit einer grundlegend veränderten atmosphärischen Zirkulation auf der Nordhalbkugel erklären, wodurch zunehmend warme Luft weit nach Norden befördert wird. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wetterverläufe und das Tempo der Eisschmelze. Dadurch werden die borealen Wälder bedroht, die durch Erwärmung und Trockenheit bereits schwer geschädigt sind. Auf Grönland begann die Eisschmelze dann auch drei Wochen früher als bisher und in Kanada kam es zu schweren Waldbränden.

Offensichtlich ist ein weiteres entscheidendes Element im Klimasystem, die atmosphärische Zirkulation, gekippt und irreversibel verändert. Diese schwerwiegende Veränderung beschleunigt die Erderwärmung nochmals erheblich und hat große Auswirkungen auf den Klimawandel. Trotzdem wird sie in der Öffentlichkeit, den Wetterberichten und Teilen der Klimaforschung nach wie vor weitgehend ignoriert.

Die atmosphärische Zirkulation, das unterschätzte Kippelement im Klimasystem

Auf Grund der starken Erwärmung der Arktis haben sich die Temperatur- und Druckunterschiede zu den Subtropen und Tropen enorm vermindert. Das hat gravierende Auswirkungen: Der Antrieb der Zirkulation und die bisherigen Zirkulationsmuster werden verändert und massiv geschwächt. Die atmosphärische Zirkulation der Nordhalbkugel ist offensichtlich irrreversibel in einen anderen Zustand übergegangen und in wesentlichen Aspekten grundlegend verändert .

Hier noch einmal eine kurze Aufzählung der wesentlichen Veränderungen:
• Die bisher unser Wetter bestimmende Westwinddrift hat stark nachgelassen und Azorenhoch und Islandtief gibt es nicht mehr wie bisher.
• Arktische und nordatlantische Oszillation haben sich stark abgeschwächt.
• Die Großwetterlagen haben sich stark verändert:
......o Strömungen aus verschiedenen Richtungen prallen über Europa aufeinander.
......o Meridionale Strömungsverläufe (also entlang der Meridiane, von Nord nach Süd und umgekehrt) nehmen zu.
......o Die Tiefdruckbahnen sind oft weit nach Süden oder Norden verschoben.
• Der Polarfrontjetstream ist geschwächt, verlangsamt und oft sehr stark mäandernd. Mit weiterer Verringerung der Temperaturunterschiede zwischen den Breiten wird er immer instabiler.
• Die plötzlichen Stratosphärenerwärmungen nehmen zu und der Polarwirbel kollabiert immer häufiger.

(Grundsätzlich kühlt sich die Stratosphäre allerdings ab, was der Nordhalbkugel verstärkt Ozonlöcher antarktischen Ausmaßes beschert. Das sei hier aber nur erwähnt.)

All dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf Wetter und Klima und bewirkt vor allem einen starken zusätzlichen Wärmetransport polwärts. Das beschleunigt die ohnehin dramatischen Veränderungen in der Arktis nochmals. Auch gilt es endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass es das Wetter, das wir bisher kannten, nicht mehr gibt.

Das Wetter ist zum „Un“Wetter geworden.

Jojo-Wetter, Unwetter und Überlagerung der Jahreszeiten
Dominant geworden ist eine Art JoJo-Wetter, also der häufige Wechsel der Strömungsrichtung und der Luftmassen, oft zwischen Nord und Süd, kalt und warm. Dies führt zu einer verstärkten Unwetterneigung durch das nun viel häufigere Aufeinandertreffen unterschiedlicher Luftmassen.

Die jahreszeittypischen Witterungsverläufe und Temperaturen werden inzwischen durch die jeweilige atmosphärische Strömungsrichtung weitgehend verändert. Sie werden entweder überlagert oder erheblich verstärkt und das in zunehmendem Maße. Entscheidend ist nicht mehr die Jahreszeit allein, sondern vor allem: Woher kommen die Luftmassen, aus Süd oder Nord, sind sie warm oder kalt.

Im Jahr 2013, aber auch schon in den Jahren zuvor, hatten wir in Europa extreme Wintereinbrüche bis weit ins Frühjahr hinein. Es gab Kälterekorde und reichlich Schnee, aufgrund einer anhaltenden Nordströmung, die polare Kaltluft heranführte (Verstärkung). Im Jahr 2014 wiederum gab es einen extrem milden Winter aufgrund einer anhaltenden Südwestströmung mit subtropischer Warmluft (Überlagerung). 2016 war der Winter ebenfalls viel zu mild, dafür gab es ein kühles, viel zu trockenes Frühjahr.

Die These von einem abgeschwächtem Golfstrom, kann diese Wechsel von warm und kalt nicht erklären. Das alles lässt sich nur durch eine veränderte atmosphärische Zirkulation sinnvoll erklären: Warme Luft wird vermehrt nach Norden und kalte Luft nach Süden verfrachtet. Immer öfter tauchen also Luftmassen da auf, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Die bisherigen Zirkulationsmuster sind offensichtlich stark verändert – es wird vermutet durch einen stark geschwächten und deshalb extrem mäandernden Polarfrontjetstream. Auch kommt es wohl immer häufiger vor, dass der Polarwirbel regelrecht zusammenbricht (Zunahme der plötzlichen Stratosphärenerwärmungen).

Da ja auch die Westwinddrift geschwächt ist, bricht eigentlich die gesamte bisherige atmosphärische Zirkulation der Nordhalbkugel weitgehend zusammen. Dadurch kann kalte Luft ungehindert nach Süden und warme Luft nach Norden vordringen. So war es im Juli 2014 in Skandinavien 10-15 Grad wärmer als normal, im Mittelmeerraum allerdings gleichzeitig 4-6 Grad kälter als üblich. 2016 war solch zweigeteiltes Wetter auch in Deutschland schon fast die Regel.

Im unwetterbetroffenen Süddeutschland war es oft 10-15 Grad kälter als im Nordosten. Polarluft wurde weit nach Süden verfrachtet und strömte dann wieder nach Norden. Das führte zu dem Paradox, dass die kalte Luft aus Süden kam. Eine Woche später war es möglicherweise schon wieder andersherum und Süddeutschland lag im Einfluss von Warmluft.

Teil II lesen Sie hier
Teil III lesen Sie hier

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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