Eine Lanze für die Wespen

Gewöhnliche Wespe (V. vulgaris) an einer Blüte der knotigen Braunwurz, einer Pflenze, die überwiegend von Wespen besucht wird.
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  • Gewöhnliche Wespe (V. vulgaris) an einer Blüte der knotigen Braunwurz, einer Pflenze, die überwiegend von Wespen besucht wird.
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Ich weiß: Sie sind lästig. Sie stören beim Grillen, beim Kaffeetrinken und bei allen möglichen Freizeitaktivitäten, und ihre Stiche brennen fürchterlich. Und die armen Mitmenschen mit Wespengiftallergie dürfen nur mit Notfallset ins Freie, wenn sie sich überhaupt trauen.
Aber Wespen haben auch andere Seiten. So vertilgt ein mittelgroßer Wespenstaat (500 - 1000 Individuen) täglich 2 Kilogramm Insekten (Fliegen, Mücken, Schnaken, Raupen und - ja - leider auch vereinzelt Bienen). Zwei Kilogramm Kleininsekten sind eine ganze Menge, wer einmal selbst versucht, das zu schaffen, ist wahrscheinlich schon bei 100 Gramm am Ende seiner Möglicheiten.
Außerdem stellen sie eine "Gesundheitspolizei" dar. Nicht nur, dass sie häufig geschwächte oder kranke Tiere erbeuten - sie beseitigen auch Aas. Früher war das die Domäne der Aaskäfer, aber in der großflächig gepflasterten und betonierten Landschaft können sie die Tiere nicht mehr verbuddeln. Tote Vögel, Mäuse, aber auch Hasen, Füchse und was wir alles so überfahren würden liegenbleiben und stinken. Zuständig fürs Grobe sind Krähen und Greifvögel, die kleineren Tiere oder Fleischreste werden von Wespen und Ameisen entsorgt.
Und ein Drittes: Auch als Bestäuber von Pflanzen spielen Wespen eine Rolle. Es gibt sogar Pflanzen, die fast ausschließlich von Wespen bestäubt werden, z. B. die knotige Braunwurz. Aber auch die Blüten unseres Apfelbaums und des Kirschbäumchens werden neben Bienen und Hummeln auch von Wespen bestäubt. Erwachsene Wespen ernähren sich ausschließlich pflanzlich, überwiegend von Nektar, nur ihre Larven sind auf tierische Kost angewiesen. Für sie nagen sie Stückchen von unserem Schinken auf dem Abendbrottisch ab.
Wenn man sie mit Ruhe betrachtet, kann man sie auch elegant, kraftvoll und sogar schön finden, aber das ist bekanntlich Geschmackssache.
Die meisten Wespenarten meiden eher die Nähe des Menschen, lediglich die Gewöhnliche Wespe (V. vulgaris) und die Deutsche Wespe (V. germanica) sind so zutraulich, dass sie lästig werden. Sie bauen ihre Nester grundsätzlich im Dunkeln (Rolladenkasten, Mauselöcher, Baumhöhlen). Wenn wir eine Wespe beim Bau eines offenen Nestes sehen, an einem Mauervorsprung, einer Balkonunterseite oder an der Dachtraufe, handelt es sich immer um eine nicht lästige Wespenart. Wenn wir sie gewähren lassen, besteht sogar die Chance, dass wir weniger belästigt werden, weil sich Wespen von Nestern anderer Staaten fernhalten, um nicht angegriffen zu werden.
Ich habe mich beim Fotografieren schon oft bis auf weniger als 50cm einem Wespennest genähert; solange ich nicht direkt vor dem Flugloch positioniert war, ist nichts geschehen. Ein großes, sich dem Flugloch näherndes Objekt wird von den Wespen als Bedrohung gesehen, dann greifen sie an. Natürlich ist es eine sehr, sehr schlechte Idee, ein befahrenes Wespennest anzufassen.
Am besten hilft es, im Freien das Essen abzudecken - den Aufschnitt mit einem Geschirrtuch, den Kuchen mit der Kuchenhaube, das Bierglas mit dem Bierdeckel. Die Hauptgefahr besteht darin, eine Wespe in den Mund zu bekommen, ein Stich in Zunge oder Gaumen kann wegen der Schwellung zu einem Verschluss der Atemwege führen. Wenn es passiert - kühlen (Eis, Eis und Eis) und bei starker Schwellung - oder großer Angst - ärztliche Hilfe holen oder in die Klinik fahren. Die Schwellung entsteht allmählich, sodass mann genügend Zeit hat und versuchen sollte, Panik zu vermeiden.
Viele Menschen stellen "Wespenfallen" auf, Flaschen mit Zuckerlösung oder Cola, in denen die Wespen ertrinken. Interessanterweise haben Untersuchungen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, von einer Wespe gestochen zu werden, in der Umgebung solcher Fallen doppelt so groß ist wie ohne Fallen. Das hat seinen Grund darin, dass die sterbenden Wespen Botenstoffe (Pheromone) ausschütten, deren Wahrnehmung die anderen Wespen in Aggressionsbereitschaft versetzt.
Hat man in der Nähe seines Freisitzes ein unterirdisches oder in einer Höhle (z. B. Nistkasten) befindliches Nest entdeckt, sollte man Feuerwehr oder Ordnungsamt anrufen, dann wird ein erfahrener Fachmensch vorbeikommen und das Nest entsorgen, d. h. es ausgraben und an einen menschenfernen Ort versetzen. Wespen sind aus den oben angegebenen Gründen geschützt, sie spielen im Haushalt der uns umgebenden Natur eine wichtige Rolle. Und wenn man sich ein wenig näher mit ihnen beschäftigt, entdeckt man interessante Verhaltensweisen, und sie verlieren viel von ihrem Schrecken. Natürlich - ihr Stich bleibt unangenehm.

Bürgerreporter:in:

Reinhard Naumann aus Marburg

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