Papst Franziskus: Krieg zerstört den Menschen

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Marburg, Mitte September 2014

Während in der Bundesrepublik Deutschland ein ehemaliger Pfarrer als Bundespräsident verbal aufrüstet, Mitglieder der Bundesregierung mehr internationale Verantwortung für Deutschland einfordern - dabei Beteiligung an Kriegen meinen - und der amerikanische Präsident eine neue Runde im »Krieg gegen den Terror« einläutet, redet der derzeitge Pontifex Maximus der römisch katholischen Kirche Klartext. Ich hätte nie gedacht, dass mir in meinem Leben ein Papst immer wieder derartig aus dem Herzen sprechen könnte (Siehe auch den Beitrag zum Jahreswechsel 2013/2014).

Vielleicht ist Franziskus ja der Fels, an dem die katholischen Christen in Deutschland, in Europa und weltweit sich aufrichten, um gesellschaftlich mitzumischen gegen Aufrüstung, Krieg und soziale Ungleichheit. Um zusammen mit anderen Menschen - unabhängig davon, ob gläubig, andersgläubig oder ungläubig - diese Welt ein Stück friedlicher und menschlicher zu gestalten.

Krieg zerstört das Schönste, das Gott geschaffen hat, den Menschen

Bei seiner Messe auf dem Weltkriegsdenkmal »Fogliano Redipuglia« hat Papst Franziskus vor dem »Wahnsinn des Kriegs« gewarnt. Dieses Denkmal liegt im Friaul, einem Landstrich in Norditalien. Zehntausende von Pilgern aus ganz Europa verfolgten die Predigt des Papstes.

Der Papst zelebrierte eine Messe in der Nähe der »Isonzo-Front«. Dort schlachteten sich im ersten Weltkrieg Hundertausende von Soldaten gegenseitig ab. Der Papst sagte, derzeit sei ein »Dritter Weltkrieg« im Gange, der in mehreren Konflikten Tod und Zerstörung hervorbringe.

Krieg, so der Papst aus Argentinien weiter, zerstöre das »Schönste, das Gott geschaffen habe, den Menschen«. Er knüpfte in seiner Predigt an seine Worte im apostolischen Schreiben »Evangelii Gaudium« aus dem Vorjahr an, in dem er unter der Überschrift »Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung« schrieb:

Ebenso wie das Gebot „du sollst nicht töten“ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht. Das ist Ausschließung. Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass Nahrungsmittel weggeworfen werden, während es Menschen gibt, die Hunger leiden. Das ist soziale Ungleichheit. Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichtemacht.

Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg. Der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann. Wir haben die „Wegwerfkultur“ eingeführt, die sogar gefördert wird. Es geht nicht mehr einfach um das Phänomen der Ausbeutung und der Unterdrückung, sondern um etwas Neues: Mit der Ausschließung ist die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt, an ihrer Wurzel getroffen, denn durch sie befindet man sich nicht in der Unterschicht, am Rande oder gehört zu den Machtlosen, sondern man steht draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht „Ausgebeutete“, sondern Müll, „Abfall“.

In seiner Predigt benannte der Papst klar die Ursachen von Kriegen. Er sagte, Krieg werde oft von Ideologien gerechtfertigt, er sei jedoch die verheerende Folge «verzerrter Impulse» wie Machtstreben und Habsucht. Der Papst betonte, dass hinter dem Krieg die Waffenindustrie stecke. Waffenhändler bezeichnete er als «Organisatoren des Terrors», die ihr Herz verloren haben.

Soziale Ungleichheit als Ursache des Krieges

In »Evangelii Gaudium« hatte der Papst auch die soziale Ungleichheit als Ursache von Gewalt und Krieg identifiziert. Er schrieb: Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. Die Armen und die ärmsten Bevölkerungen werden der Gewalt beschuldigt, aber ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Intelligence geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können.

Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom System ausgeschlossen sind, sondern weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist. Wie das Gute dazu neigt, sich auszubreiten, so neigt das Böse, dem man einwilligt, das heißt die Ungerechtigkeit, dazu, ihre schädigende Kraft auszudehnen und im Stillen die Grundlagen jeden politischen und sozialen Systems aus den Angeln zu heben, so gefestigt es auch erscheinen mag.

Wenn jede Tat ihre Folgen hat, dann enthält ein in den Strukturen einer Gesellschaft eingenistetes Böses immer ein Potenzial der Auflösung und des Todes. Das in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse ist der Grund, warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann. Wir befinden uns weit entfernt vom sogenannten „Ende der Geschichte“, da die Bedingungen für eine vertretbare und friedliche Entwicklung noch nicht entsprechend in die Wege geleitet und verwirklicht sind.

Diesem Text ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Höchstens eine säkulare Analyse unseres Gesellschaftssystems. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Das Apostolische Schreiben in voller Länge findet sich hier.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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