Der Frisörtermin / Anekdote

Mein Vater war ein absolut korrekter Mann. Er war immer wie aus dem Ei gepellt. Es durfte keine Fluse auf dem Anzug sein, die Krawatte musste die richtige Länge haben, die Bügelfalten der Hosen waren messerscharf. Und pünktlich war er. Pünktlich auf die Minute.
Er war ein Held an seiner Arbeitsstelle. Genau der Richtige für die Nachlassabteilung des Amtsgerichtes, an der er seinen Dienst verrichtete. Bei Erbschaftsangelegenheiten war genaues Arbeiten vonnöten. Fehler kannte er nicht, krank wurde er auch nicht.

Eines Abends kam er ganz aufgebracht nach Hause, mit gerötetem Gesicht und etwas atemlos. „Stell Dir vor“, sagte er zu meiner Mutter, „da gehe ich doch heute zum Frisör, ich hatte mein Geld wie immer genau abgezählt in meiner Geldbörse – ich weiß ja, was das Haareschneiden kostet – plus die fünfzig Pfennig Trinkgeld, die ich immer gebe … da ist doch der Preis erhöht worden! Ein Unding. Ich war nicht in der Lage, das übliche Trinkgeld zu geben. Ich sagte dem Gesellen, denn er schneidet mir immer die Haare, dass ich ihm das Trinkgeld das nächste Mal geben würde, doch er lehnte dankend ab und meinte, er sei nicht auf mein Trinkgeld angewiesen. So eine Unverschämtheit. Die haben mich da als Kunden verloren. Da gehe ich nie wieder hin“
Und das tat er auch nicht.
Ich habe heute übrigens immer zu viel Geld im Portemonnaie …

© R. Güllich

Bürgerreporter:in:

Rainer Güllich aus Marburg

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