Eine Reverenz an Beatrix Potter

Jemima Pratschel-Watschel
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Obwohl ich mein ganzes Leben lang schon anglophil gesinnt bin, habe ich es irgendwie geschafft, die herrlich literarischen Kinder-Bücher von Beatrix Potter zu verpassen. Jetzt, wo ich älter bin, habe ich sie nicht nur entdeckt, sondern bin in vollen Zügen hineingewachsen und genieße es, ein Potter-Buch vor dem Schlafengehen zu lesen. Und wenn ich das mache, sind meine Kinder meist auch nicht fern.

Die kleinen Bücher mit bezaubernden Illustrationen sind jedoch mehr als nur Unterhaltung. Es sind Moralgeschichten, aus denen wir alle ein oder zwei Dinge lernen können. Nehmen wir die komische direkte Sprache in der Geschichte vom bösen, wilden Hasen, wo wir ein gutes Häschen erleben, das von einem schlechten gemobbt wird. Das gute Häschen schleicht sich davon und versteckt sich, und man bekommt Mitleid mit ihm. Dann blättert man um, und sieht ein Bild vom Jäger mit der Beschreibung:
"Dies ist ein Mann mit einem Gewehr."
Ich kann mir nicht helfen, aber es durchschüttelt mein Herz mit Heiterkeit beim Gedanken an einige mehr progressiv Gesinnte, was die wohl über Waffen in Kinderbüchern denken mögen.

Oder ist da die klassische Geschichte von Peter Hase, die Erzählung über einen unverbesserlichen Hasen, der seine Sucht zu stehlen nicht in den Griff bekommt und nun um sein Leben laufen muss. Dort lesen wir folgendes.
„Peter hielt sich schon für verloren und vergoss große Tränen; aber sein Schluchzen wurde von einigen freundlichen Spatzen belauscht, die in großer Aufregung zu ihm flogen, und ihn anflehten, sich anzustrengen.“
Diese letzten Worte könnten einige meiner liebsten in der ganzen englischen literarischen Tradition werden.

„… implored him to exert himself (flehten ihn an, sich anzustrengen).“

Dann gibt es da die übertrieben unterhaltsame Geschichte mit dem Titel „Die Geschichte von Jemima Pratschel-Watschel“, die damit endet - nun, ich will meinen Lesern nicht den Spaß verderben - aber Vorsicht: Es ist nicht das Gefühlsdusel-Ende, wie es unsere Kinder gewohnt sind. Es ist brutal und ehrlich, wie vieles im Leben auf dem Bauernhof. Doch es ist auch eine Geschichte eines ehrbaren Hundes und eines höchst unehrenhaften Fuchses.

Dies sind alles große Geschichten, aber meine Lieblingsgeschichte ist die von Ginger & Pickles. Ginger ist ein gelber Kater und Pickles ein dunkler Terrier, und die beiden ungleichen Partner betreiben gemeinsam einen Lebensmittelladen. Der einzige andere Shop in der Stadt gehört Tabitha Twitchit, einer neurotischen Katze, deren drei Jungen sie ständig im Hysterie-Zustand halten. Was diese Geschichte für mich so wunderbar macht ist die Botschaft im haushälterischen Sinne. Schließlich ist Ökonomie nur die Beschäftigung mit Maßnahmen in Bezug auf knappe Güter. Wir alle beschäftigen uns jeden Tag mit Ökonomie, ist es doch auch wichtiger Bestandteil unserer kirchlichen Soziallehre. Somit ist die Belehrung, wie sie in dieser Geschichte steckt, wichtig für Kinder und Erwachsene. Und eine dieser Lektionen ist verstanden, wenn wir lesen, dass Ginger & Pickles ein Geschäft betreiben, das es dem Kunden zubilligt, Dinge auf Kredit zu kaufen.
Es folgt nun, wie Potter das Kreditwesen beschreibt:

„Kredit“ bedeutet: Wenn eine Kundin beim Kauf eines Stückes Seife anstatt eine Geldbörse zu ziehen, um daraus zu bezahlen, sagt: „Ich zahle ein anderes Mal.“

Und Pickles macht eine tiefe Verbeugung und sagt: „Gern, gnädige Frau“, und es wird in ein Buch geschrieben.
Die Kunden kommen immer wieder und kaufen Mengen ohne Furcht vor Ginger & Pickles.
Aber es gibt kein Bargeld in der Box, die man „Kasse“ nennt.
Ah, da ist der Haken. Es gibt kein Geld.
Pickles schreibt fleißig die „Käufe“ auf.
Es wurden schon mehrere Studien durchgeführt, die zeigen, dass Menschen dazu neigen, mehr zu kaufen, wenn sie mit Kreditkarte zahlen, als wenn die Zahlung mit Bargeld erfolgt. Es steckt etwas im menschlichen Geist, etwas verbrauchendes und konsumierendes, was uns zu unnötigen Einkäufen antreibt.
Wenn es keine unmittelbare Folge eines Kaufs gibt, man nicht spürt, dass man etwa weniger Euros und Cent hat – nun, dann ist man auch weniger gehemmt, sich zurückzuhalten. Es scheint, als ob das Gesetz des abnehmenden Ertrags gegen die felsigen Ufer des menschlichen Wollens stößt. Wir konsumieren und konsumieren ohne Bezug zu tatsächlichen Veränderungen auf unserem Bankkonto. Es ist alles auf Kredit. Man kann erraten, was mit den armen Ginger & Pickles passiert. Das Stadtvolk zahlt selten seine Rechnung.
Das Geld der Partner beginnt zu schwinden und sie müssen damit anfangen, sich von den eigenen Vorräten zu ernähren. Pickles hat nicht genug Geld für die Hundesteuer, und als ein Polizist oder zumindest eine als Polizist verkleidete Puppe in den Laden kommt, sind sich die beiden Partner sicher, dass er da ist, um Pickles zu verhaften. Ginger beschwört seinen Freund, die Polizeipuppe zu beißen, indem er seinem vierbeinigen Partner zuruft:
„Beiß ihn, Pickles! Beiß ihn!“, stottert Ginger hinter einem Zuckerfass, „es ist nur eine deutsche Puppe!“
Ja, sprengt diese heimtückischen deutschen Puppen in die Luft.
Doch der Grund für den Polizeipuppenbesuch war nicht Pickles, oder besser gesagt es ging nicht nur um ihn. Er kam, um den Steuerfestsetzungsbescheid von 3 £ 19 und 11¾ abzuliefern. Der Staat kommt wegen seines Anteils an der Beute und die beiden kleinen Geschäftsleute geben auf. Es sei „der letzte Strohhalm“ gewesen, sagen sie, und so machen Ginger & Pickles ihren Laden dicht und arbeiten wieder für andere Leute.
Dies sorgt natürlich für etwas Krawall in der Stadt. Tabitha Twitchit, die Katze mit dem einzig verbliebenen Geschäft hat somit nun das Monopol, hebt ihre Preise auf alles an und weigert sich noch immer, Kredit zu gewähren. Ach ja, der Kapitalismus. Natürlich reagiert der Markt. Ein Mr. John Siebenschläfer und seine Tochter fangen an, Kerzen zu verkaufen. Allerdings sind die Kerzen von schlechter Machart. Sie schmelzen bei warmem Wetter und Herr Siebenschläfer reagiert nicht auf die Kundenbeschwerden:
Und wenn man sich bei Mr. John Siebenschläfer beklagte, blieb er im Bett liegen und wollte nichts anderes als „sehr gemütlich“ sagen. Das ist keine Art, ein Einzelhandelsgeschäft zu führen.
So nicht, mein Herr. Der Kundenservice ist eines jener Dinge, die oft übersehen werden, die aber fester Bestandteil der Teilnahme des katholischen Geschäftsmanns an der Soziallehre sein sollten. Zu dienen, ist eine große Berufung, und dem Kunden zu dienen sollte hohe Motivation für einen Handel oder jegliches Geschäft sein.
So öffnete auch Sally Henny Penny ihr eigenes Geschäft. Große Aufregung folgte und Menschen strömten in den Laden – alles, um die überhöhten Preise von Tabitha Twitchit zu umgehen. Diesmal jedoch besteht Henny darauf, dass in bar bezahlt wird. Es scheint, die Lektion wurde gelernt.

Beatrix Potter liefert uns einige wunderbare Beobachtungen voller Laune und Unterhaltung; aber sie enthalten auch Warnungen und Ratschläge. Peter Hase wäre nie in die Lage mit den Spatzen geraten, die ihn anflehten, sich anzustrengen und zu bessern, um nicht als Kuchen gebacken zu werden, hätte er seiner Mutter gehorcht, Herrn McGregor nicht bestohlen, und wäre kein verfressenes Kaninchen geworden. Der böse, wilde Hase könnte heute noch seine Schnurrhaare und seinen Baumwollschwanz besitzen, hätte er nicht jenes gute Kaninchen gemobbt. Jemima Pratschel-Watschel könnte mit ihren Eiern an einen Platz auf dem Bauernhof sitzen, wenn sie nicht so ungeduldig gewesen wäre und darauf bestand, sich aus der gemeindlichen Unterstützung hinaus zu begeben. Und Ginger & Pickles könnten ihre kleinen Laden noch haben, wenn sie nur vorsichtiger mit Kredit umgegangen wären und andere wären nicht so verantwortungslos geworden, einfach Rechnungen nicht zu bezahlen.

Die schändliche Ratte Samuel Whiskers und seine Frau Anna Maria waren so ein Paar. Ihre Rechnungen bezahlten sie nie. Es sind verachtenswerte Ratten, die dem Rest der Gemeinschaft zur Last wurden. Oh, wie man geneigt ist, sie nicht zu mögen.
In der Tat, als Freunde über Mädchennamen für ihr letztes Baby nachdachten, fiel „Anna Maria“ direkt aus dem Rennen. Schlechtigkeit und Laster sind mit diesen Charakteren verbunden, und jeder Leser kann sie erkennen. Auch aus Potters Beschreibungen der schlechten Charaktere können wir lernen. Diese Geschichten von Beatrix Potter sind sehr häufig Moralgeschichten, und genau die Art von Geschichten, die unsere Kinder hören sollten. In einer Welt, wo Überschuss und Selbstverwirklichung als die ultimativen Maßnahmen gelten, wo eine Regierung wie verrückt Mittel durch erstaunlich unfähige Abteilungen verschwenden kann und wo die Bevölkerung ohne mit der Wimper zu zucken Berge von Kreditkartenschulden anhäuft, indem sie jedes Schmuckstück, jeden verfügbaren Ramsch anschafft, täten wir alle gut daran, gleich welchen Alters, auf Beatrix Potter zu hören.

Wir lernen, ehrlich zu leben, die Menschen fair zu behandeln, um im Rahmen unserer Möglichkeiten zu leben und immer, immer sicherstellen, genügend übrig zu haben, um die Hundesteuer bezahlen zu können.

Bürgerreporter:in:

Matthäus Felder aus Lichtenstein

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