Holocaust Gedenkstätte - Landsberg/Lech

Tonröhrengewölbe / Blick: Richtung NO | Foto: M. Deiler/HC-GdSt.-LL
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Landsberg auf den Spuren seiner Geschichte……

KZ-Außenlager Kaufering VII

Im Frühjahr 2014 begann die Konservierung der Tonröhrenbaracken im ehemaligen KZ-Außenlager Kaufering VII an der Erpftinger Strasse. Ein erfreuliches Zeichen, dass geschichtliches Bewußtsein auch auf öffentlich breiter Basis an den interessierten Besucher herangetragen wird. Freilich sind dazu Maßnahmen erforderlich, die neben der Dokumentation der ehemaligen Geschehnisse einzelner Zeitzeugen auch finanzieller Mittel bedürfen um diese auch besuchergerecht und allgemeinverständlich der Nachwelt im „geschichtlichen“ Bewußtsein zu präsentieren.

Hatte diese Rolle in den frühen 80er-Gründerjahren des letzten Jahrhunderts die Bürgervereinigung „Landsberg im 20.Jhdt.“ e.V. durch deren Gründungsmitglied Herrn Anton Posset , wenn auch in vielfältiger „umstrittener“ Form mit offiziellen Vertretern der Stadt Landsberg begonnen, so zeigt sich heute erfreulicherweise ein enormer Fortschritt durch die Nachfolgeorganisation – der „Europäischen Holocaustgedenkstätte Stiftung“ – und dessen Vizepräsidenten – Herrn Manfred Deiler. Nicht zuletzt auch durch die Zusammenarbeit, wie mit der Stadt Landsberg und der Gemeinde Kaufering, sowie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten. Der Plan das ehemalige KZ-Lager Kaufering VII nicht nur zu einem Ort des Gedenkens, sondern auch zu einer Gedenk- und Informationsstätte für die breite Bevölkerung zu schaffen, ist an sich schon lobenswert. Vor allem die Bereitschaft und Beteiligung entscheidender politischer Träger zur Unterstützung eines geplanten Dokumentationszentrums, das auch unter Einbeziehung der naheliegenden ehemaligen Bunkeranlage „Weingut II“ und späteren Nato-Kaserne (heutigen Welfenkaserne) ausgearbeitet werden soll.

„Durch Tod zum Leben“ - Tod und Leiden mahnen zum Frieden – wie bereits Militärpfarrer – Wolfgang Schulz in seiner Ansprache vom 11. Mai 1984 hinwies ! Im stillen Gedenken an die grauenvolle Zeitspanne der national- sozialistischen Terrorherrschaft, sollte man angesichts der unsagbaren Opfer und Leiden – vor allem jüdischer Zwangsarbeiter gedenken, die hier in den beiden Jahren 1944-45 ihr Leben verloren, und deshalb zu einem gemeinsamen Ort der Begegnung der Kulturen, der Besinnung und zukünftigen Kooperation zusammenfinden.

Geschichtlicher Hintergrund:

Aufgrund des ehemaligen Rüstungsprojektes - unter der Oberbauleitung der Organisation Todt mit dem Decknahmen „Ringeltaube“ – in den letzten Jahren des 2.Weltkrieges, beabsichtigte die deutsche Luftrüstung, sechs unterirdische Bunkerbauten zur geschützten Produktion, u.a. auch drei in der Umgebung von Landsberg, für die vor der Bombardierung der alliierten Westmächte geschützte Produktion von Flugzeugen zu schaffen. Damit verbunden war auch die Errichtung des KZ-Lagerkomplexes Kaufering in der umliegenden Region für jüdische Zwangsarbeiter, deren Arbeitskraft in diesem Projekt ausgebeutet wurde. Unter diesen insgesamt 11 Konzentrationslagern die hier errichtet wurden, war auch das KZ-Außenlager Kaufering VII, an der heutigen Erpftinger Strasse, in dem ca. bis 2.500 Insassen untergebracht waren.

Das ehemalige KZ-Lager Kaufering VII ist in die Bayerische Denkmalliste eingetragen als -

a) Baudenkmal: „Ehem. Außenlager Kaufering VII des Konzentrationslagers Dachau.

Zu diesem gehören Teile des ehemaligen Lagers auf einer viereckigen Waldlichtung; Erdhütten, drei noch intakte sowie mehrere eingestürzte ausgemauerte Erdgruben mit Beton-Tonröhrengewölben. Charakteristisch dafür ist die „Tonröhren-Bauweise“, die sich durch ineinander gesteckte Tonflaschen auszeichnen, die auf eine halbrunde Holzverschalung aufgebracht waren. Die Dachträger wurden dann auf in Erde eingelassenen Betonfundamente gestellt. Darüber gedeckt wurde Erdreich und Grassodenbewuchs. Das Lager selbst hatte insgesamt eine Fläche von ca. 700x700m, mit Aushebungen für 55 Erdhütten; ehem. Versorgungsbauten, Fundamentreste; Einfriedung, Reste der einstigen Stacheldrahtumzäunung; ehem. Bauten der KZ-Bewacher, Fundamentreste außerhalb der Einfriedung am Feldweg zur Straße Erpfting-Landsberg (1944)“ und ebenso als -

b) Bodendenkmal: „Untertägige Teile des Außenlagers Kaufering VII des Konzentrationslagers Dachau (1944-1945)“.

Von diesem als auch den anderen umliegenden KZ-Lagern bewegten sich dann im täglichen Rhythmus die Zwangsarbeiterkolonnen zu den umliegenden Baustellen hin und zurück. Nicht zu vergessen sind dabei die die unmenschlichen gesundheitlichen, hygienischen und arbeitstechnischen Bedingungen unter der von allen Arbeitslagern in dieser Region (ca. 23.000 Häftlingen) insgesamt ca. 6.500 Menschen starben. Nicht berücksichtigt sind dabei jene, die während dieser Zeit in andere Lager verlegt, bzw. deportiert wurden.

Diese waren von allen Außenlagern Dachau’s die am allerschrecklichsten.
(Quelle: Protokoll der Berichts der Kriegsverbrecheruntersuchungskommission)

Nach der Befreiung der KZ-Lager durch die amerikanische Armee, wurden die ehemaligen Unterkunftsbaracken der Wachmannschaften dieses Lagers Kaufering VII, für einige Jahre von Flüchtlingen und Vertriebenen als Wohnung genutzt. Einige Gebäude des ehemaligen KZ Lagers wurden noch z.T. gewerblich genutzt, eines später sogar von der Motorradgruppe „Devil Knights“ zu einem „Clubheim“ umgestaltet. Mit der Zeit verfielen die Gebäude, lediglich 6 Tonröhrenbaracken, mehrere Fundamente und untertägige Reste von Erdhütten blieben erhalten.

Nachkriegsgeschichte:
Erst auf Betreiben in den frühen 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann mit der 1983 gegründeten „Bürgervereinigung Landsberg im 20.Jhdt.“ unter der Leitung des damaligen OStR. Anton Posset, sowie 8 weiteren Landsberger Bürgern die geschichtliche Aufarbeitung und Sicherung und Pflege des 1985 von ihr erworbenen Geländes. Ermöglicht wurde dieser Erwerb zusätzlich durch eine großzügige Spende von Alexander Moksel. Der Zerstörung und dem Abriß der vorhandenen Gebäude wurde damit erfolgreich entgegengewirkt.

Der Gründung vorausgegangen war ein „Schülerwettbewerb um den Preis des Bundespräsidenten“ in dem die Schüler Gaby Matthees, Wolfgang Habel und Edith Raim des Dominikus Zimmermann-Gymnasiums in Landsberg, vom Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden waren.
Mit der Herausgabe der „Themenhefte Landsberger Zeitgeschichte“ (Heft 1-6) versuchte der Verein unter der Redaktion von Manfred Deiler, Anton Posset und Michael Strass, auch die geschichtliche Aufarbeitung dieses „dunklen“ Themas der Landsberger Geschichte.

Begleitet waren diese Umstände bis in den Jahren bis 1995/96 durch viele Differenzen mit einigen politischen Trägern der Stadt Landsberg, und mehreren Prozessfluten verschiedener Beteiligter.

In den Jahren 1994-99 begann man angeregt durch die Bürgervereinigung, und durchgeführt durch die jeweiligen Staatspräsidenten, bzw. deren offiziellen Auslands-Repräsentanten (Generalkonsulate) verschiedener Nachbarstaaten, mit der Aufstellung von „internationalen Gedenksteinen“ (insgesamt 10) in denen den jeweiligen Opfern aus diesen Nationen, als auch US-Kriegs-Veteranen in Gedenkinschriften gewürdigt wurde. Hinzu kam dann die Übernahme einer Begehungsfläche, in der einzelne Überlebende und Verwandte der jüdischen Opfer mit der Aufstellung von weiteren Erinnerungs- und Gedenksteinen ihre Verbundenheit zum Ausdruck brachten.

Durch diese – wenn auch manchmal – zwiespältige gesehene Aufarbeitungsperiode „geschichtlicher Auseinandersetzung“ von verschiedenen Seiten attackiert, schaffte der Verein in dieser Zeit auch einen bedeutenden Baustein zur Erinnerung und damit an das bleibende Bewußtsein in der Öffentlichkeit an diese grauenvolle nationalsozialistische Vergangenheit.

Gründungsgedanke der Holocaust Gedenkstätte:

Im Mai 2009 wurde die Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung e.V. gegründet.
Durch die erfolgreiche Übertragung des Grundeigentums des Vereins im Jahr 2009, sowie die Übertragung des Eigentums der Bundesrepublik Deutschland an den erhaltenen Bauwerken zum 31.12.2011 auf die Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung (Ende des Doppeleigentums),wurde eine Grundvoraussetzung für eine Erhaltung der denkmalgeschützten Tonröhrenbauwerke auf dem ehemaligen KZ-Lager Kaufering VII geschaffen. Eine Machbarkeitsstudie in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Jahr 2011, umfassende Notsicherungsmaßnahmen im Jahr 2012, und die Klassifizierung der Tonröhrenbaracken zu Denkmälern von nationaler Bedeutung im Jahr 2013, führten schließlich in einem ersten Bauabschnitt zur Konservierung einer Tonröhrenbaracke im Jahr 2014 durch die Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung e.V.
Stiftungsvizepräsident Manfred Deiler betreute seit 2009 verantwortlich alle diese Maßnahmen und bemüht sich als Projektleiter seit 2014 u.a. um die Erhaltung und Konservierung der vorhandenen Bausubstanz.

Auch die Idee und Planung zur Realisierung eines Dokumentationszentrums und Lernortes, begann sich mit dieser Zeit zu formieren. Zielführend war hier auch die Kooperation mit der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern, regionalen Gedenkstätten und Heimatmuseen.

Ebenfalls die Zusammenarbeit mit der bestehenden „Militärgeschichtlichen Sammlung“ in der Welfenkaserne, sowie Einbindung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Die Initiatoren der Militärgeschichtlichen Sammlung „Erinnerungsort Weingut II (Untertageanlage der Welfenkaserne), Obst.Lt. Gerhard Roletscheck und OSt.Feldwebel Helmut Müller, hatten in den vergangenen Jahren bereits durch viele Führungen, die Geschichte der ehemaligen Bunkeranlage und späteren NATO-Kaserne, der breiten Öffentlichkeit nähergebracht.
Diese gute Zusammenarbeit führte schließlich zur Gründung der Gesellschaft für Neueste Geschichte e.V. Neben der Unterstützung und Förderung der Militärgeschichtlichen Sammlung, der Zusammenführung von Archiven, der Unterstützung und Begleitung von Forschungsprojekten und Schülerarbeiten, wird die Gesellschaft für Neueste Geschichte inzwischen sowohl „inhaltlich als auch organisatorisch“ als mögliche Plattform für die Errichtung eines Dokumentationsortes Landsberg/Kaufering gesehen..
(Siehe dazu Artikel auf dem Webportal My-Heimat: http://www.myheimat.de/igling/gedanken/auf-den-spu...).

Die Europäische Holocaustgedenkstätte Stiftung beginnt mit 2015 mit dem zweiten Bauabschnitt zur Konservierung der Tonröhrenbaracken. Baubegleitend werden weitgehende wissenschaftliche archäologische Untersuchungen auf dem ehemaligen KZ-Lager Kaufering VII durchgeführt, die vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege finanziert werden.

Die weitere Entwicklung des Dokumentationszentrums aufgrund der bisher vorliegenden Planungen wird sich sicherlich noch in den nächsten Jahren hinziehen, bis man an eine komplette Gedenk- und Informationsstätte realisieren kann, die auch als gedenkhistorische Begehungsstätte, für Besucher, Schulen und ausländischen Gästen genutzt werden kann. Es ist der Holocaustgedenkstätte zu wünschen, dass die geplanten Bau-Umsetzungsmaßnahmen sich in vollem Rahmen den geplanten Vorstellungen in den nächsten Jahren, mithilfe Unterstützung offizieller Träger, Politik & Wirtschaft, sowie der breiten Öffentlichkeit realisieren lassen.

Wer sich der Vergangenheit verwehrt, verhindert nicht, dass die Zukunft aus diesen tragischen Fehlern lernt – dies bewahrheitet sich im heutigen Zeitgeschehen in vielerlei Weise !

gez. Alfred Platschka
(Webadmin: www.Lechrain-Geschichte.de)

Literaturquellen/Hinweise

• Interviewnotizen Hr. Deiler (Europäische Holocaust-Gedenkstätte 2014/2015)
• Persönliche Recherchen von Obst.-Lt. Dipl-Ing. (FH) Gerhard Roletscheck
• Themenheft Landsberger Zeitgeschichte Nr. 2: Todesmarsch und Befreiung – Landsberg im April 1945: Das Ende des Holocaust in Bayern
• Themenheft Landsberger Zeitgeschichte Nr. 4: Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt „Ringeltaube“
• Edit Raim. Landsberger Geschichtsblätter
• B. Fenner. „Wir machen ein KZ-sichtbar“ Katalog zur Schüleraustellung in der Welfenkaserne. Barbara Fenner Verlag, Hofstetten 2000 ISBN 3-8980 4362-1-7:
• W. Meier: Der Bahnhof Kaufering im „Dritten Reich“ (Landsberger Geschichtsblätter 2010)
• B. Fenner: Erinnerung an Col. L.Heymont (Landsberger Geschichtsblätter 2010)

Ausführlichere Hinweise zur Bild-/Text-Beschreibung sind zu finden auf der Lechrain-Website http://www.lechrain-geschichte.de unter der Rubrik: Siedlungsgeschichte / 20.Jhdt. / 2.Weltkrieg - und: http://www.lechrain-geschichte.de/SRV_Aktuelles.ht...

Weiterführende Internet-Links:
Landsberger Zeitgeschichte
Welfenkaserne (Wikipedia)
Auf den Spuren der geschichte im Raum Landsberg/Lech (A.Platschka/Lechrain-Geschichte)
Barbara Fenner: Klassenprojekt Iganz-Kögler-Gymnasium: „Wir machen ein KZ sichtbar - (http://www.barbara-fenner.de)
Bürgervereinigung Landsberg
Landsberg/Lech zur Zeit des Nationalsozialismus• Wikipedia / Europäische Holocaustgedenkstätte in Landsberg
alemannia-judaica - Friedhöfe in Bayern
kz-gedenkstaette-dachau

Übersicht - Außenlager des KZ Dachau unter dem Namen Kommando Kaufering:

• KZ-Außenlager Kaufering I, Landsberg nahe Iglinger Straße, zugleich SS-Kommandantur (heute nichts mehr zu sehen)
• KZ-Außenlager Kaufering II, Igling
• KZ-Außenlager Kaufering III, Kaufering
• KZ Schwabmünchen/Kaufering IV (auch: Kolonie Hurlach)
• KZ Außenlager Kaufering VI, Türkheim
• KZ-Außenlager Kaufering VII, Erpfting, heute mit Gedenkstätte
• KZ Außenlager Kaufering VIII, Seestall
• KZ Außenlager Kaufering IX, Obermeitingen
• KZ Außenlager Kaufering X, Utting
• KZ Außenlager Kaufering XI, Stadtwaldhof (Bunker Welfenkaserne Landsberg)

Bürgerreporter:in:

Alfred Platschka aus Igling

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