„Auf Stelzen in die Zukunft!“ - Spracherwerb auf andere Art

Stelzentraining in der Gruppe | Foto: Wolfgang Hauck
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Landsberger Kulturverein «dieKunstBauStelle e.V.» startet Gemeinschaftsprojekt mit der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Schloss Zinneberg und dem Theater «Die Stelzer». Das Integrationsprojekt kommt unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie Schülerinnen und Schülern der Mittelschule zugute.

Ein neues außerschulisches Integrationsprojekt des Landsberger Kulturvereins «dieKunstBauStelle e.V.», das bereits Ende vergangenen Jahres an den Start ging, wird im Januar fortgesetzt. Als Gemeinschaftsprojekt mit der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Schloss Zinneberg und dem Theater «Die Stelzer» wird es zunächst gemeinsam mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die in Zinneberg im Fach Deutsch als Fremdsprache unterrichtet werden sowie Schülerinnen und Schülern der Zinneberger Mittelschule durchgeführt. Nach und nach sollen auch andere Schulen einbezogen werden.

Unterstützt wird das Projekt durch den Verein "Horizonte e.V.“, der im Rahmen des lokalen Aktionsplans „GRASS21“ Mittel der Bundesförderung „Demokratie leben!“ und des Landkreises Ebersberg für außerschulische Projekte bereitgestellt. „Begeistert von unserer Projektidee, hat man sich schnell zu einer Förderung und Kooperation entschlossen“, berichtet Wolfgang Hauck, Vorstand von «dieKunstBauStelle e.V.». „Denn auch das ist wichtig für die Realisierung eines solchen Projektes: Personen, die eine derartige Chance ergreifen und unkompliziert umsetzen.“

Stelzentheater und Bodypercussion

Mit Stelzen im Gepäck reisten die beiden Theaterleiter Peter Pruchniewitz und Wolfgang Hauck daher Ende vergangenen Jahres nach Glonn in die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Schloss Zinneberg. Dort haben sie den Schülerinnen und Schülern gezeigt, was man mit Hochstelzen alles machen kann. Begleitet wurden sie von dem Landsberger Musikpädagogen Anselm Kirsch, der den Jugendlichen auf einfache Weise eine Begegnung mit Rhythmus und Musik ermöglichte. So stellte er mit „Bodypercussion“ eine Möglichkeit vor, mit der man durch Klatschen, Stampfen, Schnipsen komplexe Rhythmen selbst erzeugen und dabei gleichzeitig Deutsch lernen kann. „Bodypercussion, also die Nutzung von ‚Körperinstrumenten’, zählt zu den ältesten Arten, Gefühlen Ausdruck zu verleihen und zu musizieren“, sagt Anselm Kirsch.

Von den 61 Schülerinnen und Schülern der Einrichtung haben sich 35 Jugendliche gemeldet, um an einem Zusatzprogramm teilzunehmen. Direkt im Anschluss folgten fünf intensive Tage, an denen die Jugendlichen in kleineren Gruppen mit den Fachtrainern gearbeitet haben. „So wurde eine Stelzengruppe mit 20 Teilnehmern und elf Nationalitäten sowie eine Percussion-Gruppe mit 18 Teilnehmern und zwölf Nationalitäten gebildet“, erzählt Peter Pruchniewitz.

Vermittlung von kulturellen Fähigkeiten und Förderung des Spracherwerbs

Es geht bei diesem Projekt um eine ergänzende Förderung des Spracherwerbs in Verbindung mit kulturellen Workshops. Mit der Verknüpfung von körperlichen und künstlerischen Tätigkeiten ist eine besondere Förderung im Hörverstehen und Sprechen möglich. Dazu wurde ein Konzept mit Stephan Reischl, der an der Schule als Deutschlehrer tätig ist, entwickelt. Als DaF-Experte für Unterricht hat Reischl seine Erfahrungen als ehemaliger Leiter der PASCH-Abteilung des Goethe-Instituts in Ankara eingebracht.

„In der kreativen Zusammenarbeit entstand ein Brückenschlag zwischen deutschen Schülerinnen und Schülern, Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie den aus vielen Ländern neu angekommenen Flüchtlingen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Prägungen“, berichtet Reischl. „Dieser kreative Prozess ist motivationsfördernd, die Jugendlichen lernen die Stärken des Einzelnen kennen und sehen die Flüchtlinge nicht mehr als anonyme Masse. Auf diese Weise werden auch viele Vorurteile abgebaut.“

„Sport, Musik und Theater sind ein wesentliches pädagogisches ‚Handwerkszeug’, um Fähigkeiten bei Einzelnen zu entdecken, den Wert von Gemeinschaft und Zusammenarbeit zu fördern und um Schlüsselqualifikationen – wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Fleiß und Ausdauer – einzuüben, aber auch, um Sprache auf kreative Art und Weise in verschiedenen Facetten zu erlernen“, erklärt Sr. Dr. Christophora Eckl, Leiterin der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Schloss Zinneberg.

Die grundlegende Sprachvermittlung ist ein wichtiger Bestandteil des Projektes. „Manche der Jugendlichen sind erst seit einem Monat in Deutschland. Andere dagegen können bereits sehr gut deutsch. Diese sprachliche, kulturelle und soziale Heterogenität ist für alle Lehrer und uns eine große Herausforderung“, sagt Hauck. Die Unterschiede würden zwar durch Trommeln, Bodypercussion, Stelzen und Körpertheater schnell überwunden, aber eben nicht aufgehoben. Daran müsse weitergearbeitet werden: an einem Angleichen der Kenntnisse, der sozialen Kompetenzen nach ganz unterschiedlichen Fluchterfahrungen – für ein solidarisches Handeln und Agieren.

Obwohl die beteiligten Referenten auch über internationale Erfahrungen in der Arbeit mit Flüchtlingen und mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache verfügen, sind die Gegebenheiten, die Teilnehmer und die Vorgaben der jeweiligen Einrichtung immer neu oder anders. „Wir mussten erst ausprobieren, wer an den Kursen teilnehmen wird, aus welchen Ländern die Jugendlichen stammen, welche Sprachkenntnisse sie haben und wie viel Mut, um sich auf einer meterhohen Stelze zu bewegen“, meint Hauck.

Damit ein solches Projekt in der ersten Experimentierphase überhaupt möglich wurde, hat „GRASS21“ Fördergelder bereitgestellt, um den Auftakt mit zu finanzieren. GRASS21 ist der Name für eine von über 200 bundesweiten „Partnerschaften für Demokratie“. Mit Fördergeldern im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! - Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit!“ sollen Einzelprojekte für mehr Toleranz umgesetzt werden.

Nachhaltige Strukturen schaffen

Die Konzeption eines kombinierten und integrativen Unterrichts von Sprache, Kulturtechniken und Musik soll nun weiter erprobt und auch ausgebaut werden. Im Januar werden die Workshops nochmals fortgesetzt. Im Anschluss daran wird das Projekt analysiert und optimiert. Der Wunsch aller Referenten wie auch der Schule ist es, die Jugendlichen zu begleiten und damit Selbstbewusstsein, Kooperation und soziales Miteinander kreativ zu bündeln. Das wird und soll aber in einem langfristigen Aufbau verfolgen. Schließlich möchte man keine schnellen Effekte, sondern nachhaltige, tragfähige Strukturen erschaffen, hört man aus Zinneberg. Aus diesem Grund ist die Anschaffung von eigenen Stelzen vorgesehen. Trommeln haben die Beteiligten bereits selbst gebaut, die der Schule nun zur Verfügung stehen.

Nun soll noch aus den eingesetzten Lehrmaterialen zur Sprachförderung gezieltes Material für die Sprachanlässe der Workshops ausgearbeitet werden, um das Zusatzprogramm mit dem regulären Unterricht zu verzahnen. „Die Workshops sind hervorragend geeignet, Hör-und Sprachverständnis zu schulen. Diese Förderung gilt es, mit Lese-und Schreibverständnis zu kombinieren. Das soll mit der Schule und den Lehrern konzipiert und fortgesetzt werden. Und darin liegt die Herausforderung für alle Beteiligten, denn das ist bisher noch Neuland überall in Deutschland,“ meint Stephan Reischl. Dieses Modellprojekt kann dazu sicherlich einen guten Impuls geben – und damit auch Vorbild sein für andere Schulen.

Hintergrundinformationen:

«dieKunstBauStelle e.V.»

Der Verein „dieKunstBauStelle“ wurde im Januar 2014 gegründet. Ziel ist die Initiierung, Organisation und Durchführung von Projekten im Bereich der Kultur und Kunst; die Förderung des Erfahrungsaustausches im organisatorischen und ökonomischen Bereich der Kunst, der Kulturvermittlung, kulturellen Bildung und der kulturellen Jugendarbeit; Durchführung, Förderung, Unterstützung, Organisation von Veranstaltungen und Projekten zur Präsentation; Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit von Kunst- und Kulturschaffenden; Bildung von kulturellen und künstlerischen Bündnissen und Kooperationen für die Kunst- und Kulturschaffenden oder gemeinsame Projekte; Ausstellung, Kongresse, Publikation und Veröffentlichungen zur Darstellung und Dokumentation von Kunst- und Kultur.
Der Verein ist gemeinnützig im Sinne des Vereinszwecks zur Förderung von Kunst und Kultur tätig. Vorstandsvorsitzender ist Wolfgang Hauck aus Landsberg am Lech, Initiator und Leiter des Ausstellungsprojekts «dieKunstBauStelle».
Besonders Projekte des Förderprogramms „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird der Verein als Träger organisatorisch, leitend und begleitend umsetzen.

INFORMATIONEN
www.dieKunstBauStelle.de
www.diestelzer.de

Über „Demokratie leben!“

Angriffe auf Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit sowie Ideologien der Ungleichwertigkeit sind dauerhafte Herausforderungen für die gesamte Gesellschaft. Rechts­extremismus, Rassismus und Antisemitismus, die Heraus­forderungen durch Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit, Antiziganismus, Ultranationalismus, Homophobie, gewalt­bereiter Salafismus bzw. Dschihadismus, linke Militanz und andere Bereiche zeigen die Vielzahl demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene. Um ihnen kraftvoll entgegen­zutreten, bedarf es gemeinsamer Anstrengungen von Staat und Zivilgesellschaft.
Zahlreiche Initiativen, Vereine und engagierte Bürgerinnen und Bürgern in ganz Deutschland setzen sich tagtäglich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Mit­­einander ein. Bei dieser wichtigen Arbeit unterstützt sie das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundes­ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Es werden besonders Projekte gefördert, die sich in der Demokratieförderung und der Extremismusprävention engagieren.
Das Programm setzt auf verschiedenen Ebenen an: Ziel ist es, Projekte sowohl mit kommunalen als auch mit regionalem und überregionalem Schwerpunkt zu fördern.

Informationen
http://www.demokratie-leben.de

GRASS21

Das Förderprogramm für mehr Demokratie und Toleranz der Stadt Grafing und der Verwaltungsgemeinschaft
Aßling

GRASS21 ist der Name für die „Partnerschaft für Demokratie“ der Stadt Grafing und der Verwaltungsgemeinschaft Aßling. Mit Fördergeldern im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sollen Einzelprojekte für mehr Toleranz umgesetzt werden. GRASS21 wird seit 2015 zusätzlich aus Mitteln des Landkreises Ebersberg unterstützt.

Informationen
www.grass21.de

Fördergelder beantragen bei:
Felix Aschauer, Fach- und Koordinierungsstelle GRASS21
Köhlerweg 4 85614 Kirchseeon
0173-4528720, horizonte-verein@gmx.de

Bürgerreporter:in:

Andrea Schmelzle aus Landsberg am Lech

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