Groß Lafferde und der Siebenjährige Krieg

Am 15. Februar 1763 ging mit dem Friedensvertrag von Schloss Hubertusburg der Siebenjährige Krieg für die beteiligten deutschen Staaten zu Ende. Ihre Länder waren verwüstet, wirtschaftlich und finanziell ruiniert, die Bevölkerung verelendet. Zigtausende von Menschen waren gefallen oder verkrüppelt. Zur Erinnerung an diese schreckliche Zeit entstand das Kinderlied:

Maikäfer, flieg!
Der Vater ist im Krieg.
Die Mutter ist im Pommerland,
und Pommerland ist abgebrannt.
Maikäfer flieg.

Um zu verstehen, was sich hinter dem Begriff des Siebenjährigen Krieges verbirgt und warum Groß Lafferde unmittelbar davon betroffen war, bedarf es einer kurzen Einführung:

Die Wurzeln dieses Krieges lagen in der Österreichischen Erbfolge. Wegen eines fehlenden männlichen Erben wurde Maria Theresia Nachfolgerin des verstorbenen Kaisers Karl VI. (Pragmatische Sanktion). Preußenkönig Friedrich der II. (der Große) versprach, Maria Theresia bei der Durchsetzung ihrer Erbansprüche zu unterstützen. Als Gegenleistung verlangte er die Abtretung Schlesiens. Aus dieser Interessenlage heraus entstand der 1. Schlesische Krieg. Unter fadenscheiniger Begründung überfiel Friedrich am 16.12.1740 Österreich und annektierte Schlesien. Um Schlesien zu behaupten, begann er 1744 den 2. Schlesischen Krieg, den er siegreich beendete. Preußen war jetzt europäische Großmacht.
Österreich und andere europäische Mächte fühlten sich durch diese Machtverschiebung bedroht, verbündeten sich gegen Preußen und rüsteten auf.
Um einem vermeintlichen Angriff zuvorzukommen, marschierte Friedrich am 29.8.1756 ohne vorherige Kriegserklärung in Sachsen ein. Das war der Beginn des Siebenjährigen Krieges auf deutschem Boden (auch 3. Schlesischer Krieg genannt).
Die Hauptgegner Preußens waren Österreich, Russland, Schweden und Sachsen.

Trotz des Überfalles auf Sachsen war Friedrich nicht der Urheber des Siebenjährigen Krieges.
Engländer und Franzosen bekämpften sich schon seit April 1756. Es ging dabei um europäische Vormachtstellungen und die Weltherrschaft. Obwohl es in erster Linie ein Kolonialkrieg war, kämpften Frankreich und England auch auf deutschem Boden. Das lag u.a. an der Königlich Britannischen und Churfürstlich Hannoverschen Personalunion. Frankreich versuchte im Kurfürstentum englische Truppen zu binden und womöglich zu besiegen. Das wiederum führte zu Bündnissen zwischen England und Preußen einerseits und Frankreich und Österreich andererseits. Somit waren alle europäischen Großmächte am Krieg beteiligt.
Die großbritannisch/französischen Konflikte führten dazu, dass der Krieg in Mitteleuropa, Portugal, Nordamerika, Indien und auf den Weltmeeren ausgefochten wurde. Somit könnte man den Siebenjährigen Krieg als 1. Weltkrieg bezeichnen.

Friedrich der Große musste sich einer Übermacht von Feinden erwehren. Oftmals am Rande des Abgrunds stehend, gelang es ihm, zweifellos durch Zähigkeit und Können, aber auch durch Rücksichtslosigkeit und eine gehörige Portion Fortune, den Krieg siegreich zu überstehen. Der Kardinalfehler seiner Feinde war, die vernichtende Niederlage Friedrichs in der Schlacht bei Kunersdorf (12.8.1759) nicht konsequent ausgenutzt zu haben. Friedrich sprach vom „Mirakel des Hauses Brandenburg“. Der Spruch „Und kommt der Große Friederich und klopft nur an die Hosen, dann läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und Franzosen“ ist daher weit übertrieben und entspricht in keiner Weise den wechselhaften Kriegsereignissen.

Infolge der Großbritannisch/Kurhannoverschen Personalunion wurde Groß Lafferde in die Wirren des Siebenjährigen Krieges mit hineingezogen.
Nach der Schlacht bei Hastenbeck, die die verbündeten Kurhannoverschen Truppen unter Führung des unfähigen Herzogs von Cumberland und englischen Kronprinzen Wilhelm August am 26.7.1757 verloren und der schmählichen Konvention von Kloster Zeven (8./10.9.1757), waren die Franzosen für einige Monate unumschränkte Herrscher im niedersächsischen Raum. Durch Friedrichs glorreichen Sieg in der Schlacht bei Roßbach (5.11.1757) waren die Franzosen gezwungen, sich aus dem niedersächsischen Raum dauerhaft zurückzuziehen.
Zwei Einträge im Kirchenbuch beweisen, dass die Franzosen noch nach dieser Niederlage in Groß Lafferde gewesen sind und die Einwohner drangsalierten. So endete das Leben des 22 jährigen Hans Hinrich Lohmann auf tragische Weise. Er wollte einem französischen Musketier eine Gans wegnehmen, die dieser am Mittwochmorgen vor Weihnachten des Jahres 1757 gestohlen hatte. Der Musketier schoss ihm über dem rechten Ohr in den Kopf. Unter entsetzlichen Schmerzen lebte der Verwundete noch einige Tage und starb am 2. Januar 1758.
Nach dem Bauernthing war am 25.2.1758 ein Mann an übermäßigem Alkoholgenuss gestorben. Als am Sonntag Oculi (26.2.1758) die französische Armee durch das Dorf zog, wollten Soldaten den Leichnam aus dem Hause auf die Gasse werfen. Bevor es dazu kam wurde der Tote um 15 Uhr beerdigt.

Clemens August, ein Wittelsbacher, war Churfürst von Köln und von 1725 bis 1761 gleichzeitig Fürstbischof von Hildesheim. Obwohl er auf der Seite der Franzosen stand, wurde das Fürstentum von ihnen nicht verschont.
Das am östlichen Rande des Fürstbistums Hildesheim gelegene Groß Lafferde hatte zwar keine Kampfhandlungen erleiden müssen, dennoch wurde es von den Franzosen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sie pressten die Gemeinde aus. Aber auch für die nachrückenden braunschweigischen Truppen mussten Lebensmittel geliefert, Kriegsfuhren verrichtet und Schanzarbeiten geleistet werden. In den Jahren 1761/1762 richtete ein preußisches Corps unter dem Grafen Luckner sein Hauptquartier in der Burg Steinbrück ein. Es forderte ebenfalls Lebensmittel und Arbeitsleistungen.

Aus überlieferten Belegen geht hervor, welche Kriegsleistungen die Gemeinde Groß Lafferde in welcher Größenordnung zu erbringen hatte. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle nähere Angaben darüber zu machen.
Einquartierungen, Truppendurchmärsche und Kontributionen (Kriegssteuern) waren eine große Belastung. Die Gemeinde musste viele Fuhren und Schanzarbeiten leisten, sowie Getreide, Stroh und Heu abgeben. Pferde mit Geschirr, Wagen, Ketten und Schwengeln gingen verloren. Hammel, Kälber, Hühner, Speck Würste, Käse, Butter, Brote, Bier Branntwein, Tabak, Eier, Salz und Mehl fielen in die Hände plündernder Soldaten. Häufig mussten hohe Exekutions- und Deserteurkosten aufgebracht werden. Verbrannte Habe und Feldschäden waren zu beklagen.
Die Gemeinde befand sich in einer katastrophalen finanziellen Lage. Zahlreiche Anleihen mussten aufgenommen werden. Als Aufnahmegrund waren immer wieder die Bezahlung fälliger Kontributionen, die Abwendung bereits verfügter militärischer Exekution sowie die Rückzahlung älterer Anleihen angegeben. Diese verzweifelte Situation wirkte Jahrzehntelang nach und führte schließlich zur Einführung des Lafferder Marktes (Jahrmarktsprivileg von 1787).

Pastor Andreas Christian Oldendorf hatte zum Militär ein zwiespältiges Verhältnis.
Sein ältester Knecht, dieser „Hurenbub“ lief im Jahre 1760 von der Ernte fort und wurde Rekrut bei den Husaren.
Seine Magd Anna Catharina Brandes verließ ihn ebenfalls in der Ernte und heiratete zu Braunschweig den Husaren Berend Borgtorff.
Der Knecht Andreas Wienhauer hatte seine andere Magd geschwängert. Dieser „Hurenboldt“ und „Bösewicht“ entzog sich der Verantwortung, indem er 1761 zu den Braunschweiger Husaren ging.
Die „Bosheit des Gesindes“ bewog Pastor Oldendorf, den Ackerbau aufzugeben.
Das Betriebsklima bei dem geistlichen Herrn war wohl nicht das Beste.

Pastor Oldendorf schrieb ins Kirchenbuch:
Eine schwangere junge Frau aus Vienenburg hatte ihren Mann, den Rekruten Christian Bock in die Garnison nach Peine begleitet. Auf der Rückkehr gebar sie am 21. 1. 1762 in Groß Lafferde einen Sohn. Taufpaten waren Carl Wilhelm Pfundner, Koch bei dem Generalmajor v. Wissenbach, und Hinrich Naven.
Einige Wochen später, am 15.2.1762 starb in Groß Lafferde der Sergeant Peter Stein, gebürtig aus Hirlehausen/Hessen. Er gehörte der 3. Garde der Hochfürstl. Hessischen Truppe an und hat bei H. Junghanns von Ehrensteins Compagnie gestanden.

Im August 1762 war In Groß Lafferde ein Türkencorps einquartiert. Die Einheit nannte sich „Corps Volontairs Auxiliaris“, war demnach eine Ausbildungseinheit für Hilfstruppen und hat möglicherweise mit einem Türkencorps nichts zu tun. Gemeinhin verstand man darunter berüchtigte Einheiten, „die von Rauben und Stehlen Profession machen und von ihren Officiers nicht im Zaume gehalten werden“.
Um eine französische Einheit kann es sich zu dieser Zeit nicht mehr gehandelt haben. Wenn es überhaupt ein Türkencorps war, dann könnte es das braunschweigische gewesen sein. Von Raub und Stehlen ist nichts überliefert. Warum auch, denn es standen Friedenserwartungen im Raum: Nach dem Tode der Zarin Elisabeth (24.12.1761) schied Russland aus dem Krieg aus, Schweden folgte. Österreich wurde in der Schlacht bei Burkersdorf besiegt (21.7.1762). Damit war der Krieg so gut wie beendet. Als letzte Schlacht folgte noch Freiberg am 29.10.1762, in der Österreich erneut unterlag. Die Friedensglocken konnten läuten.
In Groß Lafferde läuteten die Hochzeitsglocken. Capitain Rotzmann unterschrieb 4 Trauscheine und Pastor Oldendorf verheiratete am 29.8.1762 den Grenadier Peter Fordinus mit Dorothea Margaretha Blähen, den Unteroffizier Friedrich August Biela mit Anna Elisabeth Bäthmann, geb. Thürling, den Grenadier Miachel Fein mit Sophia Louisa Schüttern und Nicolaus Schultze mit Friderica Blumbaum. Die Bräute stammten allesamt nicht aus Groß Lafferde. Möglicherweise waren sie den Soldaten im Tross gefolgt, wie es damals noch geschah. Warum die Massenhochzeit stattfand und was später folgte, ist leider nicht überliefert. Es ist auch nicht feststellbar, ob zwischen dem braunschweigischen Musketier Friedrich Heinrich Saxe, dessen Sohn am 9. Januar 1763 getauft wurde, und dem „Türkencorps“ irgendeine Verbindung bestand.

Das alles, Dramatik, Freud und Leid, hat sich auf einem völlig unbedeutenden Nebenkriegsschauplatz wie Groß Lafferde ereignet.

Quellen:
Baumgarten, Von Loferdi bis Groß Lafferde, 1150 Jahre Groß Lafferde;
Ev. Luther. Kirchengemeinde Groß Lafferde, Kirchenbuch; Vaterländisches Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen, Band 31; Wikipedia.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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