'Das ewige Haus'

Der Judenfriedhof in der Eisenbahnstraße in Kirchhain.
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Am vergangenen Palmsonntag hatte der Heimat- und Geschichtsverein Kirchhain zu einer 'Suche' nach den "Spuren der jüdischen Gemeinde" eingeladen. Trotz widrigster Witterungsverhältnisse verstand es die Stadtführerin, Frau Bader, das Leben der jüdischen Familien in Kirchhain lebendig werden zu lassen.

Vor der schmiedeeisernen Tür des jüdischen Friedhofs von Kirchhain erwartete die Stadtführerin, Frau Bader, die angemeldeten Gäste zu einer Führung unter der Überschrift: "Auf den Spuren der jüdischen Gemeinde Kirchhain". Nach einer kurzen Begrüßung durch Frau Kerstin Ebert, Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Kirchhain, verteilte Frau Bader Zettel an die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auf der Vorderseite des Zettels war das Foto des etwa 10-jährigen jüdischen Mädchens Karola Wertheim. "Sie werden den Zettel später noch brauchen" sagte Frau Bader zu den Anwesenden und erklärte weiter: "Erstmals wird im Jahre 1592 ein jüdischer Bewohner in Kirchhain erwähnt." In den nachfolgenden Jahrhunderten waren es stets 3 bzw. 4 Familien. Der Bau der Main-Weser-Bahn und des Bahnhofs in Kirchhain sorgte Mitte des 19. Jahrhunderts dafür, dass die Zahl der jüdischen Einwohner stark anstieg. Im Jahre 1910 betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung 9,1 % von 2.421 Einwohner Kirchhains. In der jüdischen Kultur ist der Friedhof ebenso bedeutsam wie die Synagoge, und die Toten sollen hier in Ewigkeit ruhen dürfen.

Nun öffnete Frau Bader die Tür zum Friedhof und erklärte: "Im Jahre 1786 erfahren wir aus dem Lager-, Stück- und Steuerbuch der Stadt Kirchhain, dass die jüdische Gemeinde einen 'bürgerlichen Garten oberhalb der Stadt' erworben hat, der als Begräbnisplatz genutzt werden soll." Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Verstorbenen auf dem adeligen Gut der Familie von Knoblauch zu Hatzbach, etwa 10 Kilometer von Kirchhain entfernt, bestattet. Auf dem heute etwa 2.435 qm großen Friedhof sind noch 18 Grabsteine aus der Zeit zwischen 1743 und 1777 erhalten. Besonders erwähnenswert ist hierbei der Grabstein des jüdisch-deutschen Dichters und Volksschriftstellers Elchanan Henle Kirchhan (geb. um 1666 in Kirchhain), der 1757 auf dem Friedhof bestattet wurde. Bei dem Rundgang über den Friedhof sind es vor allem die symbolischen Darstellungen auf den Grabsteinen, die besonders auffallen, wie z. Bsp. zwei gespreizte Hände. Die gespreizten Hände sind das Symbol für einen Priester.

Vom Friedhof aus führte der Weg durch die Geschichte der jüdischen Gemeinde zum Kirchhainer Bahnhof. Zahlreiche jüdische Familien eröffneten in Kirchhain Viehhandlungen, Futtermittel- und Düngemittelhandlungen, Textilhandlungen, Holzhandlungen und andere Gewerbebetriebe. Eine besondere Bedeutung hatten die jüdischen Viehhändler, die pro Woche einen Viehtransport vom Kirchhainer Bahnhof aus in Richtung Süddeutschland auf die Reise schickten.

In der Römerstraße, die sich gegenüber des Bahnhofs befindet, sind auf der linken Straßenseite heute noch mehrere Häuser ehemaliger jüdischer Familien zu sehen. "Wir stehen hier vor dem Elternhaus von Leo Strauss, einem bedeutenden Philosophen" erklärte Frau Bader und erzählte auch über die Begegnung mit dessen Adoptivtochter. Mit den Worten "Im September wird vor diesem Haus der erste 'Stolperstein' der Stadt Kirchhain verlegt. So soll an das einst reiche jüdische Leben in Kirchhain erinnert werden, von dem auch 70 Jahre nach Kriegsende noch zahlreiche Gebäude erzählen. Wir müssen sie nur sehen und beachten."

So endete die Stadtführung auf dem heutigen Römerparkplatz, auf dem sich übrigens einmal die Holzhandlung einer Kirchhainer jüdischen Familie befand. Die 1 1/2-stündige Stadtführung war sehr informativ und hat wieder einmal gezeigt: wir können viel entdecken, denn Häuser haben eine Geschichte. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle besonders bei der Stadtführerin Frau Bader, die trotz des unaufhörlichen und immer stärker werdenden Regens, die 'Spuren der jüdischen Gemeinde' in Kirchhain deutlich werden ließ.

Neugierig ? Lassen Sie ruhig den Regenschirm in der Ecke stehen und sehen sich einfach meine nicht ganz regentropfenfreien Bilder an.

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

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