Omas altes Sofa

Omas Sofa
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Meine Oma Anna ging auf die 100 zu. Leben wollte sie nicht mehr, sterben aber auch nicht. Ihre oft gesprochenen Worte waren "Hai hat mick vergetten" (Er hat mich vergessen). Wie immer das gemeint war, man konnte den Satz so oder so auslegen.
Oma starb im Jahre 1982 kurz vor ihrem 99. Geburtstag.
Zu ihren wenigen noch verbliebenen Möbeln gehörte ein altes Sofa. Heute würde man sagen ein "Loriot-Sofa". Es war mit Oma alt geworden und sah auch entsprechend aus. Ich hatte als Kind den Zustand des Möbels erheblich beeinflusst.

Nun stellte sich die Frage "Wohin damit, Sperrmüll oder behalten?". Ich bin zwar kein Messie, aber wegschmeißen konnte man das Ding immer noch. So landete es im Schuppen.

Vier Jahre später brauchten wir für eine mit alten Möbeln ausgestattete Stube ein Sofa. Nun kam Omas Sitzmöbel wieder zur Geltung.
Wir ließen das gute Stück aufarbeiten. Dabei entdeckte der Sattler- und Tapezierermeister Richard Lütgering auf dem Holzrahmen folgenden Bleistiftvermerk "Jul. Lütgering, Sattler u. Tapezierer zu Gr. Lafferde d. 14. November 1902".
Riesige Überraschung und große Freude! Oma hatte am 19. September 1902 geheiratet. Das Sofa war entweder ein Hochzeitsgeschenk oder eine Anschaffung für den neuen Hausstand gewesen.
Riesige Überraschung und große Freude auch beim Restaurator. Bei Julius handelte es sich um den Großvater des jetzigen Meisters! Richard ergänzte: „Neu bezogen und restauriert am 24. Jan. 1986 vom Großsohn Julius Lütgering, Richard geb. 25.6.1931“.

Ab 1986 tat das Erbstück wieder seinen Dienst. Obwohl es etwas zu kurz war, machte ich dort, immer wenn es die Zeit erlaubte, meinen Mittagsschlaf. Dieser intensive Gebrauch hinterließ natürlich Spuren. Nach 29 Jahren war der Bezug dünn und abgenutzt. Die Sitzgurte waren gerissen, das Sofa durchgelegen und unbrauchbar.
Im Jahre 2015 stand eine Restaurierung an. Aber o Schreck! Die Kosten waren enorm. Trotz aller Anhänglichkeit gebot die Vernunft, das Erbstück in den Sperrmüll zu geben.
Quasi in letzter Minute kam die Rettung. Es fand sich ein Tapezierermeister, der das Sofa zu einem fairen Preis herrichtete.
Jetzt strahlt es in frischem Glanz. Dem Meister Josef sei Dank.

Hoffentlich kann ich das gute Stück weitere 29 Jahre ausgiebig benutzen! Und wenn es dann wieder repariert werden muss, wünsche ich mir, das Geschehen gemeinsam mit Oma von einer höheren Warte aus beobachten zu können. Wer wird dann wohl darauf sitzen?

Bleibt noch zu erwähnen, dass Meister Josef bei seiner Arbeit an irgend einer Stelle des Sofas seine Visitenkarte hinterlassen hat. Man wird sie bei der nächsten Restaurierung finden.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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