Neues aus Virunum/Maria Saal - Leben und Vergnügen in der ehem. röm. Provinz Noricum vor 2000 Jahren

Grabungsareal 2009
20Bilder

(Landkreis Kärnten; Reg.-Bezirk Klagenfurt-Land/Gmd.: Maria Saal)
Koordinaten: 10°47'56.78"O ( Östlicher Länge),
48 °03' 57.35"N (Nördlicher Breite) - in Google-Earth.

Municipium Claudium Virunum“, um die Mitte des ersten Jh. n. Chr. von den Römern auf dem heutigen Zollfeld (b. Maria Saal/Kärnten) gegründet, war fast vier Jhdt. lang die Hauptstadt der Provinz Noricum, bevor Teurnia (bei Spital/Drau) diese Funktion übernahm. Als Nachfolgesiedlung der Stadt auf dem Magdalensberg entwickelte sich Virunum vor fast 2000Jahren rasch zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des südöstlichen Alpenraumes.
Den Mittelpunkt von Virunum bildeten das Forum und der nördlich daran anschließende Bezirk mit dem Kapitolstempel. Der Tempelbezirk, das religiöse Zentrum der Stadt, war den obersten römischen Staatsgottheiten der Trias Capitolina (Jupiter, Juno, Minerva) geweiht. Zeugnisse der östlichen Kulte des Jupiter Dolichenus und des Mithras wurden ebenso in Virunum gefunden.
Seit 1989 wurden auf diesem Areal vom Landesmuseum Klagenfurt aktive Ausgrabungen auf dem Geländer der ehemaligen röm. Hauptstadt getätigt.

Forschungsgeschichte:
Bereits 1935 durch Franz Jantsch oberflächlich im Gelände identifiziert. Freilegung in den Grabungskampagnen der Jahre 1998–2001 durch die Archäologieland Kärnten GmbH unter der Patronanz des Landesmuseums Kärnten (Univ.-Prof. Dr. G. Piccottini mit örtlicher Grabungsleitung von Dr. Renate Jernej). Seit 2004 Restaurierung 2004 vom Landesmuseum Kärnten im Rahmen des Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes Virunum/Zollfeld fortgesetzt. Mit Ende 2009 wurde das Areal des antiken Amphitheaters in seiner Form grösstenteils restauriert und soll baldmöglichst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und als kulturelle und sportliche Veranstaltungsstätte genutzt werden.

Datierung und Bauperioden :
Plinivs d. Jüngere erwähnte (Naturalis historiae II. 146), dass Virunum unter Kaiser Claudis (41-46n.Chr.) zur Stadt, zum municipium, zusammen mit 4 weiteren Städten in Noricum (Celeja/Celje/Cilli; Teurnia/St.Peter i.Holz b.Spittal/Drau; Aguntum/Lienz; sowie Juvavum/Salzburg). Damit ist anzunehmen, daß Mitte des 1.Jhdt. n.Chr. die ersten Bauten in Virunum errichtet worden sind. wurde. Die Errichtung des Amphitheaters liegt, somit ca. 80-100 Jahre nach Gründung Virunums also in späthadrianische Zeit, ca. 131 n. Chr. Die Nutzung ist anhand der Münzfunde bis ins frühe 4. Jh. n.Chr. gesichert. Insgesamt lassen sich vier Bauphasen unterscheiden, in deren Verlauf das Nordtor ungestaltet sowie die Arena bis zu einem Meter aufgeschüttet wurde. Eine Bauinschrift des Sextus Sabineius Maximus bezeugt eine Renovierung für die Zeit des Kaisers Commodus (180–192 n. Chr.). Nach einem Großbrand wurde die Anlage erneut unter Septimius Severus und Maximinus Thrax restauriert. Virunum erlebte die Zeit seiner politischen und wirtschaftlichen Hochblüte bis zum Beginn der Markomannen-Kriege an der Donau. Ausreichende Finanzen und politischer Stabilität, basierend auf Schürfung von Bodenschätzen wie Eisen, Gold und Holz, begünstigten öffentliche Großbauten wie das Amphitheater. Neben dieser Kampfarena - liegt im Wald noch begraben und nur an der Oberfläche begangen, der ehemalige Palast des/der Statthalter/s -procurator Augusti [oderAugustorum] von Virunum

Dimensionen:
Die Langovale Form, die von den üblichen ellipsoiden Grundrissen der römischen Amphitheater abweicht, umfasst ca. 108 x 46 m, Nord-Süd-orientiert. Sie ist einem modernen Stadion vergleichbarer Zuschauerraum, die Cavea, konnte über mehrere Zugänge betreten werden. Jeweils an den Schmalseiten im Norden und Süden befanden sich die Eingangstore.Um den zentralen Kampfplatz der Arena laufen zwei parallele Mauerringe in einem Abstand von 4,5–5,5 m, die bis zu einer Höhe von 4 m erhalten sind. Dazwischen befinden sich in regelmäßigen Abständen von 2,4–2,7 m angelegte Radialmauern, die als Auflager für hölzerne Tribüneneinbauten dienten. Die ansteigenden Zuschauerränge waren in Ständerbauweise eingefügt und boten Platz für ca. 3–4000 Menschen. Dieser Zuschauerraum, die Cavea, konnte über mehrere Zugänge betreten werden. Jeweils an den Schmalseiten im Norden und Süden befanden sich die Eingangstore. Ein unterirdischer Zugang führte unter der westlichen Cavea hindurch in die Arenamitte. Dieser bogengewölbte Gang unter der Cavea war erhalten geblieben, in der Arenamitte waren die Steinplatten, die einst den Gang abgedeckt hatten, verdrückt und verstürzt. Der Schacht in der Mitte der Arena war ursprünglich mit Holz verplankt gewesen, man fand im feuchten Lehm noch bis zu 1m lange Pfähle der ehemaligen Aufgangskonstruktion. Dieser diente als Aufzug der in der Arena vorgeführten Tier-(Jagdhatzen), die in der Mitte der Arena den Gladiatoren zugeführt wurden.
Ein unterirdisches Kanalsystem sorgte für die Entwässerung der Arena. Bei den Grabungsarbeiten im Berech des Nordtores wurde eine ausgezeichnet erhaltene römische Quellfassung aus Eichenbohlen freigelegt. Die Quellfassung selbst war mit einer Steinplatte und Bruchsteinen abgedeckt. Außerdem fand man Reste von hölzernen Wasserleitungen, die ihm lehmigen Terrain gut erhalten geblieben waren.

Die antike Nutzung:
Im Ostscheitel der Arena befand sich das der römischen Schicksalsgöttin Nemesis geweihte Nemeseum, mit einer Gesamtfläche von ca. 30m² unter den Zuschauerräümen, das von der Arena aus zugänglich war. Es war mit einem Kalkestrichboden versehen und hatte im rückwärtigen Teil eine halbrunde gemauerte Bank, auf der Weihegaben wie Altäre und Statuetten oder auch das Kultbild der Göttin aufgestellt werden konnten. Dank einiger archäologischer Hinweise kann man mit Sicherheit bestimmen daß hier in Virunum die im Römischen Reich sehr beliebten Gladiatorenkämpfe , sowie "venationes" (Tierhatzen) veranstaltet wurden.

Archäologische Funde - wie z.B. Ausrüstungsgegenstände, Waffen oder Rüstungen fehlen völlig, dafür liegt aber ein beeindruckender inschriftlicher Nachweis vor, der bei Grabungen geborgen werden konnte. Caivs Cassivs Honoratvs ließ das Amphitheater renovieren, auch mit Malereien (pictvra mvneris svi) ausschmücken, datierend auf 15.Mai 237 n.Chr. "Idibvs Maiis Perpetvo et Corneliano co[n]s[vlibvs]". Unter "mvnera" versteht man in erster Linie Gladiatorenkämpfe, u.a. auch Jagden/Tierhatzen. Ein weiteren inschriftlichen Beleg finden wir von Vercvndvs - ein Reiter der 1. thrakischen Ala, der den Gottheiten der Campestres einen Marmoraltar stiftete. Ursprünglich im Nemeseum aufgestellt, wurde der Altar vor der Tür in Zweitaufstellung gefunden. Campestres waren weibliche Gottheiten die besonders von den berittenen Einheiten verehrt wurden, Dabei handelt es sich um ursprünglich keltische Gottheiten - deren erster Beleg in Virunum aufgefunden wurde. Der Name leitet sich ab von "campus" dem lateinischen Ausdruck für Waffenübungsplatz. Man fand auch über dem Hang nordöstlich des Amphitheaters Überreste eines Militärlagers.

Von ca. 22 Prokuratoren [Datierung nach Winkler*] war u.a. einer der bekanntesten aus keltischer Familie stammend in der der röm. Provinz Raetien [Abodiacum/Epfach] geborene Verwalter - Claudius Paternus Clementianus - um ca.125 n.Chr. (Büste im Museum Epfach, sowie Museum in Klagenfurt). Er absolvierte eine beachtliche "Militär- und Zivildienst-Karriere" des römischen Reiches in Ungarn/Rumänien, Judäa, Sardinien und Nordafrika bis zum Procurator (Statthalter) der Provinz Noricum (Österreich). Er war unter anderem oberster Richter, Oberbefehlshaber der Hilfstruppen und Leiter der kaiserlichen Kasse. Nach seiner Zeit in Virunum kehrte dieser später nach Epfach zurück und nahm hier seinen Altersruhesitz.

Die Spiele selbst wurden in der Regel von dem/den jeweiligen Statthalter(n)/ ausgerichet. Mitte des 2. Jhdt. n.Chr. kennen wir einen "Censorius Niger" der auch Procurator in der Provinz "Mauretania" war, von dem man annimt, daß der Arenabau auch auf einige architektonische Einflüsse aus der röm. Provinz Cesarea (Cherchell/Algeria) zurückzuführen ist, wo man ein ähnliches Amphitheater ausgegraben hatte, aus der Zeit wo dieser Procurator von Virunum, vorher ebenso Amtsinhaber war.

Die Spiele:
Seit 1998 werden im über 1800 Jahre alten römischen Amphitheater von Virunum archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Der gut 40x100 m große Bau war durch drei Jahrhunderte (vom späten 1. bis zum 4.Jh.) der zentrale Veranstaltungsort für antike Vergnügungen wie Tierhetzen und Gladiatorenspiele.
Die Mauernzüge, die den antiken Kampfplatz umgaben, sind stellenweise über vier Meter hoch erhalten. Zahlreiche Architekturreste wie Basen und Trommeln von Marmorsäulen lassen erahnen, mit welchem Prunk das antike Theater ausgestaltet war. Solche "spectacula" wie diese römischen Veranstaltungen genannt wurden, stammen aus dem Brauchtum der Frühzeit Roms und erfreuten sich großer Beliebtheit. Ursprünglich mit religiösem Hintergrund, wandelten sich diese ab dem 1. Jhdt. v.Chr. zu klassischen Kampfspielen und Tier-Hatzen, in denen sogenante "Gladiatores" auftraten. Die ursprüngliche Bedeutung - die Darstellung von "virtus" (Kaltblütigkeit und Gleichmut im Angesicht des Todes) veränderte sich zum antiken Sport - zum Kampf auf Leben und Tod vor Zuschauern. Man unterschied 2 Formen - dem Kampf der Gladiatoren - Mann gegen Mann, sowie den venationes, dem Kampf von Mensch gegen Tier, zu deren 2. Gattung wahrscheinlich aufgrund von belegten Funden die in Virunum errichtete Arena zählt. Neben diesen Kämpfen mit einheimischen Tieren in der alpinen Region, wie Bär, Wolf, Eber, Stier (in mediterraner Region exotischen Tieren - Löwen, Leoparden, Panther, Elefanten, Nashörnern etc..) waren diese Arenen auch Sportstätten, in denen Wagen- und Pferderennen abgehalten wurden. Durch die zunehmende Christianisierung im Laufe des 4.Jhdts n.Chr. verschwanden diese Spiele - Kaiser Honorius (Sohn des Theodosius I.) schloss 399 n.Chr. die Gladiatorenschulen in Rom, vereinzelte Spiele fanden jedoch bis ins 5.Jhdt. statt.

Datierte Funde einer Inschrift des Cajus Cassius Honoratus vom 15.Mai 237 n.Chr. (siehe Fotoanlagen) weisen auf ein bestimmtes Ereignis - nämlich den von ihm zu diesem Zeitpunkt ausgerichteten Gladiatorenspielen hin. Ebenso nimmt man an, daß die Arena auch zu Waffenübungen benutzt wurde, da unmittelbar im Norden der Arena auch Reste eines Auxiliar-Legionslagers aufgefunden wurden.
Ein Hnweis führt uns zu Verecundus einem Reitersoldaten der 1.Thrakischen Ala. Dieser opferte den Gottheiten der Campestres - weiblichen Gottheiten - einen Marmoraltar. Diese wurden besonders von Reitersoldaten verehrt, deren Ursprung auf keltische Gottheiten zurückgeht. Dieser Fund - einmalig in Noricum - weist auch auf die Verbindung der campestres auf den lateinischen Namen "campus" (dem lateinischen Namen für Waffenübungsplatz) hin. In dem restaurierten Tempel dem Nemeseum - an der Ostseite der Zuschauertribünen opferte der Gladiator vor den Kämpfen zu Ehren der Göttin Nemesis mit der Bitte um Schutz und Sieg. Das restaurierte Gebäude - einem viereckigen ca. 5m hohem Raum) ist heute mit Originaltafeln und farbigen Replikas ausgestattet Das Dach dieser Konstruktion war der Sitz der Zuschauertribüne des Prokurators.
Bei den Ausgrabungen stellte man fest, daß dieses Nemeseum von massivem Mauerversturz bedeckt war, das nicht auf einen natürlichen Verfall zurückzuführen war. Die Recherchen ergaben daß nach einer letzten Opferung Priester und Anhänger des Kultes 3 Altärchen aus dem Innenraum vor dem Eingang placierten. Neben den bereits erwähnten Altären des Tierjägers Martialis, und der des Verecundus, der den Campestres geweiht war, wurde auch der Altar des Donatus und seiner Frau Octavia der Nemesis geweiht und hier deponiert. Nach einem letzten Opferakt mit Weihrauch und Gebeten, sowie 47 geopferten Münzen, die man in der Nähe des Altars verstreut fand, wurden ein mehrere Meter langes Teilstück der Mauer abgerissen, sowie Steine über die Altäre gelegt, sodaß niemand mehr die Kultgegenstände sehen oder berühren konnte. Datierungen der Münzen zufolge muß dies ca. 315/316 n.Chr. stattgefunden haben, wo man versucht hat unbefugten Plünderungen und Entweihungen zuvorzukommen. Man nimmt an, daß mit dem Mailänder Edikt - 313 n.Chr.) durch die Akzeptanz des Christentums als Staatsreligion durch Kaiser Konstantin, diese Kultgegenstände verborgen wurden.
Ab dem 4.Jahrhundert n.Chr. endete damit die 200-jährige Geschichte des Amphitheaters von Virunum, wenngleich die Stadt zwar noch weiterexistierte, jedoch in den Wirren der Völkerwanderung durch die anstürmenden Alamannen, ihren Schutz und Bedeutung verlor.

Literaturquellen:

Information Landesmuseum Kärnten: Virunum/Zollfeld 20004 :

R. Jernej/C. Gugl (Hrsg.): Virunum. das römische Amphitheater, Marktgemeinde Maria Saal Klagenfurt 2007; ISBN 978-3-900531-66-9; Die Grabungen 1998 - 2001 (Klagenfurt/Celovec 2004)

Thomas Fischer: Die Provinz Noricum: Verlag Philipp von Zabern 2002;

Manfred Fuchs : Archäologie Alpen Adria Band 3 : Collegium Scientiae & ARGE Virunum & Historischer Verein; Klagenfurt, 1997 Alektro verlag und A.I.D.A. Marketing & Werbung GmbH 9020 Klagenfurt; ISBN 3 900743 01 0

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